Test BH GravelX R 6.5: In der aktuellen Variante ist das Carbon-Gravelbike der Basken noch einmal attraktiver geworden. Zur Rennrad-mäßigen Ausrichtung kommen hochwertige Komponenten und ein interessantes Preis-Leistungs-Gewichts-Verhältnis.
Der Hersteller aus Eibar im Baskenland kann auf über 100 Jahre Fahrradproduktion zurückblicken und ist schon seit Jahren mit attraktiven Gravelbikes am Markt vertreten. Diese waren schon immer eher sportlich geschnitten, was auch gut zum Charakter des Anbieters passt. Dem Trend zur Diversifizierung des Gravel-Segments scheinen sich die Basken jedoch entziehen zu wollen. Wo viele andere Anbieter zwei bis drei unterschiedliche Modelle für unterschiedliche Einsatzbereiche bereitstellen, gibt es bei BH nur die folgenden zwei Optionen: GravelX R, wie hier zu sehen, oder GravelX AT mit Softtail-Hinterbau, der etwas mehr Komfort bringen soll. Das AT verfügt im Unterschied zum R über ein Staufach im Unterrohr (mit nach unten öffnender Klappe); abgesehen davon sind beide Modelle identisch, auch in Sachen Geometrie. Und diese hat es in sich: Die Sitzgeometrie ist so sportlich, dass der Gravel-Rahmen auch am Cyclocross-Rad der Marke zum Einsatz kommt; mit kurzem Steuer- und langem Oberrohr sitzt man gestreckt und mit deutlicher Überhöhung auf dem BH GravelX R.
Das Alu-Gravelbike, das die Basken im unteren Preissegment anbieten, ist noch einmal ein paar Millimeter aggressiver, obwohl es auf der Homepage des Herstellers im Bikepacking-Trimm gezeigt wird. Diese Modell kann außerdem nur mit 42 mm breiten Reifen gefahren werden, wogegen beim GravelX 45er reinpassen.
BH GravelX R 6.5: Veränderungen im Detail
Im Vergleich zu seinem direkten Vorgänger hat sich das GravelX nur bei Ausstattungsdetails verändert: Die Leitungsführung am Cockpit ist nun eleganter gelöst, was allerdings auch bedeutet, dass man den Vorbau nicht mehr ganz so weit nach unten positionieren kann. An den diversen guten Eigenschaften des Carbonrahmens kann man sich aber weiterhin erfreuen. So gefallen die nach außen hin geschlossenen Achsgewinde sowie die Carbonstütze mit D-förmigem Querschnitt und integrierter Klemmung, außerdem natürlich die aerodynamische Anmutung des Rahmens, die gut zur Geometrie und dem „Gravel Race“-Charakter des BH passt.
Und auch die Fahreigenschaften werden der Optik gerecht. Erst einmal gefällt die sportliche Sitzhaltung, die am Testrad freilich noch durch diverse Spacer entschärft wird. Dazu ist das GravelX vortriebsstark und lässt sich leicht beschleunigen, was es auch dem recht geringen Gewicht von knapp neun Kilo zu verdanken hat. Mit 71,5° Lenkwinkel und eher kurzen Kettenstreben ist das BH dazu eher handlich, ohne es dabei an Laufruhe vermissen zu lassen.
Auch ohne „Softtail“ komfortabel
Auch ohne den flexenden Hinterbau des Schwestermodells GravelX AT ist das Rad übrigens durchaus komfortabel – jedenfalls am Heck; die Gabel fühlt sich eher straff an. Die D-förmige Carbonstütze hat in Sachen Vibrationsdämpfung viel zu bieten; für die meisten dürfte die „ungefederte“ Variante also reichen. Preislich gibt es übrigens keinen Unterschied zwischen beiden Modellen.
Wer mit dem GravelX losrollt und erst einmal ein paar Kilometer Asphalt abspult, fragt sich bald, wie sich das BH wohl mit 30er oder 35er Rennreifen anfühlen würde. Denn vom Gefühl her ist der Graveller so nah am Straßenrad, dass er den Renner glatt ersetzen könnte. Mit 11-34 ist eine eng abgestufte Zwölffach-Kassette montiert, kombiniert mit der 46-30er Zweifachkurbel der Shimano GRX RX610. Dadurch fällt die Gesamtübersetzung im Vergleich zum Rennrad etwas kürzer aus, doch das ist eher praktisch, wenn es steil bergauf geht. Auch der vergleichsweise schmale Lenker mit mäßigem „Flare“ sorgt für Rennrad-Feeling; ziemlich griffig ist das Prologo-Lenkerband mit den auffälligen Gumminoppen.
Schmaler Lenker und Rennrad-Radsatz
Auch der Vision-Radsatz am BH ist mit 21 mm Maulweite eher Rennrad als Gravelbike. Dabei harmonieren die Felgen sehr gut mit den tubeless montierten Pirelli-Reifen in 40 mm Breite; mit rund 1.600 Gramm (bzw. knapp 3,3 Kilo fahrfertig) sind die Laufräder dazu relativ leicht. Die Pirelli Cinturato Gravel RC rollen recht gut auf Asphalt; in ihrem Element sind sie, sobald es matschig und rutschig wird – dann vermitteln sie viel Sicherheit durch Grip und Kurvenhalt.
Sehr viel Spaß hat man mit der elektronischen GRX Di2. Blitzschnelle, präzise Gangwechsel sind ihr Metier, wobei gerade die Funktion des vorderen Umwerfers beeindruckt. Auch die Ergonomie der Griffe ist top, wobei es bei den Di2-Shiftern der Shimano-Rennradgruppen etwas leichter fällt, den „Griffhöcker“ zu umfassen.
Um etwas zu finden, was am BH nicht ganz überzeugt, muss man schon sehr genau hinschauen: Nicht ganz gelungen scheinen uns die Montagemöglichkeiten am Unterrohr. Die unteren der zwei Schrauben sind für eine kleine Gepäckbox vorgesehen; auch manche (aber nicht alle) Flaschenhalter können hier montiert werden. Dann ist aber kein Platz mehr für einen Halter am Sitzrohr. Die eigentliche Flaschenhalter-Position am Unterrohr ist derweil ziemlich weit nach oben orientiert. Bei BH sollte man überlegen, die unteren Schrauben so weit nach oben zu verschieben, dass eine mittlere FlaHa-Position genutzt werden kann.
Abgesehen davon kann das BH GravelX R 6.5 voll überzeugen – auch in preislicher Hinsicht. Als Topmodell im Sortiment der Basken kostet es 4.999 Euro, was sich angesichts der hochwertigen Ausstattung wirklich sehen lassen kann. Wer sich mit der mechanischen Shimano GRX und Alu-Rädern zufrieden gibt, bekommt für 1.500 Euro weniger das R 5.5, außerdem bietet BH zwei One-by-Varianten an. All jene, die Gravelbike und Rennrad in einem wollen, sollten sich jedoch für das Topmodell entscheiden.