Die Zillertal Bike Challenge ging dieses Wochenende zum siebten Mal über die Bühne. Zu bewältigen galt es drei Etappen. Zwei davon im Rennmodus, eine als Trauerfahrt. 162 km, 5.345 hm, 5 Bergbahnen sind die Eckdaten im Kampf um den Titel Prince of the Mountain 2015. Wie es mir dabei erging könnt ihr im Folgenden lesen:
Als Velomotion in Kooperation mit CENTURION vor einigen Monaten einen Startplatz mit rundumsorglos-Paket für die Zillertal Bike Challenge ausschrieb, war mein Saisonziel klar gesteckt. Und ich habe es geschafft, mich gegen zahlreiche Mitbewerber, die allesamt ähnlich interessant für diese Aktion waren, durchzusetzen. Meine Reise ins Zillertal ging los!
Am Mittwochmorgen startete mein Trip in das wunderschöne Zillertal. Auch wenn der Wetterbericht nur das Allerbeste voraussagte, packte ich übervorsichtig alles ein, was ich so zu Hause an Klamotten herumliegen hatte. Frei nach dem Motto: Wozu hat der Hersteller die Tasche sonst so riesig gemacht?
Pünktlich um 7:22 Uhr stieg ich also in Baddeckenstedt in den Zug mit dem festen Willen, eine fette Zug-Geburtstagsparty zu feiern. Egal, wie sehr es die anderen Fahrgäste nervt. 20 wird man nur einmal! Es wäre gelogen würde ich behaupten es wäre wirklich eine fette Party gewesen. Ein Stück Streuselkuchen und das Vibrieren meines Handys mit WhatsApp und Facebook Glückwünschen, waren so ziemlich das einzige was an einen Geburtstag erinnerte. Aber macht nichts, Geburtstag habe ich noch oft genug (wenn auch keine zwanzigsten)! Nach gut 11 ½ Stunden (dank Zugverspätung) war es so weit. Ein letztes Mal öffneten sich vor mir die Zugtüren an diesem Tag und ich war angekommen. Die Zillertaler Alpen ragten vor mir empor und die Vorfreude stieg.
Es dauerte ein wenig bis ich zum Hotel Eder fand, denn schlau wie ich bin, hatte ich mir nicht einmal angeschaut, wo ich überhaupt genau hin musste. Glücklicherweise sind Österreicher eigentlich immer nett und hilfsbereit und ich im gleichen Maße kontaktfreudig. Eine Mischung, die auch unter diesen Umständen sehr zielführend ist.
Einchecken war unkompliziert und ich bezog mein Zimmer, duschte und hatte ein fantastisches Abendbrot. Viel mehr gibt es glaube ich nicht vom Anreisetag zu erzählen.
Donnerstag passierte bis zum Mittag nicht besonders viel: Ausschlafen, frühstücken, „chillen“, ein Ründchen spazieren und vor allem warten. Damit war es um exakt 13:06 Uhr vorbei. Eine SMS von Mario (Centurion Service Team): „Servus Lennard, wir sind an der Festhalle in Fügen. Dein Centurion Backfire Team wartet auf dich! Bis später…“ Die Action ging los. Wie ein Irrer packte ich ein paar Sachen zusammen und fuhr mit der Zillertal Bahn nach Fügen. Es war so weit, da stand es also vor mir, ein brandneues Centurion Backfire 2016, mein brandneues Backfire. Zumindest für die nächsten drei Renntage.
– Eine gute Gelegenheit mich bei allen zu entschuldigen, die ich an diesem Tag ein bisschen übergangen habe. Jeder der die Gelegenheit bekommt mal dieses Rad fahren zu dürfen wird mich verstehen. –
8,8kg Racehardtail standen da nun vor mir. Helm auf, Schuhe an, Sattelhöhe einstellen und ab aufs Rad. Nicht losfahren, losrasen. Schnell wurde mir klar, dass dieses Rad nur die Zustände 0 und 1 kennt. Entweder Vollgas oder daneben stehen und wieder auf Eins schalten zu wollen.
Nachdem die Sitzposition passte, gab es eine ordentliche Portion Nudeln mit Startunterlagen und zum Nachtisch noch das Ridersmeeting. Den Rückweg zum Hotel fuhr ich selbstverständlich auf dem Rad. Inzwischen war auch das Team Centurion Vaude im Hotel angekommen. Und das nächste Highlight wartete schon auf mich. Zwei Sätze Centurion Vaude Teamklamotten lagen dort für mich bereit.
Freitagmorgen: Der Wecker klingelte gewohnt früh. Es war so weit: Tag 1 der Zillertal Bike Challenge. Mit Müdigkeit war an diesem Morgen nicht viel. Voller Euphorie saß ich wie verabredet um 6 Uhr am Frühstückstisch. Die anderen kamen später und so nutzte ich die Zeit, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Nach dem Frühstück machten wir uns alle rennfertig. Schon um 8 Uhr saßen wir auf den Rädern und fuhren begleitet von einem Kamerateam zum Start nach Fügen. Aufgeregt war ich am Freitag nicht. Ich wusste, dass die Form passt, ich auf einem der weltbesten Bikes sitze und ich egal wievielter ich werden würde, ich niemals Verlierer der ZCB sein könnte. Als Gewinner eines Teamplatzes bei Velomotion/Centurion ist das nicht denkbar.
Der Start war hektisch und so kam es, dass der Kameramann aus dem fahrenden Führungsfahrzeug direkt vor uns Fahrer viel. Es war für jeden von uns wichtig sich in eine gute Ausgangslage für die Einfahrt in den ersten Berg nach Hoch Fügen zu kommen. Das Tempo war brachial, jeder gab alles, um nicht schon am ersten Tag große Rückstände verbuchen zu müssen. In Hochfügen kam ich als Dritter an, verlor beim Flaschen auffüllen aber ein paar Positionen und stieg auf Platz Sechs oder Sieben in die Bergbahn. In der Abfahrt nach Kaltenbach konnte ich jedoch wieder an einigen Fahrern vorbeiziehen und es bildete sich eine Gruppe, die Benjamin Michael und Jiří Reeh verfolgte. Ich konnte mich schnell von der Gruppe lösen und war erstaunt, wie zur Halbzeit des zweiten Berges Marcus Kaufmann an mir vorbeizog. Bis zum Ziel taten es ihm sieben oder acht weitere Fahrer der Kings-Wertung gleich.
In der Abfahrt nach Zell am Ziller schaffte ich es auf Benjamin aufzufahren, der sich entschloss seiner GPX Datei Glauben zu schenken. Folglich verfuhr er sich und ich konnte mir mit 1:52 min Rückstand den Zweiten Platz sichern. In der U23 Kategorie konnte ich im Zweiten Berg einen guten Vorsprung von 6:51 auf Alexander Hertel herausfahren. Die Freude bei mir und dem Team war riesig, denn auch Marcus Kaufmann konnte einen Sieg einfahren und das gesamte Team Centurion Vaude finishte mit Top-Ergebnissen. Während ich mich frisch machte und eine der begehrten 10 Minuten gegen 2 € Massagen im Zielbereich wahrnahm, wurde mein Backfire zerlegt gereinigt und wieder zusammengeschraubt. Ein Service, der Gold wert ist. Bikebezogene Ausreden waren diesmal nicht möglich!
Um 17 Uhr ging ich zum Riders Meeting, bei der Jiří Reeh als Tagessieger geehrt wurde und das Leaders-Jersey überstreifen durfte. Beim Riders Meeting wurde außerdem zum ersten Mal erwähnt, dass ein Teilnehmer der Lord Kategorie vermisst wird. Der 36 Jährige wurde am Abend in der Abfahrt nach Kaltenbach tot gefunden. Ein echter Schlag für Teilnehmer, Veranstalter und alle anderen Beteiligten. An Rennen fahren war plötzlich nicht mehr zu denken und so entschied die Rennleitung den zweiten Tag neutralisiert als freiwillige Gedenkfahrt durchzuführen. Aus meiner Sicht eine außerordentlich gute Entscheidung, um unserer Trauer Ausdruck zu verleihen. Unsere Gedanken am zweiten Tag der Zillertal Bike Challenge galten der Familie, den Freunden und Angehörigen des verstorbenen Mountainbikers, der ohne jede Vorwarnung viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde!
An Tag 3 der ZBC wurde wieder scharf geschossen, eine kurze und harte Etappe stand vor uns. Vor dem Start war mir ein wenig Flau. Der Tag der Entscheidung war gekommen. Ich war Jäger und Gejagter zu gleich. Meine Führung in der U23 sollte ins Ziel gebracht werden und der Gesamtsieg war auch noch mit viel Glück greifbar. Und so starteten wir in Mayerhofen und rollten geschlossen zur Talstation Horbergbahn mit der wir einen guten Teil der Höhenmeter absolvierten. An der Bergstation startete die offizielle Zeitnahme für jeden individuell. Zusammen mit Jiří Reeh setzte ich mich vom Rest des Feldes ab. In der Abfahrt konnte ich einen Vorsprung von ca. 15 Sekunden herausfahren, der allerdings schon am Ortsende von Lanersbach aufgebraucht war. Es bildete sich eine Gruppe mit King Fahrern die nicht besonders schnell in Richtung Tux fuhr. Währenddessen begann mein Vorderreifen langsam schwammig zu werden. An Wiegetritt war nicht mehr zu denken, zu groß die Gefahr, dass der Reifen von der Felge springen könnte. Glücklicherweise konnte ich mich als einer der ersten fünf Prinzen in die Bergbahn retten.
Ich verlor trotz des Luftverlustes keinerlei Zeit. Der Gletscherbus 1 transportierte uns auf gut 2000 Meter Höhe. Genügend Zeit um nachzupumpen. 600 Höhenmeter lagen noch vor uns. Hier sollte also die Entscheidung fallen. Es war schluss mit Lustig. Das Trödeln von der Straße war vorbei. Jeder von uns hatte das Messer zwischen den Zähnen und so distanzierten Jiří Reeh und ich die vorher aufgeschlossenen Prinzen. In einer brachialen Attacke gelang es mir weg zu fahren. Jiří Reeh brach vollkommen ein und wurde „nur“ Tages-fünfter. Ich sicherte mir den Tages-, U23-, und Gesamtsieg. Der mit Abstand größte Erfolg meiner bisherigen Karriere.
Diesen Sieg habe ich vor allem Velomotion und Centurion Bikes, den beiden Initiatoren der Aktion zu verdanken. Ohne euch hätte es dieses Wochenende nicht gegeben. Ich habe unbezahlbare Erfahrungen mit euch machen dürfen. Das werde ich euch niemals vergessen! Es würde mich unheimlich freuen wenn es jetzt nicht einfach vorbei ist, ich habe euch alle in mein Herz geschlossen und wir sind wahre Freunde geworden!
Auch möchte ich mich beim Team Centurion Vaude, dem ZBC Orgateam und bei allen Freunden, die für mich die Daumen gedrückt haben, bedanken. Die Resonanz, gerade in den Sozialen Medien, ist umwerfend. Euer Support bedeutet eine Welt für mich!
Danke
Euer Lennard