Test: Funktion auf oberstem Niveau zum Einstiegspreis – das ist das vollmundige Versprechen von Campagnolo zur neuen, alten Centaur Einstiegsgruppe. Campagnolo Centaur mag dem einen oder anderen sicherlich noch etwas sagen, denn die Gruppe war eigentlich lediglich ein Jahr aus dem Portfolio der italienischen Traditionsschmiede verschwunden. Technische Neuerungen hatte die Centaur jedoch lange nicht erfahren und es ist somit nicht weiter verwunderlich, dass die 2018er Campagnolo Centaur mit ihrem Vorgänger nur noch den Namen und die Ausrichtung gemein hat. Die neue Centaur ist eine 11-fach Gruppe mit komplett neu entwickelten Komponenten – von der Kurbel über die Bremsen bis zu den Ergopower Hebeln.
Mit der neuen Einstiegsgruppe bläst man unverblümt zum Angriff auf das Einstiegssegment im Rennradbereich und damit natürlich vor allem auf Shimanos bewährte 105er Gruppe. Mit einer UVP von knapp 674€ liegt man zwar etwas über den Straßenpreisen der japanischen Konkurrenz, dafür kann man beim Gewicht punkten – doch dazu später mehr. Wir hatten jedenfalls im letzten Monat die Chance, auf Gran Canaria alles Wissenswerte zur neuen Centaur zu erfahren und die Gruppe natürlich selbst auf Herz und Nieren zu testen. Bevor wir aber nun zu den Fahreindrücken kommen, gibt’s erst einmal einige technische Details zu den einzelnen Komponenten.
Campagnolo Centaur 2018: Kurbel und Kettenblätter – 4-arm und Ultratorque
Fangen wir beim größten und für viele wahrscheinlich auch spannendsten Bauteil an – nämlich der Kurbel. Diese besteht komplett aus Aluminium, kommt im inzwischen etablierten 4-Arm-Design und ist in puncto Design an Potenza, Record und Co. angelehnt. Wie die komplette Gruppe gibt es auch die Kurbel wahlweise mit einem schwarz-matten Finish oder aber in silber/poliert. Die Centaur Kurbel wird in zwei Abstufungen erhältlich sein: 52 / 36 und 50 / 34. Beide Varianten setzen auf die gleichen Kurbelarme, der Lochkreis bleibt also konstant.
Ein stilles Highlight ist zweifelsohne die Ultra Torque Achse, die Campa-Fans wohl schon von Record und Super Record Kurbeln kennen. Zwei Achshälften sind auf beiden Seiten fest mit den Kurbelarmen verbunden und werden in einer cleveren Konstruktion mit einer verdrehsicheren Verzahnung bei der Montage verbunden. Die Steifigkeitswerte sind exzellent und dank der festen Verbindung kommen Probleme wie Knacken oder Quietschen quasi nie vor. Ein Highlight bei der Centaur ist das System auch deshalb, weil bei der im letzten Jahr vorgestellten eigentlich höherwertigen Potenza Kurbel das etwas günstigere Power-Torque zum Einsatz kommt.
Campagnolo Centaur 2018: Schaltwerk, Umwerfer und Kassetten – In der Einfachheit…
… liegt die Stärke. Das dachte man sich wahrscheinlich im Campy Lab, als man sich Gedanken zum neuen Centaur Schaltwerk machte. Gerade bei Einsteigergruppen sind Kassetten mit einer großen Bandbreite und entsprechend großen Ritzeln immer ein Thema. So wird es auch für die Centaur eine 11-32 Variante geben. Dieser Umstand stellt die Entwicklungsabteilungen jedoch meist vor ein Problem: Die kurzen Käfige der Schaltwerke sind meist nicht für die großen Ritzel ausgelegt und so gibt es von der Konkurrenz zwei Versionen des Schaltwerks mit unterschiedlich langen Käfigen. Bei Campagnolo schlug man im Falle der Centaur einen anderen Weg ein und bietet das Schaltwerk nur in einer Länge an – für alle verfügbaren Kassetten und Ritzel bis zu einer Größe von 32 Zähnen.
Möglich macht das ein komplett neues Schaltwerksdesign, das in dieser Form nicht einmal Campas Edel-Gruppe Super Record hat: Man hat Detailverbesserungen beim Umlenkwinkel des Käfigs vorgenommen und zudem setzt man auf ein oberes Umlenkröllchen mit extra-langen Zähnen, das die Schaltqualität auch in Extremsituationen auf einem sehr guten Niveau halten soll. Mit 230g ist das Schaltwerk zudem in dieser Klasse sehr leicht. Den Umwerfer gibt es mit Schelle und als Anlöt-Variante und ihn unterscheidet nur wenig vom Potenza-Pendant. Das Gewicht ist minimal höher, die Schaltqualität und die Bedienkräfte sollen ebenso niedrig sein wie bei höherwertigen Gruppen.
Kassetten wird es wie bereits erwähnt in den Abstufungen 11-29, 11-32 und 12-32 geben. Sie sind bis auf das Eloxal-Finish baugleich mit den Varianten der Potenza und liegen auch bei Gewicht und Schaltqualität auf diesem Niveau. Auch optisch erkennt man den Unterschied erst auf den zweiten Blick – dafür sind die Centaur Kassetten ein paar Euro günstiger. Sicherlich auch eine attraktive Option für preisbewusste Potenza-Fahrer. Ähnliches gilt für die Kette, auch diese ist bis auf winzige Details baugleich mit dem Potenza Modell.
Campagnolo Centaur 2018: Ergopower Hebel – Wie die Großen!
Ganz besonderen Wert legt man bei Campagnolo auf die Ergonomie der Ergopower Hebel – so auch bei der Einstiegsgruppe. Man verspricht, dass sich in diesem Bereich die Centaur Ergopower nicht von den Super Record Modellen unterscheiden. Wenig überraschend hält man an der „Ein Hebel, eine Funktion-Philosophie“ fest, die Campa Fans seit vielen Jahren kennen und schätzen. Die kleinen Trigger auf der Innenseite für den Daumen sind an die EPS-Variante der Record Gruppen angelehnt und leicht nach unten gebogen. Der Bremshebel besteht aus einem Kunststoff-Composite, das ebenso stabil sein soll wie Metall, dafür aber deutlich leichter und bei einem günstigeren Preis als Carbon.
Bei der Gestaltung des Hood hat man sich wiederum an den großen Vorbildern der einen Topgruppen orientiert, setzt jedoch auf etwas mehr Komfort: Auf der Innenseite der Auflagefläche sitzt ein dünnes Gelpolster, das gerade bei längeren Fahrten auf schlechtem Untergrund die Hände entlasten soll.
Die ebenfalls komplett neuen Centaur Dual Pivot Bremsen sollen nicht nur leichter sein als vergleichbare Produkte der Konkurrenz, sondern auch deutlich mehr Power bieten. Das liegt unter anderem auch an einer neuen Gummimischung die bei den Belägen zum Einsatz kommt. Freunde breiter Reifen können ebenso aufatmen: Zwischen den Armen ist ausreichend Platz für Pneus bis 28mm – das sagt man uns zumindest seitens Campagnolo. Unser Augenmaß sagt, dass hier möglicherweise sogar noch ein paar Millimeter mehr drin sein dürften.
Campagnolo Centaur 2018: Preise und Gewichte im Marktvergleich
Campagnolo Centaur | Shimano 105 | SRAM Rival 22 | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
Gewicht | Preis | Gewicht | Preis*** | Gewicht | Preis | |
Schaltwerk | 230g | 75€ | 250g | 45€ | 191g | 74€ |
Umwerfer | 103g | 54€ | 104g | 30€ | 102g | 39€ |
Hebel | 373g | 150€ | 486g | 165€ | 332g | 258€ |
Kurbel (170 / 50x34) | 875g | 168€ | 725g | 120€ | 844g | 175€ |
Dual Pivot Bremsen | 325g | 58€ | 388g | 66€ | 300g | 89€ |
Kassette | 291g (11-29) | 87€ | 284g (11-28) | 39€ | 271g (11-28) | 70€ |
Kette (110) | 247g | 37€ | 257g | 22€ | 259g | 25€ |
Innenlager | 40g | 26€ | 70g | 20€ | 96g | 40€ |
2484g | 655€ | 2564g | 507€ | 2395g | 770€ |
*** Bei den Preisen der Shimano-Komponenten haben wir durchschnittliche „Straßenpreise“ verwendet, da es seitens des deutschen Vertriebs Paul Lange keine offizielle UVP gibt. Die Verkaufspreise liegen in der Regel deutlich unter der UVP – damit dürfte auch im Falle von Campagnolo zu rechnen sein.
Campagnolo Centaur 2018: Erste Fahreindrücke
Beim Campagnolo Pressecamp auf Gran Canaria hatten wir die Gelegenheit, die neue Einsteigergruppe auf einer wunderschönen Fahrt über die Kanareninsel ausgiebig zu testen. Was direkt vom ersten Moment auffällt, ist dass man bezüglich der Ergonomie wahrlich nicht zu viel versprochen hat. Im Blindtest würde ich mir jedenfalls nicht zutrauen, zwischen Centaur und Record unterscheiden zu können. Als Freund der Campagnolo-Philosophie der getrennten Hebel fühlte ich mich sofort zuhause und war von den insgesamt wirklich geringen Handkräften angetan. Klar: Ganz an das Niveau der Top-Gruppe reicht das Schaltgefühl nicht heran, dafür sind die Wege zu lang und ab und an lassen sich Schaltwerk oder Umwerfer dann doch ein paar Zehntelsekunden mehr Zeit bis zum Gangwechsel. Dennoch muss man ganz klar sagen, dass die neue Centaur für eine günstige Einsteigergruppe eine wirklich überzeugende Performance abliefert und sich keinesfalls vor der Konkurrenz verstecken muss.
An unseren Testrädern waren die Gruppen mit schwarzem Finish verbaut. Simpel, unauffällig, aber keinesfalls billig ist der erste optische Eindruck. Das matte Finish weiß gerade an der Kurbel zu gefallen und auch sonst gibt es wahrlich nur wenig auszusetzen. Dass die Bremshebel aus Kunststoff sind, tut der Funktion keinen Abbruch, fühlt sich aber anfangs doch ein wenig befremdlich an. Zur Qualität der Oberflächenbeschichtung können wir nach einem so kurzen Test noch keine wirkliche Aussage treffen – wir hoffen das aber alsbald nachholen zu können.
Auch bei den Bremsen kann man das Marketingversprechen auch in der Praxis halten: Die Centaur Stopper haben richtig viel Power! In Kombination mit den neuen Scirocco Laufrädern (dazu bald mehr bei uns) stellte sich fast ein digitales Bremsverhalten ein und es fiel gerade bei anfänglichen Abfahrten etwas schwer, die richtige Dosierung zu finden. Nachdem ich mich jedoch daran gewöhnt hatte, war das kein Problem mehr und ich freute mich über die wirklich ausgezeichnete Bremskraft.
Insgesamt ist die Campagnolo Centaur 2018 eine wirklich runde Sache. Der Preis ist attraktiv, das Gewicht mehr als konkurrenzfähig und das Wichtigste: Bei Performance und Ergonomie erinnert vieles an die deutlich teureren Gruppen aus Vicenza. Bereits in den nächsten Wochen soll die Gruppe in den Fachhandel kommen.
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