Radsport: Seit 2000 wird das Weiße Trikot bei der Tour de France wieder vergeben. Es zeichnet den besten Nachwuchsfahrer in der Gesamtwertung aus. Dafür darf ein Profi maximal 25 Jahre alt sein. Fünf Kandidaten haben bei der Frankreich-Rundfahrt 2019 gute Chancen, sich das Weiße Trikot zu sichern. Mit Maximilian Schachmann (Deceuninck – Quick-Step) ist sogar ein deutscher Fahrer mit dabei.
Egan Bernal: Gelb überstrahlt Weiß
Obwohl Egan Bernal (Ineos) der klare Topfavorit auf das Weiße Trikot ist, wird sich der Kolumbianer kaum dafür interessieren. Der 22-Jährige strebt bereits höhere Ziele an. Zum einen will er mit seiner Mannschaft erneut den Gesamtsieg bei der Tour de France feiern, zum anderen könnte sogar er derjenige sein, der am Endes das Gelbe Trikot gewinnt. Und Gelb sticht schließlich Weiß. Er wäre erst der fünfte Fahrer, dem der Gewinn beider Trikots gleichzeitig gelingt. Zuvor waren in dieser Hinsicht Laurent Fignon 1983, Jan Ullrich 1997, Alberto Contador 2007 und Andy Schleck 2010 erfolgreich. Zu schlagen sein wird Egan Bernal in dieser Wertung nur, wenn er sich irgendwann lediglich auf die Helferdienste für Geraint Thomas konzentrieren muss. Ansonsten wird er in den Bergen einfach zu stark für die Konkurrenz sein und im Zeitfahren kaum Zeit verlieren.
Enric Mas: Top 10 & Weiß als Ziel
Wer im Vorjahr Zweiter bei der Vuelta a Espana wird, zählt zurecht zu den Top 10 Kandidaten bei der Tour de France. Enric Mas (Deceuninck – Quick-Step) war vielleicht DIE Entdeckung des Jahres – zumindest was die Klassementfahrer angeht. Nun steht der Spanier zum ersten Mal bei der Frankreich-Rundfahrt am Start. Auch wenn er im Hochgebirge keine starke Mannschaft an seiner Seite haben wird und mit Elia Viviani im Sprint und Julian Alaphilippe in der Bergwertung auch andere Ziele verfolgt werden, ist Enric Mas ein Anwärter auf das Weiße Trikot. Der 24-Jährige ist ein passabler Zeitfahrer und gilt als angriffslustig in den Bergen. Vielleicht hat er sogar Glück und wird zu Beginn nicht als potentieller Podiumskandidat ernst genommen.
David Gaudu: Im Schatten der Landsmänner
Selbst vielen Radsportfans ist der Name David Gaudu (Groupama – FDJ) noch kein Begriff. Dabei zählt der 22-Jährige zu den stärksten und interessantesten Franzosen. Besonders wenn es steil und giftig bergauf geht, ist mit David Gaudu zu rechnen. Gleichwohl zählt er eher zu den sprintstarken und explosiven Bergfahrern. Vielleicht wird er sich daher sogar eher in Richtung Puncheur entwickeln, statt zu einem Klassementfahrer. Trotzdem gewann er in dieser Saison bereits die Nachwuchswertung bei der Tour La Provence und der UAE Tour, sowie eine Etappe bei der Tour de Romandie. Im letzten Jahr belegte er am Ende der Tour de France Rang 34 in der Gesamtwertung. Da er als Helfer von Kapitän Thibaut Pinot vermutlich viel arbeiten muss, wäre der Gewinn des Weißen Trikots schon eine kleine Überraschung. Auf der Rechnung haben sollten wir ihn für die Zukunft allerdings schon.
Tiesj Benoot: In den Bergen wird er immer stärker
Mit seinem Sieg bei Strade Bianche im Jahr 2018 hat Tiesj Benoot (Lotto – Soudal) den Durchbruch im Profiradsport geschafft. Angesehen wurde und wird er vor allem als starker Fahrer bei Klassikern und auf leicht hügeligem Terrain. Der tempofeste Belgier hat uns jedoch zuletzt auch gezeigt, dass er in den Bergen mithalten kann. Dafür hat der 25-Jährige Gewicht verloren und speziell im Hochgebirge trainiert. Durchaus möglich, dass sich Tiesj Benoot zu einem echten Klassementfahrer entwickeln wird. Um bereits bei der Tour de France 2019 unter die Top 10 zu fahren, ist es jedoch zu früh. Deutlich bessere Aussichten auf Erfolg hat er beim Versuch eines Etappensiegs. Vor allem die welligen Überführungsetappen dürften ihm liegen.
Maximilian Schachmann: Puncheur oder Bergfahrer?
Eine der Entdeckungen der Saison ist zweifelsohne Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe). Der Deutsche überzeugte 2019 gleich über mehrere Wochen hinweg bei unterschiedlichsten Rennen. Los ging sein bisher bestes Jahr nach einer passablen UAE Tour mit einem Sieg beim italienischen Eintagesrennen GP Industria & Artigianato – Larciano. Anschließend gewann er eine Etappe bei der Katalonien-Rundfahrt und gleich drei Teilstücke bei der Baskenland-Rundfahrt. Seine Highlights waren jedoch die Ardennen-Klassiker. Nach Rang fünf beim Amstel Gold Race und dem Flèche Wallonne fuhr er bei Lüttich – Bastogne – Lüttich sogar auf Platz drei. Maximilian Schachmann hat definitiv die Anlagen, um eines Tages zu einem richtig starken Klassementfahrer zu reifen. Aktuell jedoch scheint er eher die guten Eigenschaften eines Puncheurs und eines Bergfahrers zu vereinen. Der 25-Jährige hat – so oder so – eine großartige Zukunft vor sich. Das Weiße Trikot wäre jedoch eine riesige Überraschung.