Radsport: Morgen ist es soweit: Die 109. Tour de France beginnt in Kopenhagen mit einem Einzelzeitfahren. Die Starter stehen fest – und es sind einige deutschsprachige Profis mit dabei. Wir blicken auf ihre Ziele und Chancen.
Deutsche Fahrer als Helfer mit Freiheiten
Mit drei Deutschen im Aufgebot hat der Raublinger Rennstall Bora – hansgrohe die meisten Fahrer unter schwarz-rot-gelber Flagge nominiert, darunter auch die frisch gebackenen Deutschen Meister. Lennard Kämna wird aber nicht nur im Zeitfahren sein Können unter Beweis stellen dürfen, sondern vor allem in den Bergen. Im Hochgebirge erwartet die Teamleitung eine ähnlich starke Vorstellung wie beim Giro d’Italia. Sicher wird Lennard Kämna aber nicht nur als Helfer von Kapitän Aleksandr Vlasov eingesetzt, sondern wird auch seine Freiheiten genießen, um auf einen Etappensieg oder sogar auf das Bergtrikot fahren zu dürfen. Straßenmeister Nils Politt ist zur Unterstützung in der Ebene mitgenommen worden. Aber auch er wird bei entsprechender Konstellation auf Etappenjagd gehen. Was Kämna für die Berge und Politt fürs Flache ist, das ist Maximilian Schachmann fürs Hügelige. Auch für ihn gibt es bei der Tour de France 2022 einige Etappen, die er offensiv in Angriff nehmen wird. Ein Etappensieg für einen dieser drei Piloten scheint relativ wahrscheinlich.
Harte drei Wochen als Helfer erwarten Alexander Krieger (Alpecin – Deceuninck) und John Degenkolb (DSM). Während der eine sein Tour-Debüt gibt, freut sich der andere auf seine schon achte Teilnahme. Die Rollen in ihren Teams ähneln sich jedoch. Beide werden für ihre Sprinter – auf der einen Seite Jasper Philipsen, auf der anderen Alberto Dainese – eingeplant. Alexander Krieger darf sich wohl eher keine Hoffnungen machen, dass er im Laufe der drei Wochen auf eigene Rechnung fahren darf. Bei John Degenkolb sieht das anders aus. Der erfahrene Deutsche freut sich vor allem auf den Start der Tour de France und die Kopfsteinpflaster-Etappe. Als hervorragender Klassikerjäger liegen ihm diese Teilstücke.
Im Team Cofidis finden wir gleich zwei deutsche Flaggen. Simon Geschke freut sich auf seine zehnte, Max Walscheid auf seine dritte Tour de France. Weil sich die französische Equipe seit jeher aktiv und offensiv präsentiert, gehen wir davon aus, dass sich die beiden Deutschen auch in diesem Jahr nicht nur im Hauptfeld verstecken. Dennoch sind die Hauptaufgaben Helferdienste. Simon Geschke wird als starker Kletterer für Guillaume Martin eingesetzt, während Max Walscheid als Top-Zeitfahrer und schneller Sprinter von Bryan Coquard gebraucht wird.
Auf einige Freiheiten dürfen Jonas Rutsch (EF Education – EasyPost) und Georg Zimmermann (Intermarché – Wanty – Gobert Matériaux) hoffen. Zwar fahren in deren Teams ebenfalls Profis, die in der Hackordnung über ihnen einzuordnen sind, aber die Teams haben eine weniger starre taktische Ausrichtung, so dass sich im Laufe der drei Wochen immer wieder Gelegenheiten ergeben dürften. Allerdings werden wir die beiden wohl selten zusammen in einer Gruppe wiederfinden. Jonas Rutsch fühlt sich eher in der Ebene wohl, während Georg Zimmermann als guter Kletterer angesehen werden kann.
Treue Domestiken aus Österreich
Auch in Österreich muss man sich vorwiegend darauf einstellen, die heimischen Fahrer als Helfer zu sehen. Felix Großschartner und Patrick Konrad werden bei Bora – hansgrohe für die Unterstützung von Kapitän Aleksandr Vlasov in den Bergen eingesetzt, während Marco Haller für die Sicherheit in der Ebene zuständig ist. Eigene Ambitionen werden alle drei wohl über drei Wochen hinweg zurückstecken müssen. Gleiches gilt für Gregor Mühlberger in der spanischen Mannschaft Movistar. Zwar wird er – ebenso wie Konrad und Großschartner – in der zweiten und dritten Wochen sicher in eine Gruppe gehen dürfen, aber der Hauptfokus liegt auf den Helferdiensten für Kapitän Enric Mas.
Auf etwas mehr Freiheiten hoffen hingegen Michael Gogl (Alpecin – Deceuninck) und Sebastian Schönberger (B&B Hotels – KTM). Die beiden Österreicher fahren für zwei Teams, die nicht der WorldTour angehören. Dementsprechend werden sie sich auf jeder Etappe zeigen müssen, um gute Resultate einzufahren und sich für eine weitere Einladung zu bewerben. Ist ein Massensprint ausgeschlossen, wird die Teamleitung auf jeden Fall die Gruppen besetzen wollen – und dann bieten sich Gogl und Schönberger in beiden Teams an.
Zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk
Gleich zu Beginn der Tour de France sind die Hoffnungen der Schweizer Fans am größten. Mit Stefan Bissegger (EF Education – EasyPost) und Stefan Küng (Groupama – FDJ) zählen zwei Eidgenossen zu den Favoriten auf den ersten Etappensieg und damit auch das erste Gelbe Trikot. Das Zeitfahren in Kopenhagen könnte für Bissegger und/oder Küng zur Triumphfahrt werden. Im weiteren Verlauf der Tour de France 2022 werden sie – ebenso wie Landsmann Silvan Dillier (Alpecin – Deceuninck) – darauf hoffen, ab und an in Fluchtgruppen zu dürfen. Anbieten würde sich dafür unter anderem die Kopfsteinpflaster-Etappe, ebenso wie jedes Teilstück mit Windkanten-Gefahr.
Auf Grund des positiven Coronatests von Matteo Trentin wurde im UAE Team Emirates Marc Hirschi nachnominiert. Der Schweizer gilt als einer der stärksten Puncheur im gesamten Profiradsport. Ob er seine Fähigkeiten auch bei dieser Tour de France wird zeigen können, ist allerdings nicht gesagt. Schließlich liegt der Fokus im Team UAE ganz klar auf Tadej Pogacar und dem Gelben Trikot. Durchaus möglich also, dass sich Marc Hirschi mit der klaren Helferrolle wird abfinden müssen.
https://www.velomotion.de/magazin/2022/06/radsport-tour-de-france-2022-wertungstrikots/
https://www.velomotion.de/magazin/2022/06/radsport-tour-de-france-2022-favoriten/