Radsport: Am heutigen Mittwoch wird Chris Froome (Sky) bei der Ruta del Sol in die neue Saison starten – mit viel Gegenwind. Innerhalb des Pelotons, den Medien und den Fans hat er seinen Kredit längst verspielt. Und jetzt hat sich auch noch der Ex-Sky-Teamarzt Fabio Bartalucci zu Wort gemeldet.
Überall herrscht Unzufriedenheit und Unverständnis
Chris Froome gewann in seiner Karriere viermal die Tour de France und einmal die Vuelta a Espana. Je zwei Bronzemedaillen bei Olympischen Spielen und bei Weltmeisterschaften kommen noch hinzu. Dennoch wird über den Briten in den vergangenen Wochen kritisch berichtet. Der Grund: Chris Froome hat bei der Spanien-Rundfahrt einen auffälligen Test abgegeben. Das Asthmamittel Salbutamol wurde in seinem Körper in der doppelten Menge als erlaubt gefunden. UCI-Präsident David Lappartient forderte das Team Sky auf, den Fahrer zu suspendieren. Doch bislang geschah nichts. Für viele wird es als Affront gegen die Radsportszene empfunden, dass der Brite nun bei der Ruta del Sol an den Start geht – und vor allem, dass er dies überhaupt darf. Auch Kollegen, wie zum Beispiel Vincenzo Nibali, Romain Bardet, John Degenkolb und Jasha Sütterlin haben sich kritisch zu diesem Fall geäußert.
About to head to Ruta del Sol.
I want to thank everyone for their support & patience over this difficult period. I am doing my utmost to ensure that things are resolved as speedily as possible.
Can’t wait to get this season started!! 🚴🏻♂️💨💨💨 #64RdS pic.twitter.com/tcyNKUTOIj— Chris Froome (@chrisfroome) 13. Februar 2018
Seit September keine Entwicklung im Fall Froome
Während den Medien und den Profis im Fahrerfeld seit Monaten unzufriedene Stimmen zu entnehmen sind, versteckt sich das Team Sky hinter Durchhalteparolen. Zwar gibt man öffentlich an, ebenso an einer schnellen Lösung interessiert zu sein, doch die Taten sprechen eine andere Sprache. Schon im September wurde Chris Froome durch seinen Test auffällig. Erst im Dezember hat die Öffentlichkeit davon erfahren. Mittlerweile wurde im Kalender mehrfach umgeblättert. Wir haben Mitte Februar und es gibt keine Entwicklung. Die einzige Erklärung von offizieller Seite lautet, man habe die Dosis im erlaubten Rahmen erhöht, weil sich das Asthmaleiden des Betroffenen verschlimmert habe. Wie es zum doppelten des eigentlich erlaubten Wertes kam, versucht man sich im Team Sky nun zusammenzureimen. Übrigens: Auch in anderen Sportarten gibt es mächtige Probleme mit Asthmamitteln. So sind die Norweger zu den Olympischen Spielen nach Pyeongchang mit sage und schreibe 6000 Asthma-Sprays für 121 Sportler gereist.
153 days and counting @UCI_cycling #BSalert. My best guess is Froome will ride both @giroditalia and @LeTour in 2018 and we will not see the end of this case until 2019. https://t.co/DxvtvNaiOf
— Michael Rasmussen (@MRasmussen1974) 13. Februar 2018
Bartalucci bestätigt intravenöse Erholungs-Programme im Team Sky
Auch wenn sich Chris Froome, das Team Sky und deren Anwälte in den vergangenen Monaten zurückgehalten haben, sind immer wieder Stimmen von Kollegen oder Offiziellen zu entnehmen. Jetzt hat sich sogar ein ehemaliger Arzt der Mannschaft Sky gemeldet. Fabio Bartalucci arbeitete zwischen 2010 und 2012 als Teamarzt für den britischen Rennstall. Gegenüber Cyclingnews hat er nun die Existenz von so genannten intravenösen Erholungs-Programmen bestätigt. Bislang blieb eine Bestätigung seitens der Teamleitung immer aus. Verständlich, denn schließlich bewegen sich diese Spritzenkuren in einem Graubereich. Des Weiteren gab Bartalucci zu, damals einige Profis mit Asthmamitteln behandelt zu haben. Warum Chris Froome ohne Ausnahmegenehmigung die Dosis während der Vuelta a Espana verdoppelt hat, kann aber auch er sich nicht erklären.
Fabio Bartalucci:
„Womöglich hat das Team unter dem Druck der Öffentlichkeit Fehler gemacht. David Brailsford denkt sowieso, er könne alles kontrollieren. Doch das ist jetzt eine seiner größten Schwächen, weil die Ereignisse ihn überrollt haben.“
Former Team Sky doctor lifts the lid on team’s medical practices and grey areas
Bartalucci on intravenous recovery, Froome, and Brailsford’s mistakeshttps://t.co/YWLDr50fWM pic.twitter.com/UJePE6h6D4
— Cyclingnews.com (@Cyclingnewsfeed) 12. Februar 2018
Sky & Froome sind nicht zum ersten Mal auffällig
Selbstverständlich gilt in allen Fällen bis zum Beweis der Schuld immer die Unschuldsvermutung. Dennoch scheint dies beim Fall Chris Froome nicht zutreffend zu sein, denn schließlich liegen positive Tests nach der A- und der B-Probe bereits seit Monaten vor. Viele Fans verstehen nicht, wieso noch keine angemessene Sperre ausgesprochen wurde. Ein Zeitlimit für die Verteidigung scheint es nicht zu geben. Ohnehin fühlt sich die gesamte Szene durch Sky irgendwie am Nasenring durch die Manege geführt. Wer über fünf Monate benötigt, um eine Erklärung abzugeben, dem kann man die kommende Worte doch sowieso nicht glauben.
Zumal das Team Sky nicht zum ersten Mal auffällig geworden ist. Längst ist bekannt, dass bei Chris Froome im Jahr 2010 die schwächende Tropenkrankheit Bilharziose diagnostiziert wurde. Seitdem wird er mit speziellen Medikamenten behandelt – und fährt allen davon. Hinzu kommen die zweifelhafte Medikamentenlieferung an Bradley Wiggins im Jahr 2011 und die zweimalige interne Suspendierung von Sergio Luis Henao, um einer Sperre zuvor zu kommen. Ganz davon abgesehen ist das Team Sky nicht Mitglied in der Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport (MPCC). Die Begründung: Man wolle intern selbst für einen sauberen Radsport sorgen. Na dann muss aber noch ordentlich gewischt werden …
Chris Froome to line up at Ruta del Sol.
📝 > https://t.co/PbIrJPaaB6 pic.twitter.com/IF4A5AuJab
— Team Sky (@TeamSky) 5. Februar 2018