Radsport: Endlich ist es wieder so weit; Paris-Roubaix steht an! Alles ist angerichtet für einen großen Tag voller Radsportaction am kommenden Sonntag (10. April). Wir haben uns Strecke die Strecke angeschaut, Pavés unter die Lupe genommen und uns Gedanken zu den Favoriten gemacht. Außerdem natürlich alle Infos zur Rekord-Fernsehübertragung und den Livestreams.
Der kommende Sonntag ist der Schlusspunkt für die Belgischen und Nordfranzösischen Klassiker. Das Rennen von Paris bis in das berühmt-berüchtigte Velodrome in Roubaix ist wie in jeder Saison der große Höhepunkt zum Abschluss. Während John Degenkolb (Giant-Alpecin) nach seinem schweren Trainingsunfall seinen Titel nicht verteidigen kann, sind alle Augen auf Straßenweltmeister Peter Sagan (Tinkoff) gerichtet – insbesondere nach seiner sensationellen Leistung bei der Ronde am letzten Wochenende. Doch da gibt es noch einen Profi bei Trek-Segafredo, der noch eine Rechnung mit dem Slowaken offen hat.
Paris-Roubaix 2016: Die Strecke
Seit 1977 startet das Rennen im Compiegne, ungefähr 100km entfernt zum Pariser Stadtzentrum. Auch 2016 wird sich daran nichts ändern. Von dort geht es stetig nach Norden in Richtung Roubaix. Die ersten 100km sind noch Kopfsteinpflaster-frei und nicht viel mehr als ein Vorgeplänkel auf das, was die Fahrer in der zweiten Rennhälfte erwartet. Insgesamt 27 Pavé-Sektoren wollen bewältigt werden – mit einer Gesamtlänge von mehr als 52km.
Rennveranstalter ASO hat jeden der 27 Sektoren begutachtet und auf einer Skala von einem bis fünf Sternen bewertet. Das soll sowohl den Fahrern wie auch den Zuschauern vor Ort und Zuhause als Orientierung dienen, womit auf diesen Abschnitten zu rechnen ist. Lediglich drei Sektoren bekamen die Höchstwertung von fünf Sternen, werden von der ASO also als sehr schwer eingestuft. Allerdings heißt das mitnichten, dass der Rest einfach wird: Mit zunehmender Renndauer werden die Fahrer und ihre Räder jeden einzelnen Pflasterstein zu spüren bekommen. Paris-Roubaix ist ein knüppelharter Test für Mensch und Material gleichermaßen.
Die 27 Pavés in der Übersicht
Nr | Segment | Position | Länge | Bewertung |
---|---|---|---|---|
27 | Troisvilles | 98,5km | 2.200m | *** |
26 | Viesly | 105km | 1.800m | *** |
25 | Quievy | 108km | 3.700m | **** |
24 | Saint-Python | 112,5km | 1.500m | ** |
23 | Vertain | 120,5km | 2.300m | *** |
22 | Verchain-Maugré | 130km | 1.600m | *** |
21 | Quérénaing - Maing | 133,5km | 2.500m | *** |
20 | Monchaux-sur-Ecaillon | 136,5km | 1.600m | *** |
19 | Haveluy | 149,5km | 2.500m | **** |
18 | Trouée d'Arenberg | 158km | 2.400m | ***** |
17 | Wallers - Hélesmes | 164km | 1.600m | *** |
16 | Hornaing | 170,5km | 3.700m | **** |
15 | Warlaing – Brillon | 178km | 2.400m | *** |
14 | Tilloy – Sars-et-Rosières | 181,5km | 2.400m | **** |
13 | Beuvry-la-Forêt – Orchies | 188km | 1.400m | *** |
12 | Orchies | 193km | 1.700m | *** |
11 | Auchy-lez-Orchies – Bersée | 199km | 2.700m | **** |
10 | Mons-en-Pévèle | 204,5km | 3.000m | ***** |
9 | Mérgnies - Avelin | 210,5km | 700m | ** |
8 | Pont-Thibaut | 214km | 1.400m | *** |
7 | Templeuve - Moulin de Vertain | 220km | 500m | ** |
6a | Cysoing - Bourghelles | 226,5km | 1.300m | *** |
6b | Bourghelles - Wannehain | 229km | 1.100m | *** |
5 | Camphin-en-Pévèle | 233,5km | 1.800m | **** |
4 | Le Carrefour de l'Arbre | 236,5km | 2.100m | ***** |
3 | Gruson | 238,5km | 1.100m | ** |
2 | Hem | 245,5km | 1.400m | ** |
1 | Roubaix | 252km | 300m | * |
Im Vorfeld des Rennens haben wir die Sektoren mit fünf bzw. vier Sternen unter die Lupe genommen: Wie unterscheiden sie sich? Worauf wird es ankommen?
Fünf Sterne
Tourée d’Arenberg (km 158 – 2.400m)
Der Wald von Arenberg ist der vielleicht sagenumwobenste und bekannteste Abschnitt von Paris-Roubaix. Der Weg stammt noch aus der Zeit von Napoleon I, also aus dem 18. Jahrhundert. Das dürfte wohl schon einiges über den generellen Zustand aussagen. Die Straße ist schmal und gerade und wird umflankt von dichtem Wald – man spricht nicht umsonst auch von der Schneise von Arenberg. Neben der Straße verläuft ein noch schmalerer Pfad aus festgetretener Erde – dieser wird jedoch während des Rennens mit einem Zaun abgetrennt. Die Größe der Pflastersteine variiert stark, so etwas wie eine Ideallinie existiert deshalb nicht. Egal wo man also auf den 2,4km fährt – es tut richtig weh.
„Du kannst Paris-Roubaix nicht im Wald von Arenberg gewinnen, aber du kannst dort ganz sicher verlieren.“ – Die knapp 2,5km waren oftmals Schauplatz tragischer Momente: Stürze und technische Defekte gehören hier dazu. 2011 fuhr sich Tom Boonen beispielsweise hier einen Plattfuß und musste mehr als 90 Sekunden auf ein neues Rad warten – das Rennen war für den Belgier damals gelaufen.
Der Wald von Arenberg auf Strava
KOM: Seb Alonso (3:22)
QOM: Louise de Waal (4:19)
Mons-en-Pévèle (km 204,5 – 3.000m)
Knapp 50km nach dem Wald von Arenberg erwartet die Fahrer Mons-en-Pévèle, der zweite Fünf-Sterne Abschnitt des Rennens. Inzwischen haben Arme, Beine und Material jedoch noch sieben weitere Pavé-Sektoren über sich ergehen lassen müssen, was die Herausforderung nur noch größer macht. Im Gegensatz zum geraden Wald von Arenberg ist der Mons-en-Pévèle in drei Abschnitte aufgeteilt, die von zwei scharfen Kurven voneinander getrennt werden. Die Wegesränder sind hier traditionell gesäumt von Fans, die den geschundenen Fahrern zujubeln werden.
Von hier ist es noch ein sehr weiter Weg bis zum Ziel im Velodrome von Roubaix. Dennoch hat sich vor nicht allzu langer Zeit gezeigt, dass bereits an dieser Stelle die Entscheidung fallen kann. 2012 attackierte Tom Boonen sogar bereits im Sektor unmittelbar davor, über 50km vor dem Ziel. Am Ende siegte Tornado Tom mit mehr als 90 Sekunden Vorsprung. Ähnlich machte es Fabian Cancellara 2010, als er hier angriff, seine Verfolger Ton Boonen und Thor Hushovd distanzierte und mit mehr als zwei Minuten Vorsprung gewann.
Mons-en-Pévèle auf Strava
KOM: Mikkel Staunsholm (4:26)
QOM: Marit Huisman (5:34)
Le Carrefour de l’Arbre (km 236,5 – 2.100m)
Der Carrefour de l’Arbre ist der letzte wirkliche Test für die Fahrer auf ihrem Weg nach Roubaix. Danach sind es nur noch 19km bis ins Velodrome und die drei folgenden Sektoren sind nicht mehr besonders schwer. Der Carrefour de l’Arbre könnte zum Zünglein an der Waage werden und es ist nicht unwahrscheinlich, dass hier die Entscheidung über den Sieg fallen wird. Die Beschaffenheit des Wegs ist ähnlich schwierig wie im Wald von Arenberg. Nach mehr als 200km ist hier also nochmals volle Konzentration gefragt, insbesondere weil der Abschnitt auch einige enge Kurven hat.
Es ist schwierig für die Fahrer hier das richtige Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Angriff zu finden. Einerseits genügt ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit und der Traum ist vorbei, andererseits könnte es hier um die entscheidenden Zehntel Sekunden gehen. Ein zusätzlicher Faktor sind die Zuschauermassen in der Region. Ein unvergessener Moment war Thor Hushovds Salto Mortale 2009, der ihn womöglich den Sieg kostete und den Weg für Tom Boonen frei machte.
Le Carrefour de l’Arbre auf Strava
KOM: T. Gines (2:50)
QOM: Anne Sophie Martin (4:42)
Vier Sterne
Quievy (km 108 – 3.700 m)
Seit 1973 gehört dieser Sektor fest zur Strecke von Paris-Roubaix und ist mit 3,7km der längste in diesem Jahr. Nach zwei geraden Kilometern zu Anfang folgt eine scharfe Rechtskurve und eine gemäßigte Steigung. Die Pflastersteine sind unregelmäßig, aber in einem recht guten Zustand.
Quiévy – Saint-Python auf Strava
KOM: Stijn Steels (5:38)
QOM: Alie ulder-Schilder (7:35)
Haveluy (km 149,5 – 2.500 m)
Dieser Abschnitt feierte 2001 seine Premiere bei Paris-Roubaix, war seitdem aber in fast jedem Jahr vertreten. Zwar ist der Weg in einem ordentlichen Zustand, doch zugleich auch sehr anfällig für Nässe und Schlamm und deshalb oft Schauplatz zahlreicher Stürze.
Haveluy – Wallers auf Strava
KOM: André Greipel (3:49)
QOM: Sue Zuki
Hornaing (km 170,5 – 3.700 m)
Mit 3,7km ist diese Passage zusammen mit Quiévy – Saint-Python die längste des Rennens. Die Straße ist überwiegend flach mit einer 90° Kurve gegen Ende. Die Pflastersteine sind sehr regelmäßig und in gutem Zustand. Die große Schwierigkeit ist hier die meist sehr hohe Geschwindigkeit, mit dem der Sektor passiert wird.
Hornaing – Wandignies-Hamage auf Strava
KOM: Marko van Brummelen (5:15)
QOM: Liz Grootenboer (6:04)
Tilloy – Sars-et-Rosières (km 181,5 – 2.400 m)
Auf sehr flachen und regelmäßigen Pflastersteinen schlängelt sich dieser 2,4km lange Abschnitt durch die französische Landschaft. Der Weg an sich stellt die Fahrer nur selten vor Probleme, jedoch verwandelt er sich bei schlechtem Wetter in eine wahre Schlammgrube.
Tilloy-lez-Marchiennes auf Strava
KOM: Stijn Vandenbergh (3:26)
QOM: B. Meesh (4:55)
Auchy-lez-Orchies – Bersée (km 199 – 2.700 m)
Im Jahr 2009 wurde dieser beliebte Abschnitt nach erfolgreicher Restauration wieder in die Strecke von Paris-Roubaix aufgenommen. Die finalen 200m befinden sich jedoch nach wie vor in einem schlechten Zustand und die groben und unregelmäßigen Pflastersteine sind nach mehr als 200km nochmals eine harte Prüfung für Körper und Geist.
Auchy-lez-Orchies auf Strava
KOM: Niki Terpstra (4:16)
QOM: Marit Huisman (5:10)
Camphin-en-Pévèle (km 233,5 – 1.800 m)
In den vergangenen Jahren fand hier mehrmals die rennentscheidende Attacke statt. 2012 griff hier Tom Boonen an und konnte sich entscheiden absetzen, 2010 war es Fabian Cancellara. Der unmittelbar darauffolgende 5-Sterne-Abschnitt Carrefour de l’Arbre verleiht diesem Sektor zusätzliche Würze.
Camphin-en-Pévèle auf Strava
KOM: Mikel Staunsholm (2:27)
QOM: Gewnno Hughes (3:48)
Paris-Roubaix 2016: Die Favoriten
Topfavoriten
Peter Sagan (Tinkoff)
Der Weltmeister zeigt sich in dieser frühen Phase der Saison besser in Form als im vergangenen Jahr. In Gent-Wevelgem bewies er taktische Finesse – doch das große Highlight war natürlich sein Sieg bei der Flandern-Rundfahrt am letzten Sonntag. Cancellara und Vanmarcke versuchten alles, konnten dem Slowaken aber im Finale überhaupt nicht das Wasser reichen. Der 26-jährige geht am Sonntag damit als deutlicher Favorit ins Rennen, auch wenn er bereits durchblicken ließ, dass ihm der Sieg bei der Ronde die Freiheit gibt, in den nächsten Rennen „ein bisschen Spaß“ zu haben. Was auch immer das bedeuten mag…
Fabian Cancellara (Trek-Segafredo)
Das Schweizer Phänomen konnte in seiner Karriere bereits drei Mal bei Paris-Roubaix triumphieren und möchte am Sonntag nur zu gerne einen vierten Sieg folgen lassen. Es wird ohne Zweifel eine emotionale Angelegenheit in seinem letzten Jahr als Profi. Auch wenn Sagan ihm in Flandern die Grenzen aufgezeigt hat, hat Cancellara immer wieder bewiesen, dass er sich von solchen Rückschlägen nicht unterkriegen lässt. Er kennt zudem so ziemlich jeden Pflasterstein im Norden Frankreichs. Möglicherweise kitzelt das Ergebnis vom letzten Wochenende noch die letzten nötigen Prozente aus den Beinen des Trek-Profis. Wir werden es jedenfalls noch einmal richtig genießen, Spartacus auf den Pflastersteinen von Paris-Roubaix beobachten zu dürfen.
Außenseiter
Alexander Kristoff (Katusha)
Auch wenn Alexander Kristoff am letzten Wochenende betonte, mit dem vierten Platz bei der Flandern-Rundfahrt voll zufrieden zu sein, verlief die bisherige Klassikersaison für den Norweger nicht zu 100% nach Wunsch. Ein Sieg bei Paris-Roubaix wäre sicherlich mehr als nur ein Trostpflaster und würde die zuletzt etwas unglücklichen Auftritte des Katusha-Profis vergessen machen. Sein Trainer Stein Ørn betonte bereits, dass Kristoff in Roubaix stärker sein wird als zuletzt. In Flandern machten ihm die Anstiege zu schaffen – wir werden sehen, ob er mit den Pflastersteinen von Roubaix besser zurechtkommt.
Sep Vanmarcke (LottoNL-Jumbo)
Sep Vanmarcke zeigte sich in Flandern einmal mehr von seiner besten Seite. Er konnte nicht nur fast bis zum Ende mit Cancellara und Sagan mithalten, sondern bewies auch taktisches Gespür, als er sich im entscheidenden Moment an Sagan und Kwiatkowski hing und somit den Rest des Feldes hinter sich ließ.
In den letzten Jahren zeigte sich immer wieder, dass Paris-Roubaix dem Belgier sogar ein wenig besser liegt als die Ronde – ein zweiter und ein vierter Platz sprechen Bände. Insbesondere sein zweiter Platz von 2013 blieb im Gedächtnis; er war damals der einzige Fahrer, der mit Cancellara mitgehen konnte. Auch am kommenden Sonntag wäre es keine allzu große Überraschung, wenn Vanmarcke im Velodrome um den Sieg mitfahren würde.
Niki Terpstra (Etixx – Quick-Step)
Niki Terpstra ist einer von drei ehemaligen Siegern an der Startlinie (neben Boonen und Cancellara). Spricht man mit den niederländischen Fans, dann sehen sie in dem Etixx-Profi die einzige Chance auf einen Sieg. Auch bei der Flandern-Rundfahrt zeigte er wieder gute Form, war aber nicht in der Lage am Paterberg das Tempo der Spitze mitzugehen. Das deutlich flachere Profil von Paris-Roubaix kommt dem 31-jährigen sicherlich entgegen. Er kann zudem mit Stybar und Boonen auf ein sehr starkes Team bauen.
Im erweiterten Kreis
Tom Boonen, Daniel Oss, Lars Boom, Luke Rowe, Ian Stannard, Zdenek Stybar, Mark Cavendish, Tony Martin, Edvald Boasson Hagen, Jens Keukeleire, Borut Bozic, Jurgen Roelands, André Greipel und Arnaud Demaré (falls er fit wird).
Paris-Roubaix 2016: TV-Übertragung und Livestreams
Erstmals in der Geschichte des Rennens wird es Livebilder vom Start bis ins Ziel geben – mehr als sechs Stunden Radsport live. Fernsehsender in zwanzig Ländern weltweit haben sich diese Recht gesichert – darunter auch Eurosport Deutschland. Für deutsche Radsportfans heißt das: Am kommenden Sonntag besser nichts vornehmen, die Übertragung startet bereits am Vormittag um 10:15 Uhr und die Zieleinfahrt ist für 17:00 Uhr geplant.
TV Übertragung Paris-Roubaix 2016
Sender: Eurosport
Datum: 10. April 2016
Zeit: 10:15 Uhr – 17:00 Uhr
Im Internet lässt sich ebenfalls das gesamte Rennen über den Eurosportplayer verfolgen. Radsportfans von außerhalb Deutschland sollten einen Blick auf www.cyclingfans.com werfen, dort wird es wie üblich internationale Streams für verschiedene Länder zur Auswahl geben.