Test / E-Bike Antrieb: Mit dem M40 betritt der Automobilzulieferer Mahle Neuland und präsentiert seinen ersten Full-Power-Mittelmotor. Die Eckdaten des Mahle M40 lesen sich wie ein Wunschzettel vieler E-Biker: 105 Newtonmeter Drehmoment, bis zu 850 Watt Spitzenleistung und das bei einem Motorgewicht von lediglich 2,5 Kilogramm. Wir hatten die Gelegenheit, das System ausführlich im Labor sowie auf dem Trail zu testen und klären, ob der Antrieb in der Praxis das hält, was das Datenblatt verspricht.
Es ist bemerkenswert, wie viele neue Antriebshersteller und Mittelmotoren derzeit auf den Markt drängen. Während man bei einigen Namen zweimal hinschauen muss, ist Mahle in der Fahrradbranche längst kein Unbekannter mehr. Der Automobilzulieferer hat sich in den letzten Jahren vor allem durch seine Nabenmotoren wie den X20 oder X35 einen Namen gemacht, die im E-Road- und E-Gravel-Bereich fast schon zum Standard gehören. Was viele jedoch nicht wissen: Mahle fertigt bereits seit längerem Mittelmotoren, unter anderem die Specialized SL 1.1 und 1.2 Antriebe für die beliebten Levo SL Modelle. Mit dem neuen M40 bündelt der Hersteller nun seine gesamte Erfahrung in einem eigenen System für Fahrradhersteller.
Mahle M40 Technische Daten: Ein beeindruckendes Verhältnis von Kraft zu Gewicht
Der Mahle M40 ist zweifellos eines der spannendsten Aggregate, die in jüngster Zeit vorgestellt wurden. Auf dem Papier liefert er Werte, die aufhorchen lassen. Ein maximales Drehmoment von 105 Nm und eine Spitzenleistung von 850 Watt sind in dieser Gewichtsklasse eine Ansage. Zum Vergleich: Ein Bosch Performance Line CX (Gen 5) wiegt mehr und bietet nominell weniger Drehmoment. Mahle erreicht damit ein Leistungsgewicht, das dem viel diskutierten DJI Avinox sehr nahekommt und etablierte Platzhirsche unter Druck setzt.
Ermöglicht wird diese Performance unter anderem durch die 48-Volt-Architektur des Systems. Diese höhere Spannung sorgt im Vergleich zu den weit verbreiteten 36-Volt-Systemen für eine höhere Effizienz und ein besseres thermisches Verhalten, da bei gleicher Leistung weniger Strom fließen muss. Dies erlaubt es den Ingenieuren, den Motor trotz der hohen Leistungsdaten kompakt und leicht zu bauen. Das Magnesiumgehäuse drückt das Gewicht auf besagte 2,5 Kilogramm.
Integration und Bauform
Ein Blick auf den Motor im Rahmen offenbart die extrem kompakte Bauweise. Der M40 wird an drei Punkten im Rahmen verschraubt. Mahle verspricht sich davon eine bessere Verteilung der Verbindungskräfte. Auffällig ist zudem die Formgebung: Der Motor läuft nach hinten stark keilförmig zu. Das schafft im Bereich des Tretlagers wertvollen Platz für die Kinematik des Hinterbaus. Fahrradhersteller erhalten so mehr Freiheiten bei der Konstruktion der Federungssysteme und müssen den Rahmen nicht zwingend „um den Motor herum“ bauen.
Das Ökosystem: Akkus, Displays und Remotes
Ein Motor allein macht noch kein E-Bike. Mahle bietet für den M40 ein komplettes System an, das sich modular an die Bedürfnisse der Radhersteller anpassen lässt.
Die Energiespeicher: iM5 und iM8
Zum Start stehen zwei interne Akkus zur Wahl, die beide in Europa gefertigt werden und eine beeindruckende Energiedichte aufweisen:
- iM5: Mit 534 Wattstunden Kapazität richtet sich dieser Akku an leichte E-MTBs. Laut Hersteller wiegt er ca. 2,5 Kilogramm.
- iM8: Für die Langstrecke gibt es die 800-Wattstunden-Variante, die im gleichen Formfaktor (Querschnitt), aber mit größerer Länge daherkommt. Auch hier ist das Gewicht mit 3,8 kg beeindruckend.
Ein Range Extender ist seitens Mahle in Planung und soll perspektivisch verfügbar sein, um die Reichweite nochmals zu erhöhen. Daten oder ein genaues Datum gibt es jedoch noch nicht.
Eine kleine Enttäuschung ist das Ladegerät: Mit „nur“ 4A Ladestrom kann es hier nicht mit den Schnellladern von DJI oder Specialized mithalten. Aber: Da das System mit 48 V betrieben wird und die Ladeschlussspannung bei 54 V liegt, bietet das Ladegerät dennoch eine Ladeleistung von über 200 W und ist damit deutlich Leistungsfähiger als z.B. ein 4A Ladegerät von Bosch mit 36 V.
Bedieneinheiten
Bei der Steuerung setzt Mahle auf Minimalismus mit sportlichem Anspruch. Das Display, genannt „Head Unit+“, ist im Oberrohr integriert. Es bietet einen 1,9-Zoll-Farbbildschirm und zeigt die wichtigsten Fahrdaten an. Zwar wirkt es mit seinen etwas breiteren Rändern nicht ganz so futuristisch wie die Lösungen von TQ oder DJI, erfüllt aber seinen Zweck und ist gut ablesbar. Ein Manko für Tourenfahrer: Einen USB-C-Port zum Laden des Smartphones sucht man am Display vergebens.
Zur Bedienung am Lenker stehen zwei Optionen bereit:
- Duo Remote: Bekannt von den Nabenmotoren, kabelgebunden, zwei Tasten.
- Trio Remote: Neu für den M40, kabellos, drei Tasten.
Besonders die Trio Remote gefiel im ersten Hands-On, da die dritte Taste die Menüführung und das Durchschalten der Screens deutlich erleichtert. Die Tasten bieten ein gutes Feedback und sind auch mit Handschuhen bedienbar.
Laborwerte: Der M40 auf dem Prüfstand
Bevor es auf den Trail ging, musste der M40 auf dem Prüfstand seine wahren Leistungsdaten offenbaren. Die Ergebnisse bestätigen größtenteils die Herstellerangaben, zeigen aber auch interessante Charakteristika in der Abstimmung.
Maximale Leistung und Effizienz
In unseren Messungen erreichte der Motor eine Spitzenleistung von rund 800 Watt. Das liegt knapp 50 Watt unter der Herstellerangabe, ist aber in der Praxis ein hervorragender Wert, der ihn zu einem der stärksten Motoren macht, die wir bisher gemessen haben. Wichtig zu wissen: Diese Spitzenleistung ruft der Motor bevorzugt bei höheren Trittfrequenzen um die 90 bis 95 Umdrehungen pro Minute ab. In unserer standardisierten „Hochleistungsmessung“ bei 250 W Eingangsleistung und einer Trittfrequenz um 75 rpm liegt der M40 mit etwas über 700 Watt auf dem dritten Rang hinter DJI Avinox und TQ HPR120s.
Leistungsentfaltung und Unterstützungskurve
Besonders spannend ist der Vergleich der Unterstützungsstufen. Mahle bietet ab Werk drei Modi an: L1 (Eco), L2 (Trail) und L3 (Turbo/Boost). Die Messkurven zeigen ein lineares Verhalten. Anders als beispielsweise im eMTB-Modus von Bosch, der progressiv auf den Fahrer-Input reagiert (wenig Eigenleistung = wenig Unterstützung, viel Eigenleistung = überproportionale Unterstützung), steigt die Kurve beim Mahle M40 konstant an.
Der stärkste Modus verlangt vom Fahrer durchaus Eigenleistung, um die volle Power freizugeben. Das sorgt für ein sehr natürliches Fahrgefühl, jedoch mit ordentlich „wumms“ in der Hinterhand. Wer sich hier mehr „Schub auf Knopfdruck“ wünscht: Die Software erlaubt den Herstellern und auch dem Endkunden eine weitreichende Individualisierung. Die Unterstützung kann in der Spitze auf bis zu 600 % (im Verhältnis zur Eigenleistung) angehoben werden, was den Charakter des Motors drastisch verändern dürfte. Fahrer des Systems können diese Einstellungen entweder über die entsprechende Smartphone App oder auch direkt am Rad selbst vornehmen.
Thermische Stabilität (Derating)
Ein kritischer Punkt bei kompakten, leistungsstarken Motoren ist oft die Wärmeentwicklung. Hier spielt das 48-Volt-System seine Trümpfe aus. In unserem 15-minütigen Lasttest unter Volllast zeigte der M40 keinerlei signifikanten Leistungseinbruch. Erst nach rund 20 Minuten Dauerbelastung griff das Derating sanft ein und reduzierte die Leistung schrittweise, nicht abrupt. Die Gehäusetemperatur pendelte sich dabei bei ca. 80 Grad Celsius ein – warm, aber unbedenklich. Damit schlägt der kleine Mahle thermisch sogar deutlich größere Aggregate wie den Bosch CX Gen 5.
Der Praxistest: So fährt sich der Mahle M40
Genug der Theorie. Wie fühlt sich das Kraftpaket auf dem Trail an? Um es kurz zu machen: Der M40 macht extrem viel Spaß und bietet viel Power, viel Punch aber dennoch eine feine Modulation und ein natürliches Fahrgefühl.
Fahrgefühl und Modulation
Schon auf den ersten Metern fällt die Spritzigkeit auf. Der Motor hängt extrem direkt am Pedal, ohne dabei nervös zu wirken. In der zweiten Unterstützungsstufe (L2) lässt sich das Rad hervorragend über technische Passagen dirigieren. Die Kraftentfaltung wirkt organisch; man hat nie das Gefühl, Passagier auf dem eigenen Rad zu sein. Das „Moped-Gefühl“, bei dem man die Pedale nur noch fallen lässt und der Motor den Rest erledigt, stellt sich hier nicht ein – und das ist als Kompliment zu verstehen.
Die Modulation der Kraft ist exzellent. Mahle setzt nicht auf einen klassischen Speichenmagneten, sondern auf eine Lochscheibe an der Bremsscheibenaufnahme mit 42 Löchern, die von zwei Sensoren abgetastet wird. Dies resultiert in 84 Abnahmepunkten pro Radumdrehung. Das System weiß also extrem präzise, was das Hinterrad gerade tut. Selbst bei rutschigen Bedingungen oder steilen Anstiegen lässt sich die Traktion fein dosieren.
Intelligente Features: Gear Detection und Hill Brake
Ein Highlight der Software ist die Gang-Erkennung. Das System registriert – wohlgemerkt auch bei mechanischen Schaltungen – auf welchem Ritzel die Kette gerade liegt. Dies nutzt Mahle, um das Drehmoment intelligent zu steuern. Die vollen 105 Nm liegen beispielsweise primär in den schweren Gängen an, wo sie benötigt werden, um die Dosierbarkeit in leichteren Gängen wiederum zu verbessern.
Ein weiteres Feature, das sich in der Praxis als nützlich erwies, ist die „Hill Brake“ (Berganfahrhilfe). Muss man im steilen Gelände absteigen, verhindert der Motor bei Pedaldruck das Zurückrollen des Rades. Das funktioniert intuitiv: Ein Fuß auf dem Pedal genügt, und das System blockiert den Antrieb quasi wie eine Handbremse. Zum Weiterfahren drückt man einfach wieder in die Pedale.
Dynamic Overrun
In der aktuellen Softwareversion hat Mahle auch beim Thema „Nachschub“ nachgebessert. Der sogenannte „Motor Dynamic Overrun“ verhält sich nun sehr ähnlich wie der Extended Boost von Bosch. Ein kurzer Kick in die Pedale vor einem Hindernis genügt, und der Motor schiebt das Rad kontrolliert über die Stufe, ohne dass weiter pedaliert werden muss. Die Länge des Schubs (bis zu zwei Meter) korreliert dabei mit der Intensität des Pedalkicks. In technischen Uphill-Sektionen ist dies ein mächtiges Werkzeug, das präzise umgesetzt wurde, wenngleich nicht ganz so reaktionsschnell wie bei der Konkurrenz von Bosch.
Geräuschkulisse: Nicht ganz lautlos
Wo viel Licht ist, ist meist auch etwas Schatten. Im Fall des Mahle M40 betrifft dies die Akustik. Bergauf ist der Motor hörbar. Er ist lauter als ein Bosch CX Gen 5 oder DJI Avinox und bewegt sich eher auf dem Niveau eines Shimano EP801 oder Bosch CX Gen 4. Es ist kein unangenehmes Geräusch, aber für Silent-Fans sicherlich wahrnehmbar.
Komplexer wird die Bewertung bergab. In den Testfahrten war ein gewisses Klappern aus dem Motorbereich wahrzunehmen. Es ist aktuell schwer definitiv zu sagen, ob es sich dabei um das klassische Freilauf-Klappern handelt, wie man es von Shimano oder Bosch kennt, oder ob es an der Integration der Züge und Akkus in den Vorserien-Rahmen lag. Der „Schütteltest“ im Stand war weitestgehend unauffällig, was hoffen lässt, dass Serienbikes hier ruhiger laufen. Was dieses Thema angeht, müssen wir wohl oder übel auf etwas längere Erfahrungswerte warten.
Verfügbarkeit
Die größte Hürde für Interessenten dürfte aktuell noch die Verfügbarkeit sein. Zum Start des Systems finden sich vornehmlich Nischenhersteller und Direktversender (wie Labyrinth oder Kristall), die den M40 verbauen. Viele dieser Räder nutzen einen von Mahle mitentwickelten „Open Mold“-Carbonrahmen, der eine sehr gute Geometrie bietet. Es bleibt abzuwarten, wann die großen Mainstream-Hersteller auf den Zug aufspringen.
Fazit: Mahle M40
Mit dem M40 ist Mahle ein beeindruckender Einstieg in das Segment der Full-Power-Mittelmotoren gelungen. Das Verhältnis von Gewicht zu Leistung ist derzeit nahezu konkurrenzlos, wenn man die Robustheit und das thermische Verhalten mit einbezieht. Der Motor bietet ein fantastisches, natürliches Fahrgefühl, das sportliche Fahrer belohnt und dank Features wie dem präzisen Overrun auch in technischem Gelände überzeugt.
Das System ist nicht perfekt – das Display wirkt etwas altbacken und die Geräuschkulisse ist präsent – aber das Gesamtpaket stimmt. Für E-Mountainbiker, die ein leichtes Rad suchen, aber nicht auf das volle Drehmoment verzichten wollen, ist der Mahle M40 eine der spannendsten Optionen des Jahres. Nun liegt es an den Fahrradherstellern, dieses Potenzial in attraktive Serienbikes zu verpacken.









