Radsport: 15 Etappen der Italien-Rundfahrt liegen hinter uns. Simon Yates (Mitchelton-Scott) führt mit über zwei Minuten vor Titelverteidiger Tom Dumoulin (Sunweb). Ist der Giro d’Italia daher schon entschieden? Nein – und zwar in allen Bereichen noch nicht.
Wie viel Zeit verliert Yates im Zeitfahren auf Dumoulin?
131 Sekunden liegt Tom Dumoulin (Sunweb) in der Gesamtwertung hinter Simon Yates (Mitchelton-Scott). Sechs Etappen vor Schluss eigentlich ein relativ beruhigendes Polster, wäre da nicht das Zeitfahren am Dienstag. Direkt nach dem heutigen Ruhetag werden die Fahrer nämlich in den Kampf gegen die Uhr geschickt. Es ist die Paradedisziplin von Tom Dumoulin, dem amtierenden Zeitfahr-Weltmeister. Simon Yates kann bestenfalls als ordentlicher Zeitfahrer bezeichnet werden. Er hat sich in den vergangenen Jahren gesteigert, wird aber auf jeden Fall keine Chance gegen seinen Kontrahenten haben.
Schon zum Auftakt verlor Yates in Jerusalem 19 Sekunden bei 9,7 Kilometern. Von Trento nach Rovereto müssen morgen 34,2 Kilometer absolviert werden. Wir können davon ausgehen, dass Yates auf jeden Fall zwei bis drei Sekunden pro Kilometer einbüßen wird. Erwischt Dumoulin einen perfekten Tag und Yates keinen guten, dann könnte der Niederländer den Briten in der Gesamtwertung sogar überholen. Yates selbst hat im Interview nach seinem Sieg auf der 15. Etappe gesagt, dass er dies für nicht unwahrscheinlich hält.
Wer sichert sich Weiß und einen Platz auf dem Podium?
Bei einem normalen Verlauf der letzten Woche werden wir ein Duell um Rosa zwischen Tom Dumoulin und Simon Yates erleben. Überraschungen sind jedoch nicht ausgeschlossen, denn Yates mag bis dato in den Bergen überzeugt haben, doch die dritte Woche umfasst gleich mehrere Bergetappen. Ein schlechter Tag und der rosarote Traum ist vorbei. Chancen ausrechnen dürfen sich – vor allem im Hinblick auf das Podium – daher auch noch Domenico Pozzovivo (Bahrain Merida) und Thibaut Pinot (Groupama-FDJ). Sie liegen lediglich 17 bzw. 26 Sekunden hinter Dumoulin. Dieser ist zwar im Zeitfahren um Klassen besser, doch in den Bergen ist er angreifbar. Selbst Chris Froome (Sky) hat mit einem Rückstand von 2:24 Minuten auf Rang drei noch alle Chancen.
Sowohl um einen Platz auf dem Podium, als auch um das Weiße Trikot kämpfen aktuell die Jungprofis Miguel Angel Lopez (Astana) und Richard Carapaz (Movistar). Auf Grund der Erfahrung und der bisherigen Vorstellung ist in dieser Wertung der Kolumbianer stärker einzuschätzen als der Ecuadorianer. Momentan trennen beide aber nur 20 Sekunden. Ihre Stärken liegen gewiss nicht im Zeitfahren, so dass wir im Hochgebirge einen spannenden Kampf geboten bekommen werden. Die Leichtgewichte gelten als angriffslustig und siegeshungrig. Neben dem Weißen Trikot ist daher auch ein Etappensieg möglich – wie bereits auf der achten Etappe durch Richard Carapaz.
Kann Bennett in der Punktewertung Viviani noch abfangen?
Nicht nur die Gesamtwertung spielt bei einer interessanten Rundfahrt eine wichtige Rolle. Beim Giro d’Italia geht es schließlich auch um das Punktetrikot und das Bergtrikot. Aktuell trägt die Maglia Ciclamino Elia Viviani (Quick-Step Floors), der sich bis dato auch als schnellster Mann in den Massensprints erwiesen hat. Doch mit Sam Bennett (Bora-hansgrohe) hat er einen Kontrahenten gefunden. Auch wenn der Italiener 40 Punkte vor dem Iren liegt, ist dieser Abstand bei noch zwei ausstehenden Flachetappen aufzuholen. Am Mittwoch und am Sonntag müsste Bennett dafür aber wohl gewinnen – und Viviani müsste erneut einen Massensprint verpassen.
Gleiches gilt für die Bergwertung, welche erst in der dritten Woche so richtig in Schwung kommen wird. Derzeit führt Simon Yates mit 39 Punkten Vorsprung auf Giulio Ciccone (Bardiani-CSF), doch in den kommenden Tagen gibt es noch einige Punkte zu holen – und Ciccone wird garantiert alles versuchen, während sich Yates auf die Maglia Rosa konzentrieren wird. Teamkollege Esteban Chaves liegt ebenfalls in Lauerstellung, doch der strahlende Kolumbianer wird sich vermutlich auf die Helferdienste fokussieren müssen. Fausto Masnada (Androni Giocattoli) und Valerio Conti (UAE Team Emirates) hingegen bekommen garantiert freie Fahrt.
When your last to the top of Zoncolan but win all the style points 👌
Chapeau, @Sammmy_Be #Giro101 pic.twitter.com/1wmeGAM3qe
— Eurosport UK (@Eurosport_UK) 20. Mai 2018
Gewinnen die deutschsprachigen Fahrer noch eine Etappe beim Giro?
Durch Tom Dumoulin und Sam Bennett haben die deutschen Teams Sunweb und Bora-hansgrohe bereits einen bzw. zwei Siege einfahren können. Die deutschsprachigen Fahrer jedoch warten noch immer auf den ersten Tageserfolg beim diesjährigen Giro d’Italia. Dennoch haben sich einige von ihnen ganz hervorragend präsentiert. Zuerst ist in dieser Hinsicht natürlich Nico Denz (AG2R La Mondiale) zu erwähnen. Der 24-Jährige sicherte sich auf der zehnten Etappe sein erstes Podium im Profi-Bereich. Auch auf der 15. Etappe riss er aus und erwies sich als stärkster Fahrer der Fluchtgruppe. So ließ der junge Deutsche also innerhalb weniger Tage einen Giulio Ciccone bergauf stehen und konnte bergab mit Abfahrtskünstler Matej Mohoric (Bahrain Merida) mithalten. Chancen auf einen Etappensieg wird er bei diesem Giro d’Italia wohl nicht mehr bekommen, doch der erste Profisieg kann nicht mehr lange auf sich warten lassen.
In der Gesamtwertung ganz hervorragend platziert ist derzeit der Österreicher Patrick Konrad (Bora-hansgrohe). Bleibt er auf Rang zehn, wird er mit dem Ausgang des Giro d’Italia überglücklich sein. Ein Etappensieg ist auf Grund dieser Top-Platzierung jedoch eher unwahrscheinlich. Vielleicht sorgt aber Teamkamerad und Landsmann Felix Großschartner dafür. Ihn werden wir gewiss in den noch kommenden Bergetappen in der Offensive sehen. Ebenso wie vielleicht Maximilian Schachmann (Quick-Step Floors), der das Weiße Trikot bereits tragen durfte. Der Deutsche liegt in der Gesamtwertung nun auf Rang 27 und kann ebenso eine Flucht wagen. Als treue Helfer beweisen sich einmal mehr die Schweizer. Kilian Frankiny (BMC) ist in den Bergen der Edelhelfer von Kapitän Rohan Dennis, genauso wie Sebastien Reichenbach (Groupama-FDJ) von Thibaut Pinot. Mit einem entsprechenden Freifahrtschein ist für die deutschsprachigen Profis also auch in der dritten Woche noch einiges möglich.
So close to my 1st pro victory
Surely I am a bit disappointed but hey I still got 2nd😳💪 #giro101 https://t.co/0r2Jnqe35x— Nico Denz (@NicoDenz) 15. Mai 2018