Test Crivit Urban E-Bike X.2: Das von Lidl vertriebene Elektrorad ist ziemlich preiswert, dabei mit wertigen Komponenten und Anbauteilen solide ausgestattet. Sein Mivice-Heckmotor schiebt kräftig an, doch Details wie den Singlespeed-Antrieb und das Spiralkabel am Akku muss man mögen.
Bei Lidl denkt man an den preiswerten Wochenend-Einkauf, vielleicht auch an den vielseitigen Onlineshop, der rund um Haushalt, Garten und Freizeit eine große Produktvielfalt bietet. Zu letzterem Bereich gehört die Rubrik „Sport & Outdoor“ – und hier findet man seit Neuestem neben diversen Zubehörprodukten auch Elektrofahrräder. Wundern muss einen das nicht, schließlich haben sich gerade in den unteren Preisbereichen längst alternative Vertriebswege entwickelt. „Baumarkt-Bikes“ oder „Grüne Wiese“ – unter diesen Stichworten versammelt sich meist einfachstes Material für die weniger Anspruchsvollen. Doch manchmal findet man abseits des etablierten Fachhandels durchaus überzeugende Modelle und Konzepte. Und die E-Bikes, die Lidl unter dem Namen Crivit Urban E-Bike X.2 vorgestellt hat, können durchaus dazu gezählt werden.
Crivit ist nur eine der über den Lidl-Webshop vertriebenen Marken, dabei aber die Eigenmarke des Discounters. Im Vergleich zu den Bikes von Fischer, Prophete & Co. wirkt das Urban-Bike dann auch gleich etwas eigenständiger und wertiger. Mattschwarzer Lack, Starrgabel und Heckmotor: Elektroräder dieser Art gibt es von zahlreichen Anbietern, und im Vergleich zu etablierten Marken muss sich das Crivit nicht verstecken. Auf den ersten Blick fallen die hochwertigen Schwalbe-Reifen auf, und auch die Lenker-Vorbau-Einheit würde einem deutlich teureren Rad gut stehen. Außerdem ist das Crivit mit einem Gates-Riemenantrieb ausgestattet, der alles andere als billig ist.
Crivit Urban E-Bike X.2: Mivice-Heckmotor mit überraschend kräftigem Schub
Und der Antrieb? Kommt vom jungen Anbieter Mivice, der neben „Light Assist“-Mittelmotoren auch den Heckmotor anbietet, der am Lidl-Bike verbaut wird. Das Drehmoment des Mivice M080 liegt mit 40 Nm etwas über dem, was vergleichbare Aggregate abdrücken; die großen Mittelmotoren haben freilich teils mehr als doppelt so viel Kraft. Wer sein E-Bike vorzugsweise im Stadtverkehr nutzt, kommt aber auch mit weniger Drehmoment gut zurecht.
Der Akku des Crivit Urban E-Bike X.2 ist mit 360 Wattstunden in etwa so groß wie die Batterien vergleichbarer E-Bikes. Er steckt im Sitzrohr und ersetzt die Sattelstütze; hinten-oben ist außerdem eine Rückleuchte angebracht. Der Akku wiegt etwa 2,5 Kilo; die elektrische Verbindung zum Motor stellt ein teils außen verlegtes Spiralkabel dar, dass sich an Veränderung der Sitzhöhe anpassen kann. Die Akku-Sattelstütze kann jederzeit per Schnellspanner gelöst und in der Höhe verstellt werden; um sie komplett zu entnehmen, braucht es jedoch einen Schlüssel. Was natürlich clever ist, denn so ist die Höhenverstellung einfach, ohne dass man Angst vor Akku-Klau haben muss.
Da das Crivit nur in einer Rahmengröße angeboten wird, dürften viele Nutzer den recht großen Verstellweg der Akku-Stütze auch nutzen. Der Lenker kann freilich nicht in der Höhe verändert werden. Bei mittlerem Stützenauszug ist die Sitzposition sehr ausgewogen; kleinere Fahrer sitzen dagegen ziemlich aufrecht auf dem Rad. Beim Damen-Modell ist das Sitzrohr ein paar Zentimeter kürzer gehalten.
Diebstahlsicherer Sattelstützen-Akku
Sonderlich elegant ist das armdicke Sitzrohr mit der Außenverkabelung nicht – andere Hersteller schaffen es, einen Akku mit vergleichbarer Kapazität in einem schlanken Unterrohr unterzubringen, der dann allerdings fest montiert ist. Nachteile für den Nutzer hat das Lidl-Prinzip aber auch nicht. Neben Motor und Akku besteht das Antriebssystem aus einem Schalter am Oberrohr mit LEDs, deren Farbe die drei Fahrmodi anzeigt; gewechselt werden diese durch die kleinen, aber gut erreichbaren Tasten links (-) und rechts (+) am Lenker. Die Zahl der leuchtenden Segmente zeigt die Restreichweite an. Ein Display gibt es nicht, eine App auch nicht.
Und auch auf eine Schaltung muss man am Crivit verzichten – Heckmotor + Riemenantrieb würden höchstens das Pinion-Tretlagergetriebe zulassen, das den Preisrahmen aber bei weitem sprengt. Die vordere Riemenscheibe ist groß, die hintere klein – die Primärübersetzung von 58/22 ergibt einen eher lang übersetzten Gang. Wovon sich der Mivice-Motor freilich nicht aus dem Konzept bringen lässt: Trotz seines mäßig starken Drehmoments schiebt er nahezu verzögerungsfrei an und braucht nicht einmal eine eher hohe Tretfrequenz, um kräftigen Vortrieb zu bieten. Damit unterscheidet er sich durchaus von manchen Heckmotoren, die in Kombination mit einem Singlespeed-Antrieb beim Anfahren auf starke Eigenleistung des Fahrers angewiesen sind.
Wenn’s zu steil wird ist Schluss
Auch bergauf und sogar beim Anfahren bergauf erweist sich der Motor als durchaus spritzig – besonders, wenn man durch Gedrückt-Halten der Plus-Taste den kurzzeitigen Turbo-Modus aktiviert. Geht es am Berg aber in Richtung zweistelliger Steigungsprozente, ist der Mivice-Antrieb wie die meisten vergleichbaren Aggregate überfordert: Sobald die Tretfrequenz zu stark absinkt, reicht das Drehmoment des Heckmotors (wie die Beinkraft des Fahrers) nicht mehr aus, bis man schließlich absteigen und schieben muss.
Überzeugend als flottes Stadtfahrzeug
Für anspruchsvolles Terrain ist das Crivit aber auch nicht konzipiert. Es will nicht mehr sein als ein flottes Stadtfahrzeug, und auf diesem Terrain kann es durchaus überzeugen. Ergonomie und Funktion sind tadellos; die kräftigen Bremsen gefallen ebenso wie die helle Lichtanlage und die hochwertigen Schwalbe Big Ben. Auf diesen rollt das Lidl-Bike durchaus auch mal ohne Motorunterstützung flott dahin, wobei der Motor sanft abregelt und ruckfrei einsetzt. nicht zuletzt das recht geringe Gewicht macht das Crivit interessant – mit Pedalen wiegt es nicht ganz 21 Kilo, wobei viele E-Bikes mit Heckmotor (oder sogar kleinem Mittelmotor) noch einmal mehrere Kilo leichter sind.
Muss es ein Rad vom Discounter sein? in dieser Frage darf man ruhig geteilter Meinung sein. Beratung und Service des Fachhandels sind Annehmlichkeiten, auf die man beim per Spedition gelieferten E-Bike verzichten muss. Hier ist das Crivit freilich in guter Gesellschaft, zumal viele junge Anbieter inzwischen auf den Direktvertrieb setzen. Wer vor allem an Preis-Leistung interessiert ist, wird wenig Argumente gegen das mit 1.599 Euro recht günstige Lidl-Bike finden, wobei der Singlespeed-Antrieb den Nutzungsbereich durchaus einschränkt. Mit Kettenschaltung ausgestattet, wäre das Crivit gleich deutlich vielseitiger – hier muss man sich dann doch an die etablierten Marken wenden. Wobei man gerade aktuell vielfach auf attraktive Rabatte hoffen kann, die den Preisvorteil des Discounter-Bikes relativieren könnten.