Radsport: Das Weiße Trikot zeichnet auch bei der Tour de France 2018 den besten Nachwuchsfahrer aus. Schon oft war dies ein Fingerzeig dafür, welche Profis in den kommenden Jahren um das Gelbe Trikot fahren werden. Auch in dieser Saison sehen wir zahlreiche Top-Talente am Start stehen. Besonders vier von ihnen dürften gute Karten für den Gewinn des Weißen Trikots haben.
Egan Bernal (Sky)
In Kolumbien sprießen die Talente seit Jahren nur so wie Pilze aus dem Boden. Doch noch keiner von ihnen hat je die Tour de France gewonnen. Nach Nairo Quintana, Miguel Angel Lopez, Sergio Henao, Carlos Betancur, Esteban Chaves und Rigoberto Uran wird dies als nächster Profi Egan Bernal versuchen. Der erst 21-Jährige fuhr in den Saisons zuvor für das Team Androni. Schnell erkannte die Radsport-Welt, dass es sich bei ihm um ein Mega-Talent handeln muss. Das Team Sky schlug sofort zu. Seit Januar dreht Egan Bernal daher seine Runden im Sky-Trikot und konnte die in ihn gesetzten Erwartungen sogar deutlich übertreffen. Bei der Tour Down Under stieg er auf Rang #6 in die WorldTour ein. Danach gewann er die Kolumbien-Rundfahrt gegen namhafte Konkurrenten und wurde Zeitfahr-Meister seines Landes. Mit Rang #2 bei der Tour de Romandie und seinem Sieg bei der Tour of California empfahl er sich für die Tour de France. Trotz seiner unglaublich starken Resultate wird er – auch auf Grund seines Alters – im Team Sky nur die Nummer vier sein. Gut möglich, dass sich das Leichtgewicht als Helfer nur auf zwei oder drei Etappen konzentrieren muss und sich ansonsten schonen soll. Würde er auf das Weiße Trikot fahren, wäre er wohl nicht zu stoppen.
Marc Soler (Movistar)
Auch Marc Soler hat in den vergangenen zwei Jahren einen steilen Aufstieg hingelegt. Ebenso wie Egan Bernal ist er nur die Nummer vier in seiner Mannschaft. Für seine Kapitäne Nairo Quintana, Alejandro Valverde und Mikel Landa mimt er einen wahren Edelhelfer. Ob er nebenbei die Freiheiten bekommt, um das Weiße Trikot zu gewinnen ist ebenso ungewiss wie bei Egan Bernal. Klar ist: Die Klasse dazu hätte Marc Soler allemal. Schließlich gewann der 24-jährige Spanier in dieser Saison die Fernfahrt Paris-Nizza. Dabei überzeugte er mit einer beherzten Attacke auf der Schlussetappe. Allgemein ist Marc Soler ein sehr aktiver und angriffslustiger Fahrer. Als Relais-Station kann er die entscheidende Trumpfkarte für seine Leader werden. Selbst in die Attacke gehen wird er auf den letzten und entscheidenden Kilometern wohl bei dieser Tour de France noch nicht. Schon jetzt zählt er aber zu den stärksten Spaniern im gesamten Peloton.
Pierre Latour (AG2R La Mondiale)
Obwohl er erst 24 Jahre alt ist, fährt Pierre Latour bereits seine zweite Tour de France. An der Seite von Romain Bardet soll er für AG2R La Mondiale für Gefahr in den Bergen sorgen. Dabei sind die Rollen klar verteilt: Romain Bardet ist der Kapitän und Pierre Latour sein wohl stärkster Helfer. Doch das Team AG2R ist dafür bekannt, auch ein Auge auf die Mannschaftswertung zu werfen. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass sich Latour nur als Helfer zeigen soll und dann rausnehmen darf. Anders als bei Marc Soler und Egan Bernal ist stark davon auszugehen, dass Pierre Latour das Weiße Trikot tatsächlich anvisiert. Im vergangenen Jahr beendete er die Tour de France auf Rang #29. Doch in den vergangenen zwölf Monaten hat sich Latour stark weiterentwickelt – so wie die Experten es vorhergesehen hatten. Er konnte zahlreiche Top 10 Ergebnisse erzielen, wobei vor allem sein dritter Platz bei der Katalonien-Rundfahrt und sein Sieg bei den Französischen Zeitfahrmeisterschaften in Erinnerung bleiben wird. Übersteht er die ersten neun Tage ohne größere Probleme, darf er auf Grund seiner Freiheiten und der Teamrollen seiner Kontrahenten ernsthaft vom Weißen Trikot träumen.
Guillaume Martin (Wanty-Groupe Gobert)
Auf unserer Liste ist Guillaume Martin der einzige Fahrer, welcher als Kapitän seines Teams in die Rundfahrt geht. Die belgische Equipe Wanty-Groupe Gobert war bereits im vergangenen Jahr mit dabei – und Guillaume Martin überzeugte mit Platz #23 in der Gesamtwertung. Nach seinem ersten Auftritt bei der Tour de France konnte er direkt ein paar Siege bei kleineren Rennen einfahren. Der ganz große Wurf ist ihm bislang noch nicht gelungen, obwohl Top 10 Platzierungen bei WorldTour-Rennen durchaus Ausrufezeichen sind. Spätestens nach der ersten Hälfte der Tour de France wird er erkennen, ob er 2018 auf das Gesamtklassement fahren soll, oder sich doch lieber auf Etappensiege und vielleicht das Bergtrikot konzentrieren möchte. Packt er die Top 10, ist der Gewinn des Weißen Trikots nicht mehr fern.
Fazit: Die Teamtaktik entscheidet über das Weiße Trikot
Viele Sieger der Tour de France gewannen vor dem Gelben das Weiße Trikot. Zu nennen wären hierbei unter anderem Marco Pantani, Jan Ullrich und Andy Schleck. Doch seit dem Jahr 2011 wartet der Gewinner des Maillot Blanc auf den ganz großen Triumph. Dies könnte sich allerdings rasch ändern, denn allgemein waren die Aufgebote der Teams so enorm stark. Neben unseren vier genannten Top-Favoriten auf das Weiße Trikot ist nämlich mindestens eine handvoll weiterer Fahrer nicht zu unterschätzen. David Gaudu (Groupama-FDJ) zum Beispiel darf als Berg-Kapitän seiner Mannschaft seinen Fokus garantiert darauf legen. Für Tiesj Benoot (Lotto Soudal) gilt ähnliches, wobei der Belgier wohl eher auf Etappensiege gehen wird und seine Qualitäten im Hochgebirge erst noch nachweisen muss. Daniel Martinez (EF Education), Antwan Tolhoek (LottoNL-Jumbo) und Sören Kragh Andersen (Sunweb) werden bei den Buchmachern lediglich als Außenseiter gehandelt, können bei einem perfekten Verlauf jedoch durchaus in die Entscheidung mit eingreifen. Die Österreicher Gregor Mühlberger (Bora-hansgrohe) und Michael Gogl (Trek-Segafredo) werden wohl kaum Chancen haben, ebenso wie der Schweizer Stefan Küng (BMC). Spannend wird der Kampf um das edle Weiße Trikot aber dennoch.