Test: Die Firma Nicolai aus der kleinen Gemeinde Lübbrechtsen in Niedersachsen ist bekannt für Ihre innovativen Konstruktionen. Mit ihrer Geolution Geometrie waren sie vor einigen Jahren unter den Trendsettern des jetzt allgegenwärtigen „Lang-Flach-Tief-Trends“. Das Nicolai Ion G15 schließt die Lücke zwischen dem G13 Trailbike und dem G16 Enduro. Wir hatten mit dem für 6999€ teuren Topmodell die Gelegenheit, uns selbst einen Eindruck zu verschaffen und der Frage nachzugehen: Wie viel Revolution steht in der Geolution?
Nicolai Ion G15: Rahmen und Hinterbau
Heutzutage ist im hochpreisigen Bike-Segment Carbon allgegenwärtig. Aber wie soll es bei Nicolai anders sein: Auch das G15 kommt wie die gesamte Palette mit einem Rahmen aus Aluminium. Wer sich jetzt die Frage stellt, ob das überhaupt noch „state of the art“ ist, der sollte dem Schweißkunstwerk mal einen näheren Blick gönnen. Der Rahmen besteht aus edlen Frästeilen und schlichten Rohren, die mit wunderschönen Schweißnähten zusammengefügt wurden. Bei genauerem Betrachten fällt die Liebe zum Detail auf, sowie eine technisch interessante Lösung, die Kettenstrebe aufzutrennen.
Die Leitungen werden außen am Hauptrahmen geführt. Schönes Detail: Die Leitungen werden mit CNC gefrästen Haltern geklemmt – keine Plastikclips oder Kabelbinder notwendig. Außen verlegte Leitungen sind bei Schrauber sehr beliebt da es eine einfache Wartung verspricht. Zum Teil wird dieser Vorteil jedoch wieder verspielt, da die Leitungen unterhalb der Dämpferaufnahme verlaufen. Der Dämpfer misst klassische 216mm bei 63mm Hub aus denen der Hinterbau 150mm Federweg holt; das Übersetzungsverhältnis ist also recht niedrig, womit sich der Dämpfer fein auf die Anforderungen abstimmen lassen dürfte. Der Hinterbau selbst ist ein klassische Viergelenker mit groß dimensionierten Lagern, die überdies auch sehr gut gedichtet sind. Dies verspricht ein seidenweiches Ansprechverhalten für längere Zeit. Positiv zu erwähnen ist auch die Geometrieverstellung, die den Lenkwinkel sowie den Sitzwinkel um ein halbes Grad beeinflusst.
Nicolai Ion G15: Geometrie
Auf den ersten Blick der Geometrietabelle fällt sofort der lange Reach auf. Das Testgeschoss fällt mit einem Reach von 490 mm in Größe M sehr lang aus – länger als so mancher Konkurrent in XL. Wieder einmal zeigt sich aber, dass man sich nicht von isolierten Geometriewerten täuschen lassen sollte. Durch den flachen Lenkwinkel (64° bzw. 64,5°) in Kombination mit dem steilen Sitzwinkel (76,7° bzw. 77,2°) sitzt man trotz der gewaltigen Länge schön weit vorne auf dem Rad. Das gesamte Konzept hört auf den bereits angesprochenen Namen Geolution und soll vor allem bei hohen Geschwindigkeiten seine Vorteile ausspielen. In den Gravity-Disziplinen ist der Ansatz keinesfalls neu und auch bei den Enduros finden sich immer mehr Nachahmer.
Geometrietabelle Nicolai ION G15
small | medium | large | x-large | xx-large | |
empfohlene Größe (in cm) | 164-172 | 170-180 | 178-190 | 188-200 cm | 198-205 cm |
Oberrohr horizontal (in mm) | 606 | 636 | 662 | 686 | 710 |
Sitzrohr (in mm) | 420 | 450 | 470 | 500 | 520 |
Steuerrohr (in mm) | 110 | 110 | 120 | 130 | 150 |
Radstand (in mm) | 1251 | 1280 | 1310 | 1341 | 1375 |
Kettenstrebe (in mm) | 445 | 445 | 445 | 451 | 457 |
Lenkwinkel (in °) | 64,5/64,0 | 64,5/64,0 | 64,5/64,0 | 64,5/64,0 | 64,5/64,0 |
Sitzwinkel (in °) | 77,2/76,7 | 77,2/76,7 | 77,2/76,7 | 77,2/76,7 | 77,2/76,7 |
Reach (in mm) | 460 | 490 | 515 | 535 | 555 |
Stack (in mm) | 618 | 618 | 627 | 637 | 655 |
Nicolai Ion G15: Ausstattung
Gleich vorweg: Die Ausstattung unseres Testbikes entsprach nicht zu 100% der der Standardausführung, sondern war etwas mehr in Richtung Stabilität und Abfahrt getrimmt. Beim Fahrwerk hat sich jedoch nichts verändert und das ist auch gut so! Verbaut wurde hier ein Fox Float X2 Dämpfer und eine Fox 36 mit RC2 Dämpfung. Das Fahrwerk gehört damit sicherlich zur Creme de La Creme auf dem Markt derzeit. Gerollt wird auf 29 Zoll DT-Swiss EX 1501 Laufräder. Aus der Erfahrung können wir sagen: Trotz ihres geringen Gewichts können die ganz schön was ab.
Kommen wir zu den überarbeiteten Komponenten. Während an unserem Testbike noch Hope E4 Bremsen verbaut waren, kommt das G15 in Serie nun mit der MT7 aus dem Hause Magura. Auch der Antrieb wurde überarbeitet. Während wir noch mit elf Gängen auskommen mussten, sorgt künftig eine 12-fach Sram X01 Eagle für mehr Bandbreite. Die Hope Kurbel muss einer deutlich leichteren SRAM X01 Eagle aus Carbon weichen. Beim Cockpit setzt man weiterhin auf den Carbon Lenker von Renthal mit einer Breite von 780 mm. Beim Vorbau muss Hope ebenfalls Platz machen – in Serie verbaut hier Nicolai seine hauseigene Komponente.
Nicolai Ion G15: Auf dem Trail
Die anfängliche Skepsis ob der extremen Geometrie verflog schnell. Ich hatte befürchtet, dass sich das Fahren anfühlt wie ein Ritt auf der Streckbank – damit lag ich aber komplett daneben. Entgegen meiner Erwartungen fühlte sich die Gesamtergonomie sogar sehr komfortabel an. Gewöhnen muss man sich an das durch den flachen Lenkwinkel weit entfernte Vorderrad. Auf dem Trail macht es das Bike aber extrem laufruhig und verleiht auch in ruppigem Gelände Sicherheit. Träge wirkt das Bike aber dennoch nicht, es verlangt aber nach einer aktiven Fahrweise und einem Fahrer, der nicht scheut Druck aufs Vorderrad zugeben. Sobald es technischer und die Kurvenradien enger werden, macht sich der lange Radstand bemerkbar. Man muss Kurven ungewohnt weit ausholen, außer man beherrscht das Umsetzen über das Vorderrad. Dies gelang mir mit dem G15 sehr gut.
Kommen wir zum Thema Uphill, was bei einem Allrounder wie dem G15 sicherlich eine große Rolle spielt. Ich mach es kurz: Das Bike geht nicht nur bergab wie bekloppt, sondern offenbart auch ungeahnte Klettertalente. Durch den steilen Sitzwinkel und die lange Front lassen sich selbst verblockte Rampen bewältigen. Im Großen und Ganzen kann ich das Bike jedem empfehlen, der Spaß im Wald haben will. Ob Enduroracer oder Trailgenießer, ein Ausritt mit dem potenten Trailbike lohnt sich auf jeden Fall. Als kleine Info für Potenzielle Nicolai Fahrer: Seit neuestem bietet der Hersteller aus Niedersachsen auch Probefahrten direkt vor der eigenen Haustüre an. Ein Vertreter von Nicolai bringt das Wunschbike kostenlos vorbei für eine Testrunde auf den gewohnten Hometrails.
Allgemein: Mobile Nicolai Testflotte – Die #nicolaitrailexperience für mehr Individualität und bessere Kundenbetreuung
Fahrradmarkt: Mit einer mobilen Testbike-Flotte wird der Hersteller Nicolai zukünftig Beratung und Probefahrten direkt beim Kunden vor Ort anbieten. Mit der #nicolaitrailexperience bringt man das Vertriebssystem der Lübbrechtser auf einen neuen Weg, um eine noch bessere und persönlichere Beratung zu bieten. Zudem wird ein neuer Produktionsstandort in Deutschland eröffnet. Mit der Einführung der #nicolaitrailexperience vergrößert der […]