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Archiv

Archiv: 500 Tage im Amt: Brian Cookson im Gespräch

31. März 2015 by Marcus Degen

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Der Hauptsitz der UCI ist ein beeindruckendes Bauwerk. Östlich vom Genfer See liegt es eingebettet im Tal am Rande der ansonsten unbekannten Stadt Aigle. Das Bürogebäude des Weltradsportverbands mit angeschlossenem Velodrom erhebt sich als elegante Mischung aus Beton- und beeindruckenden Metallfassaden. Umgeben von grau-grünen 2.000ern strahlt es Gelassenheit aus.

Doch Gelassenheit ist etwas, das die UCI-Mauern während der letzten Jahre bedingt durch all die Anschuldigungen und Skandale mit weltweiter Medienaufmerksamkeit bekanntermaßen nicht gesehen haben. Viel Frustration und Misstrauen bewirkten schließlich eine Veränderung und im September 2013 war es soweit. Der frühere Präsident des Britischen Radsportverbandes British Cycling wurde vom UCI- Wahlkongress auserkoren und ersetzte den Iren Pat McQuaid. 500 Tage später ist es für Cyclist an der Zeit, dem neuen Mann an der Radsportfront einen Besuch abzustatten.



Besonnen und gemeinsam

„Mein Stil ist Zusammenarbeit und Konsensbildung“, erklärt der 63-Jährige. Cookson sitzt hinter seinem Schreibtisch, einen Computer zu seiner Rechten, Notizblock und Telefon direkt vor sich, zu seiner Linken gestapelte Ordner. „Führungsstärke heißt nicht, mit der Faust auf den Tisch zu hauen und zu sagen: ‚So machen wir es. Entweder so oder gar nicht.‘ Führungsstärke ist für mich, sich Rat bei Experten zu holen, bei Menschen, die mit der Sache vertraut sind. Und natürlich auch gegensätzlichen Meinungen Gehör zu schenken. Dann trifft man eine Konsensentscheidung.“

Das ist eine prägnante Beschreibung, die wohl gut erläutert, wie er sich die Führung der UCI in den nächsten Jahren vorstellt. Jahre, in denen es einen Chef gibt (eine Rolle, die er demütig, allerdings dennoch froh, als seine akzeptiert), aber mit einer Agenda auf einem niedrigeren, konstitutiven Level. Das Konzept des Föderalismus – und im Grunde genommen ist die UCI eine Föderation – bringt Cookson zurück zu seinen Wurzeln.



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Die Basis dazu bilden die 19 UCI-Kommissionen, die von spezifischen Themen wie „Mountainbike“ bis hin zu „Entwicklung“ reichen. Jede Kommission besteht aus bei der UCI angestellten Mitgliedern und Unabhängigen wie Profifahrern, Branchenvertretern und Repräsentanten der nationalen Verbände. „Alle internationalen Verwaltungsorgane haben eine recht komplexe Führungsstruktur“, erklärt Cookson. „Die Kommissionen existieren, da die 14 Mitglieder der Management-Kommission [das finale Entscheidungsorgan, dem Cookson vorsitzt] keine direkte Erfahrung in jedem Bereich des Sports haben können. Die Kommissionen [jede unter Vorsitz eines Mitglieds der Management-Kommission] schauen sich gemeinsam mit den UCI-Experten hier vor Ort ein Problem an. Dann sprechen diese Kommissionen Empfehlungen aus, auf Basis derer die Management-Kommission agiert.“ Völlig klar ist Cookson, dass die Verantwortung letztlich aber dennoch bei ihm liegt. Doch bis eine Entscheidungsfrage auf seinem Tisch landet, wird sie bereits hinreichend diskutiert und durchdacht worden sein.

Der Weg nach oben

Cooksons beruflicher Weg zu diesem Job ganz oben hatte schon immer einen Hauch von Unvermeidbarkeit, auch wenn er gesteht: „Ich muss mich oft kneifen. Hätte man mir vor 40 Jahren gesagt, dass ich einmal UCI- Präsident sein werde …“ Das Highlight seiner eigenen Rennkarriere war die Krönung zum Straßenmeister der Lakeland Division 1971. „Ich dachte damals, dass ich irgendwann Weltmeister sein würde“, gibt er lachend zu. Doch seine Funktionärskarriere begann bereits, bevor er seine Laufräder an den Nagel gehängt hatte.



„1969 habe ich mit 17 oder 18 mein erstes Rennen organisiert. Seitdem habe ich eigentlich so gut wie jedes Jahr Rennen geplant, von der Vereinsebene bis hin zu nationalen Meisterschaften. Seit 1981 oder 1982 bin ich beim Britischen Radsportverband involviert, damals war ich Ligasekretär für Straßenrennen und fungierte als Verbindungsperson zwischen Organisatoren und Polizei. 1986 wurde ich internationaler UCI-Kommissar und arbeitete an zahlreichen internationalen Veranstaltungen mit.“

Hätte man mir vor 40 Jahren gesagt, dass ich einmal UCI- Präsident sein werde …“

Bis Cookson Präsident des Verbandes wurde, verdiente er sein täglich Brot als Landschaftsarchitekt, später als Beigeordneter des Pendle Borough Council. „Meine Präsidentschaft beim British Cycling war ehrenamtlich“, sagt er über seine 16-jährige Arbeit, die 2009 letztlich zu seiner Wahl in die Management-Kommission des Weltradsportverbandes UCI geführt hat. Eine Position, die er bis zu seiner Kandidatur als UCI-Präsident 2013 innehielt.

„Abgesehen von den letzten beiden Jahren, in denen ich in Altersteilzeit arbeitete und zwei Tage die Woche bei British Cycling tätig war, war für mich stets Vollzeit angesagt. Bis ich UCI-Präsident wurde, habe ich nie professionell im Radsport gearbeitet.“ Viele sind der Meinung, dass Cooksons beruflicher Werdegang hin zur Führung der UCI vorherbestimmt war.



Und vielleicht war auch Cookson, trotz seiner äußerlichen Bescheidenheit, von einem Triumph überzeugt. Die Tatsache, dass eine IT-Sicherheitsfirma bei Verkündung von Cooksons Wahlsieg sofort bereitstand, um im UCI-Hauptquartier die Daten zu sichern, spricht jedenfalls dafür.

Weiter zu Teil 2: Cookson über Vergangenheitsbewältigung in der UCI und das Thema Doping >>

Stichworte:Brian CooksonCyclistInterview

Über Marcus Degen

Marcus Degen ist Chefredakteur und Geschäftsführer von Velomotion. Als Niederbayer aus Leidenschaft genießt er die Vorzüge der Region sowohl auf dem Fahrrad als auch kulturell und kulinarisch. Bereits 2003 gründete er das deutsche Radsportmagazins Procycling und war für neun Jahre dessen Chefredakteur. Während dieser Zeit gründete er auch die Magazine Fahrrad News und World of Mountainbiking. Er hat Physik und Ingenieurwesen in München studiert und war bereits als Schüler im Radsport und später als Triathlet aktiv. 2013 startete er mit dem digitalen Fahrrad-Magazin Velomotion.de.

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