Vom Pedal abrutschen ist doof. Aber wer möchte seine Freizeit schon in MTB-Schuhen verbringen? Der wohl schönste Bike-Sneaker kommt von Adidas und heißt Velosamba – im Test von Velomotion muss der Fahrradschuh zeigen, ob sein Konzept aufgeht.
Einer der Vorzüge des Gravelbikes ist seine vielseitige Verwendbarkeit. Das bedeutet nicht nur Gelände und Asphalt, sondern auch Sport- und Alltagsnutzung, und so wird der Offroad-Renner von vielen Menschen eingesetzt, die sich auf ein einziges Fahrrad beschränken möchten. Doch manchmal verschwimmen die Grenzen zwischen beidem, und dann wird aus einer längeren Pendelfahrt eine flotte Trainingseinheit. In Sachen Bekleidung kein Problem: Eine atmungsaktive, winddichte Jacke, eine gepolsterte Radhose ohne Träger unter der Cordura-Jeans mit fahrradspezifischem Schnitt, dazu ein Radhelm mit dezenten, glatten Formen, fertig ist das Crossover-Outfit, das auf dem Rad funktionell und im Ziel unauffällig „casual“ ist.
Doch eine Sache fehlt: die passenden Schuhe. Wer schnell und dynamisch Rad fährt, vertraut nicht auf konventionelle Pedale; selbst moderne Plattformpedale mit rauer Oberfläche kommen bei kräftigen Antritten an ihre Grenzen und verlieren auf die Dauer ihren Grip. Klickpedale sind unerreicht, was die sichere Verbindung von Rad und Fahrer (-in) angeht, und an MTB wie Gravelbike ist das Shimano-SPD-Pedal („Shimano Pedalling Dynamics“) praktisch konkurrenzlos. Doch kompatible Treter wirken mit ihren mit klobigen Formen und Klick-, Klett- oder Drehverschlüssen ausgesprochen technisch und wollen nicht so recht zum Alltags-Outfit passen. Außerdem mögen ihre harten Sohlen zwar ideal zum Biken sein, zum Gehen sind aber nicht wirklich geeignet. Auf hartem Untergrund sind sie mit kantigen Profilstollen zudem meist ziemlich rutschig; mehr als ein paar Schritte möchte man im Alltag nicht damit zurücklegen.
SPD-Schuhe für den Alltag?
Das haben natürlich auch ein paar Firmen in der Fahrradbranche erkannt und sich an Modellen versucht, die diese Lücke füllen sollen; solche Treter sind aber schwer zu finden und dann doch wieder so speziell gestylt, dass sie nicht unbedingt massenkompatibel sind. Und so ist der Schuh, den Adidas vor gut einem Jahr vorstellte, wirklich eine Sensation: der Velosamba, einem uralten Sportschuh nachempfunden und so „casual“ gestaltet, wie es ein Fahrradschuh nur sein kann.
Vom Fußball- zum Fahrradschuh
Adidas konzipierte den Samba vor über 70 Jahren als Fußballschuh für winterlich harte Böden; später setzte er sich mit seiner weichen Gummisohle beim Hallenfußball durch und wurde zur Streetwear-Ikone mit hohem Wiedererkennungswert. Heute geht er in der unübersehbaren Modellvielfalt der (Adidas-) Sneaker etwas unter; als Velosamba ist er jedoch einzigartig. Wie also wird der Fußball- zum Fahrradschuh? Die Hürde, die es zu überwinden gilt, ist natürlich die Integration der Schuhplatte in die Sohle, die deshalb etwas stärker ausfallen muss. Das SPD-Cleat sitzt in einer etwa 9 mm tiefen Mulde, damit es beim Gehen nicht auf den Boden aufschlägt; der Schlitten im Inneren der Sohle, auf den die Schuhplatte aufgeschraubt wird, sorgt für zusätzliche Bauhöhe. Außerdem muss die Sohle einerseits ziemlich steif sein, da die Auflagefläche auf dem Klickpedal recht klein ist, gleichzeitig aber so elastisch, dass sie einigermaßen normales Abrollen erlaubt.
Optisch ist das beim Adidas Velosamba gut gelungen: Der Fahrradschuh wirkt keineswegs klobig, die Sohle ist nicht auffällig hoch. Das Gewicht aber schon, was man gleich bemerkt, wenn man ihn aus dem Karton hervorholt. In Größe 44 wiegt der Schuh ein sattes Pfund, rund 50 % mehr als ein konventioneller Sneaker ähnlicher Machart (Adidas Hamburg) – 501 zu 343 Gramm pro Stück, wozu noch einige Gramm für das Cleat kommen. Der Velosamba ist damit auch deutlich schwerer als ein herkömmlicher MTB-Schuh (350-400 Gramm); am Fuß spürt man dieses Gewicht allerdings nicht.
Flexibel genug zum Gehen
Unser Adidas Hamburg lässt sich nach Lust und Laune knautschen und verdrehen und beweist damit eine sehr flexible Sohle – mit dem Velosamba geht das nicht. Was bedeutet das für die Gehfähigkeit des Adidas-Radschuhs? Nichts, denn ein halbstündiger Spaziergang auf Asphalt zeigt, dass der Velosamba durchaus zum Laufen zu gebrauchen ist. Im Fersenbereich dämpft die Sohle angenehm, im Bereich des Großzehengrundgelenks ist die Flexibilität der Sohle groß genug, um das gewohnte Abrollen zu erlauben. Dass man Radschuhe trägt, merkt man eigentlich nur durch das typische Knirschen, wenn man auf kleine Steinchen tritt. Als angenehm erweist sich auch die weiche Polsterung seitlich und im Fersenbereich. Um den Schuh schön fest zu schnüren, müssen die Senkel Loch für Loch strammgezogen werden; typisch für den Samba gibt es oben drei Löcher, mit denen man darüber entscheiden kann, ob der Schuh am Fußgelenk etwas fester oder lockerer sitzt. Zur Ausstattung gehört ein breites Elastikband, unter das man die Schnürsenkel schieben kann; die drei Streifen sowie die Fersenkappe sind aus einem reflektierenden Material gefertigt.
Top-Funktion beim Radfahren
Jetzt aber schnell aufs Rad – eine anderthalbstündige Tour zu einer Veranstaltung steht an, dort zwei Stunden rumstehen und -schlendern und dann wieder zurück. Einsatzbedingungen also, die wie gemacht sind für den Adidas Velosamba, und was soll man sagen: Der Fahrradschuh funktioniert. Die Sohle ist steif genug für harte Antritte, und der Schnürschuh sitzt fest genug am Fuß, um einen runden Tritt mit „Zugphase“ am Pedal zu erlauben. Ein- und Ausklicken sind ein Kinderspiel, zumal keine vorstehenden Profilstollen im Weg sind, wenn der Schuh auf dem Pedal positioniert wird. Bei eher kühler Witterung ist der Schuh angenehm warm; an heißen Sommertagen könnte sich der Mangel irgendwelcher Belüftungselemente bemerkbar machen. Das Fußbett bietet eine angedeutet Fußgewölbeunterstützung, wie sie typisch für Sneaker ist; die Innensohle ist eingeklebt, könnte aber wahrscheinlich gegen eine ergonomische Sohle ausgetauscht werden. Für einen Radschuh, der nicht für sportliche Höchstleistungen konzipiert ist, geht all dies völlig in Ordnung. Dabei sieht man den Velosamba auch immer mal auf ambitionierten Gravel-Touren; ein reiner Commuting-Schuh ist er sicher nicht. Wie und wo man mit dem Rad unterwegs ist, ist nicht das Wichtigste – die Frage ist, wie man sich anziehen will. Und hier ist der Radschuh komplett einzigartig, gerade weil er ein Adidas ist und als solcher mit der markentypischen Optik höchstens positiv auffällt.
Apropos Optik: Ein Merkmal von Sneakern ist ja die schnellen Farbwechsel; die hier vorgestellte Variante in Weinrot ist aktuell nicht erhältlich. In Leder wird der Schuh derzeit in Crèmeweiß und Dunkelblau angeboten, als Velosamba Vegan aus Kunststoff in Weiß, Schwarz und Grau – nur im Adidas-Onlineshop bestellbar für jeweils 120 Euro. Kein Preis für ein Produkt, das ebenso unverwechselbar wie einzigartig ist.