Test Benno Boost: Keine Lust auf Lastenrad, aber Interesse an großer Transportkapazität? Dann ist das 24-Zoll-Modell von Benno Bikes vielleicht der ideale Kompromiss. Als vielseitiges Cargobike mit kompakten Ausmaßen und angenehm normalen Fahreigenschaften dürfte es in unterschiedlichen Lebensphasen „liefern“, ob auf dem Weg zur Kita oder beim Einkauf.
Immer wieder mal tun sich Lücken auf zwischen den zahllosen Fahrradgattungen, die es inzwischen gibt. So entstand zwischen Rennrad und Mountainbike (aber deutlich näher am ersteren) das Gravelbike, und aus E-MTB und E-Trekkingbike wurde das E-SUV. Manchmal vermisst man auch als Nutzer ein bestimmtes Konzept, das die Mitte zwischen bestehenden Modellen trifft – zu entdecken, dass es das doch gibt, ist dann eine freudige Überraschung. So könnte es einem mit dem Benno Boost gehen. Denn das ist ein Elektrorad, welches irgendwo zwischen E-Urbanbike und Lastenrad steht und damit gleich aus mehreren Gründen ziemlich interessant ist.
Das Benno Boost ist ein Cargobike mit Trekkingrad-Maßen
Warum Benno Bikes? Hinter dem Firmennamen steckt der Designer Benno Baenziger, der Anfang der 1990er von Berlin nach Kalifornien zog und Mitbegründer des Radherstellers Electra war – jene Marke, die klassische Cruiser-Optik mit aktueller Fahrradtechnik verschmolz und inzwischen zu Trek gehört. Typisch für viele Modelle von Electra ist der flache Sitzwinkel, der für eine entspannte Haltung auf dem Rad und eine etwas niedrigere Sitzhöhe sorgt. Und dieses Merkmal findet auch auch an den Modellen der 2015 gegründeten Marke Benno Bikes wieder. Zum Beispiel am Boost, das damit schon einmal ziemlich angenehmen Sitzkomfort bietet; außerdem hat man die Füße schnell auf dem Boden. Wobei das Alleinstellungsmerkmal dieses Elektrobikes ein anderes ist: Mit 24-Zoll-Laufrädern und einem Radstand um 1,25 Meter ist es einerseits ziemlich wendig und nicht länger als konventionelle 28-Zoll-Bikes, andererseits ist es mit einem ausgesprochen langen Gepäckträger ausgestattet, der unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bietet – zumal zusammen mit dem optionalen Frontträger und weiterem Zubehör wie geräumigen Seitentaschen.
Vorteile bei Lenkverhalten und Handling
Damit spricht das Boost all jene an, denen ähnlich ausgerichtete 20-Zoll-Bikes zu nah am Kompaktrad sind, und jene anderen, für die die Nachteile großer Cargobikes überwiegen. Und die gibt es: Die Lastenschiffe mit Plattform oder Wanne vor dem Fahrer sind einerseits in Sachen Lenker- und Fahrverhalten nicht mit einem konventionellen Fahrrad zu vergleichen, andererseits wegen ihrer Größe und des hohen Gewichts nicht ganz einfach in der Handhabung. Klar, die langen Laster (die ja auch das Auto ersetzen sollen) verstehen sich eher als Ergänzung zum normalen (E-) Bike, nicht eine Alternative. Doch das Benno Boost kann das normale Elektrorad ersetzen und gleichzeitig ziemlich viel mitnehmen. Dank des moderaten Gewichts von nur 26 kg (Herstellerasngabe, ohne Zubehör) ist es außerdem leichter transportiert werden, als ein echtes Cargobike, das gerne auch deutlich über 50 kg auf die Waage bringt. Auf den 66 cm langen Heckträger passen zwei Sitze für kleine Kinder; alternativ können zwei größere Kinder ohne Sitze auf dem gepolsterten Heck befördert werden, solange sie die maximale Zuladung des Trägers von 60 Kilo nicht überschreiten. Im großen Frontkorb, der bis zu 20 Kilo tragen kann, lässt sich beispielsweise eine Getränkekiste befördern. Die „Platform Rail Plus“ bildet auf dem Heckträger eine 72 x 55 cm große Ladefläche.
Viel Zubehör fürs Benno Boost
Leider sind die entsprechenden Zubehörteile keine Schnäppchen: Der Heckträger mit Fußstützen für den Transport größerer Kinder kostet 400 Euro; eine Reling knapp 200, der Frontkorb ebenfalls 200 Euro. Preislich liegt das Benno mit 5.199 Euro also auf dem Niveau solider Cargobikes à la Urban Arrow, wobei Benno Bikes dem Boost immerhin schon den Bosch Performance CX gönnt, dazu das schön kleine Purion-Display und einen 500-Wh-Rahmenakku, dem ein zweiter Speicher im Rahmendreieck zur Seite gestellt werden kann. Vertriebspartner Zweirad-Center Stadler verkauft das kompakte Lastenrad jedoch für attraktive 4.988 Euro inklusive des langen Lasten-Gepäckträgers.
Solide Technik, zwei Rahmenformen
Die Technik des Benno Boost ist solide mit „Shimano Deore“-Zehngangschaltung und Supernova-Lichtanlage. Nicht mehr ganz zeitgemäß scheint die Befestigung der Laufräder mit konventionellen Schnellspannern. Da das Boost auf superbreiten, dämpfenden Reifen rollt, kann auf eine Federgabel verzichtet werden; der hochgezogene Lenker erinnert an die Cruiser-Vorfahren des Benno. Ziemlich kalifornisch ist übrigens auch die Surfbrett-Befestigung, die Benno Bikes anbietet, und die sich vielleicht auch für andere lange, flache Gegenstände nutzen lässt. Übrigens gibt es das Boost zwar nur in einer Rahmengröße, dafür aber in zwei Rahmenformen, als Diamantrahmen mit deutlich abfallendem Oberrohr und als Trapezrahmen. Letzterer dürfte deutlich praktischer sein, wenn man die Transportkapazitäten des Kleinlasters voll ausnutzt – dann kann man das Bein nämlich nicht mehr so gut nach hinten über den Sattel schwingen.
Warum Benno Bikes? Wer ein vielseitiges Lastenrad sucht, das auch nach der Phase der Kinderbeförderung genutzt werden kann und sich darüber hinaus fast so fährt wie ein normales E-Bike, sollte sich das Bike des kalifornischen Berliners Benno Baenziger einmal anschauen. Das geht in den derzeit bundesweit 21 Stadler-Filialen, wo man sich auf Wunsch gleich ein Bikeleasing-Angebot erstellen lassen kann. Damit relativiert sich auch der hohe Preis, wobei man sagen muss: So viel Flexibilität bei der Nutzung darf auch etwas kosten.