Test / E-Performance / MTB: Mit dem Nicolai G1 Eboxx hatten wir das neueste E-Fully der edlen Made in Germany Schmiede im Kurztest. Am Kronplatz in Italien konnten wir einige erste Fahreindrücke sammeln.
Zur Saison 2018 stellte Nicolai das erste Eboxx E-Fully vor; der Traditionshersteller aus Deutschland blieb sich auch bei den motorisierten Bikes treu und setzte auf Maschinenbau-Know-How, auf zahllose spannende Detaillösungen und nicht zuletzt auf das Geometron-Geometriekonzept. Das bisherige G16 Eboxx E-Fully basiert – wie der Name bereits sagt – auf dem bekannten G16: Mit 160mm Federweg und 27,5″ Laufrädern. Im vergangenen Jahr erweiterte Nicolai mit dem G1 sein Fully-Portfolio ohne Motor um ein waschechtes 29er-Enduro. Genau dieses bekommt nun mit dem G1 Eboxx auch eine Variante mit dem neuen Bosch Performance CX Motor.
Zunächst die wichtigsten technischen Eckdaten: Na klar, ist auch das G1 Eboxx aus hochwertigem Aluminium. Der Rahmen wird weiterhin in Deutschland gefertigt und stellt am Heck 160mm Federweg zu Verfügung. Zunächst wird es vom neuen Nicolai E-Fully zwei Ausstattungsvarianten geben. Neben dem von uns getesteten Qlfine mit Kettenschaltung wird’s auch hier – wie beim G16 – ein Modell mit E14 Rohloff Schaltnabe und Antriebsriemen geben.
Im Herzen des G1 Eboxx schlägt der neue Bosch Performance CX Motor. Seine kompakten Abmessungen erlauben eine sehr viel gefälligere und kompaktere Konstruktion des Fahrradrahmens. War der Vorgänger optisch extrem dominant, verschwindet das neue Modell fast komplett hinter Kurbel und Kettenblatt. Am Nicolai steckt der Antrieb hinter einer komplett neu konstruierten Abdeckung aus Kunststoff, die für eine gute Luftzirkulation sorgt, um Hitzeproblemen entgegenzuwirken. Gespeist wird der Motor vom neuen Powertube 625 Akku, der komplett im Unterrohr verschwindet. Die Steuerung übernimmt komplett das neue Kiox Display samt entsprechender Bedieneinheit.
Der Hinterbau holt 160mm Federweg aus dem 210×55 Dämpfer und eignet sich dank seiner progressiven Kinematik auch hervorragend für Stahlfederdämpfer. Nicht allzu überraschend also, dass beide Ausstattungsvarianten ab Werk mit Coil-Dämpfern ausgestattet sind.
Wenig überraschend kommt auch beim G1 Eboxx das Geometron-Konzept zum Einsatz; wer sich damit bis dato nicht beschäftigt hat, eine kurze Erklärung: Ein langer Hauptrahmen trifft hier auf einen flachen Lenk- und einen steilen Sitzwinkel. So wird der Fahrer einerseits sehr zentral in das Rad gerückt und hat zudem sehr viel Spielraum, um auf dem Trail sein Gewicht verlagern zu können. Außerdem wächst der Radstand: Toll, wenn’s geradeaus geht, nicht ganz so toll in engen Kehren. Vorbildlich sind die verfügbaren Rahmengrößen. Von S bis XXL decken sie einen Größenbereich von 1,50m bis 2,10m ab. Wer trotzdem nicht glücklich wird, kann immer noch auf einen Maßrahmen zurückgreifen, der auch beim G1 Eboxx möglich ist.
Nicolai G1 Eboxx Qlfine: Erste Fahreindrücke
Für einige erste Fahreindrücke schnappten wir uns bei den Eurobike Media Days das Nicolai G1 Eboxx für eine Trailrunde am Kronplatz in Südtirol. Überraschend ist zunächst, dass sich das Rad beim Aufsitzen trotz seiner gewaltigen Abmessungen (über 1300mm Radstand in Größe M!) nicht ungewohnt und extrem groß anfühlt. Dafür machen wir vor allem den steilen Sitzwinkel von 78° verantwortlich, der den Fahrer weit nach vorn rückt. Weiterhin fiel uns direkt auf den ersten Metern die leise Geräuschkulisse des CX Motors auf. Während der neue Bosch Antrieb vor allem bei hohen Trittfrequenzen ansonsten etwas zum „Singen“ neigt, bleibt der am Nicolai angenehm zurückhaltend. Das dürfte wohl auf die massive Rahmenkonstruktion zurückzuführen sein.
Am Cockpit thront über allem das Kiox Display am Vorbau. Der kleine Farbbildschirm ist auch bei direkter Sonneneinstrahlung sehr gut ablesbar, aber die Position direkt auf dem Vorbau ist uns einen Ticken zu exponiert. Im Falle eines Sturzes dürfte das Display oder der Halter recht schnell in Mitleidenschaft gezogen werden. Sehr gut gelöst ist hingegen die Remote, die ergonomisch nochmals eine deutliche Verbesserung zur Purion Variante darstellt.
Unser Testloop ist wie gemacht für ein modernes E-MTB. Steile Rampen, technische Uphills, wurzelige Abfahrten und einige enge Kehren. Schön ist, dass das Nicolai richtig Charakter zeigt. Während viele andere E-MTBs heutzutage zwar ebenfalls sehr gut funktionieren, fahren sie sich doch oft etwas austauschbar. Das G1 Eboxx hingegen ist sofort als solches auszumachen. Das trifft auf den Uphill zu, wo es mit seinem langen Radstand und den 75Nm Drehmoment des Bosch Motors fast jedes Hindernis wegbügelt, auch wenn die Linienwahl nicht optimal ist. Diese Charakteristik findet sich auch im Downhill wieder: Durch seine enorme Laufruhe gepaart mit dem schluckfreudigen Fahrwerk brilliert es insbesondere in Highspeed-Passagen und regt an, einfach mal die direkte Linie durch das Steinfeld zu nehmen, wo man zuvor immer den Weg des geringsten Widerstands ging. Gerade etwas weniger versierte Fahrer profitieren hier enorm von der Bügeleisen-Mentalität des Nicolai E-MTBs.
Die Kehrseite dieses Ansatzes zeigt sich, wenn der Trail verschlungener und die Kurven enger werden. Hier wirkt das Bike auch durch sein beachtliches Gewicht teils etwas behäbig, der lange Radstand erfordert viel Körpereinsatz, um das Rad durch die Kehren zu befördern.
Beide Daumen hoch gibt’s für die Ausstattung. Klar, über 7.000 Euro sind eine Menge Geld. Aber immerhin bekommt man hier einen Rahmen, der hierzulande gefertigt wird und einen nicht unbedingt edlen, aber extrem funktionalen, robusten und bewährten Komponentenmix. Das zeigt sich beispielsweise bei der Schaltung: Ja, verbaut ist hier „nur“ eine Sram GX 11-fach Schaltung. Doch mal ehrlich: Die Bandbreite der 10-42 Kassette reicht für ein E-MTB aus, zudem ist die Performance kaum schlechter als bei teureren Gruppen. Dafür investiert Nicolai wieder in ein hochwertiges Fox Factory Fahrwerk, langlebige E-MTB Laufräder von Hope und SQlab Griffe und Sattel. Nicht ganz warm wurden wir jedoch – einmal mehr – mit der kabellosen Magura Vyron Stütze. Bei schnellem Auf und Ab am Trail ist uns die Reaktionszeit auch in der neuen Variante einfach etwas zu behäbig.