Radsport: Am Sonntag ist die Vuelta a Espana in Madrid zu Ende gegangen. Damit müssen die Radsportfans nun wieder bis Mai warten, ehe das nächsten Mal bei einer Grand Tour mitgefiebert werden kann. Doch wir können uns trösten, denn die Vuelta a Espana 2016 hat alles gezeigt, was diese Sportart ausmacht: Spannende Wertungen, keine Seriensieger und ein packender Kampf um das Podium mit vielen taktischen Finessen. In unserem Vuelta a Espana Rückblick betrachten wir die vergangenen drei Wochen und kommen zu interessanten Erkenntnissen.
Junge Fahrer machen auf sich aufmerksam
In kaum einer Sportart haben es junge Profis so schwer, den Anschluss an die Weltelite zu schaffen, wie im Radsport. Der Hauptgrund ist klar, denn für diese Leistungen sind die körperlichen Voraussetzungen und die Erfahrung entscheidend. Dennoch konnten in den vergangenen drei Wochen viele Jungprofis überzeugen. Mit Lilian Calmejane (23), Simon Yates (24), Valerio Conti (23), Pierre Latour (22) und zweimal Magnus Cort Nielsen (23) konnten gleich sechs Etappensiege bejubelt werden. Mit Nairo Quintana und Esteban Chaves standen zudem nicht nur zwei Kolumbianer auf dem Treppchen, sondern auch zwei erst 26-Jährige. Der Sieger der Bergwertung Omar Fraile und der Punktbeste Fabio Felline sind ebenfalls erst 26. In unserem Vuelta a Espana Rückblick können wir also feststellen, dass wir die Zukunft des Radsports – oder vielmehr die Gegenwart – bereits bewundern durften. Wie viel Kritik es an der Streckenführung auch geben mag – dieses hügelige Profil hat auch so seine Vorteile.
Tragische Helden und enttäuschende Leistungen
Neben vielen glücklichen Fahrern entdecken wir in unserem Vuelta a Espana Rückblick natürlich auch ein paar enttäuschte Profis. Sicherlich ist Alberto Contador zu nennen, der vor der Schlussetappe noch mit über einer Minute Vorsprung auf Esteban Chaves auf dem dritten Rang der Gesamtwertung lag und am Ende dann doch nur Vierter wurde. Luis Leon Sanchez verpasste seinen ersehnten Etappensieg genauso wie Samy Sanchez, der nach seinem Sturz im Zeitfahren aufgeben musste und sicherlich die tragischste Figur dieser Rundfahrt war. Auch Michele Scarponi dürfte mit dem Ausgang des Rennens nicht vollständig zufrieden sein. Der Italiener lag nach dem Zeitfahren noch auf Rang sieben in der Gesamtwertung, ehe er durch die letzte Bergetappe noch aus den Top 10 verdrängt wurde. Nicht vergessen dürfen wir auch seinen Teamkollegen Miguel Angel Lopez, der als vermutlich einziger Kolumbianer traurig sein dürfte. Er wurde als heißer Podiumskandidat gehandelt, musste die Vuelta jedoch verletzt aufgeben.
Spannende Entscheidungen in den Wertungen
Dass es in einem Wettbewerb immer Gewinner und Verlierer gibt ist vorprogrammiert, doch ein Sport lebt durch die Spannung. Das Salz in der Suppe beim Radsport sind vor allem die knappen und engen Entscheidungen, denen wir in unserem Vuelta a Espana Rückblick auf den Grund gehen. Anders als bei den meisten anderen Rundfahrten wussten wir bis zum Ende nicht, wer die Wertungstrikots letztendlich mit nach Hause nehmen darf. In der Punktewertung triumphierte mit Fabio Felline ein hügelfester Sprinter. Nichts besonderes eigentlich, doch wenn wir uns ansehen, wo er sich die entscheidenden Punkte geholt hat, dann verdient dieser Mann den größten Respekt. Gleich auf zwei Bergetappen fuhr er in die Punkteränge. Besonders beeindruckend war sein Auftritt als Ausreißer auf der 20. Etappe. Auch beim Zeitfahren hamsterte er sich sieben Zähler zusammen. Am Ende hatte er drei Punkte mehr als Quintana, sieben mehr als Valverde und acht mehr als Froome. Ähnlich spannend war es im Kampf um das Bergtrikot zwischen Omar Fraile und Kenny Elissonde. Auf mehreren Etappen duellierten sich die beiden und am Ende heimste der Spanier einen Punkt mehr ein. Auch hier fiel die Entscheidung erst auf der letzten Bergetappe.
Das Duell Nairo Quintana vs. Chris Froome
Am meisten Beachtung findet – trotz aller Wertungen – natürlich der Kampf um den Gesamtsieg. Auch hier gab es eine spannende und enge Entscheidung. Nairo Quintana jubelte am Ende über 83 Sekunden Vorsprung auf Chris Froome. Der Brite hatte auf der letzten Bergetappe alles versucht, doch er konnte den Kolumbianer einfach nicht loswerden. Damit drehte Quintana den Spieß um, denn bei der Tour de France hatte er bisher immer das Nachsehen. Entscheidend für seinen Erfolg war sicherlich die 15. Etappe, in der er zusammen mit Contador den Teams Sky und Orica-BikeExchange eine schmerzliche Niederlage zufügen konnte. Insgesamt 2:37 Minuten verlor Froome an diesem Tag. Im Zeitfahren auf der 19. Etappe konnte er diesen Rückstand nicht mehr aufholen. Dementsprechend kann dieser Gesamtsieg auch ganz besonders als Erfolg des Teams Movistar bezeichnet werden. Während Froome im Zeitfahren klar der stärkere der beiden Klassementfahrer war, nahmen sie sich in den Bergen nicht allzu viel. Quintana machte zwar insgesamt den frischeren Eindruck, doch Froome beeindruckte ebenso mit seinen unnachahmlichen Aufholjagden. Mehrmals lag er zurück, doch er kämpfte sich immer wieder heran und konnte die Lücke schließen. Am Ende genügte eine Unachtsamkeit auf der 15. Etappe.
Taktische Finessen beweisen den Mannschaftssport
Doch nicht nur auf diesem besagten Teilstück von Sabiñánigo nach Sallent de Gállego spielten taktische Entscheidungen eine große Rolle. Allgemein wurde diese Rundfahrt geprägt von vielen taktischen Finessen. Für einige zuständig war das Team Orica-BikeExchange, welches ausgerechnet auf der 15. Etappe zu den leidtragenden Mannschaften gehörte. Einen Tag zuvor auf der 14. Etappe brachten sie Esteban Chaves und Simon Yates in eine hervorragende Position. Vollendet wurde diese Meisterleistung letztendlich auf der 20. Etappe, als man mit Chaves frühzeitig angriff und Contador doch noch vom Podium stoßen konnte. Beide Male wurden Helfer in die Spitzengruppe geschickt, die als Relais-Stationen dienten. Geklappt hat das ganze Vorhaben wunderbar, denn sie konnten ihre Kapitäne über viele Kilometer unterstützen. Damit hat sich Orica-BikeExchange nun auch als Team für Rundfahrer bewiesen. Dies kann durchaus für Erstaunen sorgen, denn bisher machte man eher mit Etappenjägern auf sich aufmerksam. Gewinnen konnten sie dennoch nicht weniger als vier Etappen.
Der spanische Radsport befindet sich in der Krise
Ein interessantes Thema sollte spätestens nach dieser Saison angesprochen werden: Im Jahr 2016 konnten lediglich drei spanische Etappensiege bei Grand Tours eingefahren werden. In unserem Vuelta a Espana Rückblick stellen wir fest, dass es kein Spanier auf das Podium geschafft hat. Gegeben hat es dies zuletzt 1996, als drei Schweizer auf dem Treppchen standen. Immerhin landeten drei Spanier in den Top 8, doch in diesem radsportverrückten Land ist man bessere Ergebnisse gewohnt. Die Hoffnung auf eine zeitnahe Besserung scheint auch nicht gegeben zu sein, denn junge Talente sind rar gesäht. Zwar liegt Spanien aktuell in der Nationenwertung auf Rang drei, doch die Punkte fuhren fast ausschließlich die älteren Herrschaften ein. Alleine Valverde und Contador sind für die Hälfte der Punkte verantwortlich. Diese beiden fahren aber ihrem Karriereende entgegen. In den Top 100 des UCI World Rankings sind sieben Spanier, doch bis auf Jon Izaguirre sind alle mindestens 32 Jahre alt.
Die Vuelta a Espana ist besser als ihr Ruf
Schon immer hat es die Vuelta a Espana schwer, aus dem Schatten der Tour de France und des Giro d’Italia herauszutreten. Teilweise haben sich die Organisatoren diesen schlechten Ruf sicherlich selbst zuzuschreiben, doch durch den Start keine zwei Monate nach dem Ende der Tour hat man eben auch keinen perfekten Platz im Terminkalender der Topfahrer. Vorfälle wie auf der 5. Etappe, als Steven Kruijswijk, ein weiterer tragischer Held dieser gesamten Saison, wegen einem ungesicherten Pfosten aufgeben musste, tragen nicht gerade zu einem besseren Ruf bei. Außerdem lädt das wellige Profil seit Jahren keine Topsprinter mehr ein. Dennoch müssen wir zugeben, dass wir in den vergangenen Jahren die meisten epischen Etappen bei der Vuelta a Espana bestaunen durften. Radsport eben, wie er leibt und lebt. So freuen sich alle Radsportfans schon jetzt direkt wieder auf die nächste Grand Tour – auch wenn es noch eine Weile dauert …