Radsport: Im zweiten Teil unserer großen Vorschau stellen wir alle Giro d’Italia Teams vor, welche vorwiegend auf einen Top-Sprinter setzen. Mit dabei: das deutsche Team Bora – hansgrohe! Hier geht’s zum ersten Teil.
Bora – hansgrohe: Doppelspitze für Sprints & Berge
Mit zwei Kapitänen will das deutsche Team Bora – hansgrohe den Giro d’Italia im Sturm erobern. Schauen wir uns den kompletten achtköpfigen Kader an, erkennen wir jedoch, dass der Fokus auf dem Sprint liegt. Pascal Ackermann soll direkt bei seiner ersten Grand Tour für Etappensiege sorgen. Gelegenheiten hat er dafür ausreichend. Bis zur elften Etappe werden nämlich zahlreiche Massensprints erwartet. Unterstützt wird der Deutsche Meister dabei vor allem von Rüdiger Selig und Michael Schwarzmann. In der Sprintvorbereitung sind die beiden Landsleute von Pascal Ackermann dafür verantwortlich, dass er perfekt in Position gebracht und bestenfalls auf die letzten 200 Meter pilotiert wird. Damit die Ausreißer eingeholt werden, müssen vorwiegend Paweł Poljanski und Cesare Benedetti an der Spitze des Hauptfeldes die Nachführarbeit leisten.
Zusammengezählt kommen wir also auf fünf Profis von Bora – hansgrohe, welche eher für die Massensprints verantwortlich sind. Bleiben nur drei Fahrer für die Mission Maglia Rosa. Erobern und im besten Falle gewinnen kann das begehrte Trikot nur Rafał Majka. Doch der Pole fährt seit geraumer Zeit seiner Topform hinterher. Seinen letzten Sieg feierte er im September 2017 bei der Vuelta a Espana. Für ihn müsste schon alles perfekt zusammenlaufen, wenn er beim diesjährigen Giro d’Italia auf dem Podest landen möchte. Unterstützt wird er von Davide Formolo, der sich bei Lüttich – Bastogne – Lüttich in einer hervorragenden Verfassung präsentierte. Beiden ist ebenso ein Etappensieg zuzutrauen, wie Jay McCarthy. Der Australier ist allerdings im Hochgebirge weniger stark einzuschätzen. Er bevorzugt das hügelige Terrain. Mit seiner Sprintstärke kann er aus einer mittelgroßen Gruppe heraus dann schon einmal für einen Tagessieg sorgen.
- 61) Rafał Majka (Polen)
- 62) Pascal Ackermann (Deutschland)
- 63) Cesare Benedetti (Italien)
- 64) Davide Formolo (Italien)
- 65) Jay McCarthy (Australien)
- 66) Paweł Poljanski (Polen)
- 67) Michael Schwarzmann (Deutschland)
- 68) Rüdiger Selig (Deutschland)
Deceuninck – Quick-Step: Viviani & Jungels sollen’s richten
Im vergangenen Jahr gewann Elia Viviani beim Giro d’Italia die Punktewertung und vier Etappen. Ob sich der Italiener auch in diesem Jahr durch die kompletten drei Wochen quälen wird, ist auf Grund der letzten zehn Tage eher fraglich. Innerhalb der ersten Giro-Hälfte jedoch ist mit ihm definitiv zu rechnen. Die Massensprints werden ihm wie gewohnt mustergültig von Fabio Sabatini angefahren. Da mit Michael Morkov und Maximiliano Richeze zwei wichtige Männer im Sprintzug fehlen, müssen andere Profis für sie einspringen. Florian Sénéchal ist wie gemacht dafür. Der Franzose ist nicht nur ein passabler Sprinter, sondern auch ein zäher Tempobolzer. Windkanten sind für ihn kein Problem – und das Zurückholen der Ausreißer erledigt er gerne mit. Ein ähnlicher Fahrertyp soll Mikkel Frølich Honoré sein, doch der Däne wird bei seiner ersten Grand Tour noch keine wichtigen Aufgaben übernehmen.
Wie gewohnt müssen beim Wolfsrudel alle gemeinsam für ihre Ziele ackern. So werden sich auf Flachetappen nicht nur die eben genannten Spezialisten einspannen müssen, sondern auch die restlichen Nominierten. Auch wenn James Knox und Pieter Serry leicht hügeliges Terrain bevorzugen, werden wir sie in der Verfolgungsjagd hin und wieder zu sehen bekommen. Sind die Tage der Sprinter gezählt, kümmern sie sich um ihren Klassementfahrer Bob Jungels, oder gehen mit einem Freibrief in die Gruppe. Denn der Luxemburgische Meister hat schon häufig bewiesen, dass er sich auch als Alleinkämpfer in den Bergen durchbeißen kann. 2019 jedoch möchte er bei einer Grand Tour endlich mehr erreichen. Bislang war Rang sechs 2016 das höchste der Gefühle. Der letzte Mann an seiner Seite wird wohl auf allen Bergetappen Eros Capecchi sein. Der Italiener bringt viel Erfahrung mit und ist selbst auch gut für eine Ausreißergruppe.
- 81) Elia Viviani (Italien)
- 82) Eros Capecchi (Italien)
- 83) Bob Jungels (Luxemburg)
- 84) Mikkel Frølich Honoré (Dänemark)
- 85) James Knox (Großbritannien)
- 86) Fabio Sabatini (Italien)
- 87) Florian Sénéchal (Frankreich)
- 88) Pieter Serry (Belgien)
Groupama – FDJ: Ein bitterer Giro d’Italia steht bevor
Die Mannschaft Groupama – FDJ ist im Radsport schon seit vielen Jahren bekannt. Auf fast jedem Terrain kann sich die französische Equipe mit den besten Fahrern der Welt messen. Beim Giro d’Italia 2019 könnten sie jedoch zur größten Enttäuschung werden. Schauen wir uns die Nominierten an, entdecken wir eigentlich nur einen potentiellen Siegfahrer. Doch auch Arnaud Démare befindet sich derzeit nicht in Bestform. Selbst hat er bereits in einem Interview angemerkt, Selbstzweifel zu haben. Den Giro d’Italia fährt er nur, um sich endlich wieder das nötige Selbstvertrauen für die anstehende Tour de France zu holen. Keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Rundfahrt. Immerhin kann er in Person von Jacopo Guernieri auf einen starken Anfahren bauen. Einen Massensprint herbeiführen können Tobias Ludvigsson, Miles Scotson, Ramon Sinkeldam und Olivier Le Gac. Möglicherweise werden sie aber auch in Gruppen geschickt, falls das Vertrauen in die Stärke von Kapitän Arnaud Démare nachlassen sollte.
Und da wären wir auch schon beim Problem. Sollte Arnaud Démare – eigentlich wie erwartet – nicht seine Bestleistung abrufen, dann wird Groupama – FDJ beim diesjährigen Giro d’Italia kaum gute Ergebnisse einfahren können. Gelingt es ebenfalls nicht, Teil einer erfolgreichen Fluchtgruppe auf Flachetappen zu sein, bleiben nur die leicht hügeligen Teilstücke übrig. Ignatas Konovalovas hat hier seine Stärken. Verbrennt die Teamleitung ihn jedoch für Arnaud Démare, fällt auch der Litauer als Option weg. Zu einer großen Überraschung könnte dann Valentin Madouas avancieren. Der 22-jährige Franzose fährt seine erste Grand Tour, gilt aber in Fachkreisen als Mann der Zukunft. Seine Stärken liegen in den Bergen – genau dort, wo Groupama – FDJ sonst niemanden im Aufgebot hat. Daher wird der Achte vom Amstel Gold Race alle Freiheiten genießen – und vielleicht die Bilanz seiner Equipe retten.
- 101) Arnaud Démare (Frankreich)
- 102) Jacopo Guernieri (Italien)
- 103) Ignatas Konovalovas (Litauen)
- 104) Olivier Le Gac (Frankreich)
- 105) Tobias Ludvigsson (Schweden)
- 106) Valentin Madouas (Frankreich)
- 107) Miles Scotson (Australien)
- 108) Ramon Sinkeldam (Niederlande)
Lotto – Soudal: Nur für die Gesamtwertung ist keiner dabei
Die belgische Equipe Lotto – Soudal schickt eine sehr starke Mannschaft zum Giro d’Italia. Gleich mehrere Profis sind in der Lage für Erfolge zu sorgen, allen voran Sprinter Caleb Ewan. Der kleine Australier hat innerhalb der ersten elf Etappen zahlreiche Chancen, Tagessiege einzufahren und sich vielleicht sogar um das Maglia Ciclamino zu bemühen. Angefahren wird ihm der Sprint wie gewohnt von Jasper De Buyst und Roger Kluge. Dieses Trio hat schon mehrfach gezeigt, dass es prächtig harmoniert und einen schnellen Sprintzug aufbauen kann. Um einen Massensprint überhaupt erst zu ermöglichen, können unter anderem Adam Hansen und Tosh Van der Sande die Nachführarbeit im Hauptfeld übernehmen.
Als perfekter Tempomacher gilt eigentlich auch Victor Campenaerts. Doch als Inhaber des Stundenweltrekords wäre die Teamleitung gut beraten, ihn für die Zeitfahren etwas zu schonen. Direkt zum Auftakt in Bologna könnte es jedoch schon soweit sein, dass sich Lotto – Soudal dank ihm über die Maglia Rosa freuen darf. Doch nicht nur in den Zeitfahren und im Sprint ist die belgische Equipe ernstzunehmen. Auch auf hügeligem Terrain und in den Bergen werden sie den ein oder anderen Versuch wagen. Jelle Vanendert und Thomas De Gendt können dabei aber nicht bis zum Schluss warten. Die beiden Belgier werden sich gewiss mehrfach in Ausreißergruppen schleichen und von dort dann um den Etappensieg fahren. Für Ausreißerkönig De Gendt wird wohl der Giro erst ab Etappe #12 so richtig beginnen. Erwischt er zehn gute Tage, kann er vielleicht sogar um das Bergtrikot kämpfen.
- 121) Caleb Ewan (Australien)
- 122) Victor Campenaerts (Belgien)
- 123) Jasper De Buyst (Belgien)
- 124) Thomas De Gendt (Belgien)
- 125) Adam Hansen (Australien)
- 126) Roger Kluge (Deutschland)
- 127) Jelle Vanendert (Belgien)
- 128) Tosh Van der Sande (Belgien)
Dimension Data: Kaum Fahrer mit guter Form am Start
Gefährlich: Das Team Dimension Data fährt ohne einen echten Star in guter Form zur Italien-Rundfahrt. Trotzdem hat man für jeden Bereich einen Profi im Gepäck, in der Hoffnung, dass die Form innerhalb der drei Wochen schon kommen mag. Zu nennen wäre in dieser Hinsicht Giacomo Nizzolo. Der italienische Sprinter gewann die Punktewertung 2015 und 2016. Nach einer Verletzung fährt er nun aber seit vielen Monaten seiner Bestform hinterher. Seit Oktober 2016 gewann er lediglich drei Rennen. Dabei traf er jedes Mal nicht auf wirklich starke Konkurrenten. Daher sich in den kommenden Wochen aber mit den stärksten Sprintern der Welt messen muss, scheint ein Etappensieg fast unmöglich. Immerhin kann er dank Mark Renshaw und Ryan Gibbons auf eine hervorragende Sprintvorbereitung hoffen. Läuft nichts zusammen, wird die Teamleitung vielleicht sogar deren Rollen tauschen.
Auf Grund der Sprinter-Problematik ruhen die Hoffnungen im Team Dimension Data auf Fluchtgruppen. Enrico Gasparotto und Amanuel Ghebreigzabhier können sich auf hügeligem Terrain Chancen ausrechnen. Dafür ist jedoch eine gehörige Portion Glück nötig, denn gerade diese Etappen sind auch in anderen Teams heiß begehrt. Scott Davies und Danilo Wyss werden wohl hauptsächlich Helferdienste zu erledigen haben. In einer Gruppe können sie nur bei eher leichten Etappen für einen Mehrwert sorgen. Die Aussichten für Dimension Data sind also nicht gerade rosig. Umso wichtiger wäre es, Klassementfahrer Ben O’Connor heil bis zur zwölften Etappe zu pilotieren. Geht es ins Hochgebirge, kann er sowieso nicht mehr von seinen Teamkameraden unterstützt werden. Hat der Ire seinen Formaufbau im Griff, könnte er in der zweiten Hälfte die nötigen Erfolgserlebnisse für seine Mannschaft einfahren.
- 161) Giacomo Nizzolo (Italien)
- 162) Scott Davies (Großbritannien)
- 163) Enrico Gasparotto (Italien)
- 164) Amanuel Ghebreigzabhier (Eritrea)
- 165) Ryan Gibbons (Südafrika)
- 166) Ben O’Connor (Australien)
- 167) Mark Renshaw (Australien)
- 168) Danilo Wyss (Schweiz)
UAE Team Emirates: Hoffen auf Gaviria & Fluchtgruppen
Fernando Gaviria ist der Kapitän im UAE Team Emirates. Der Kolumbianer zählt schon seit geraumer Zeit zu den stärksten Sprintern im Peloton. Er gewann schon Etappen beim Giro d’Italia und bei der Tour de France. Auch in dieser Saison konnte er schon drei Tagessiege einfahren. Als klassischer Sprinter ist Fernando Gaviria aber auch sehr auf seine Mannschaftskollegen angewiesen. Besonders wichtig sind für ihn sein Landsmann Juan Sebastián Molano, der Italiener Simone Consonni und Tom Bohli. Gemeinsam können sie das Tempo auf den letzten Kilometern hochhalten und den Massensprint für ihren Kapitän anziehen. Gelingt dies, könnte Fernando Gaviria erneut zum Seriensieger avancieren. Vor zwei Jahren gewann er beim Giro d’Italia vier Etappen.
Doch das UAE Team Emirates setzt beim Giro d’Italia 2019 nicht alles auf die Karte Sprint. Mit Valerio Conti und Marco Marcato wurden zwei Profis nominiert, welche sich gerne in Fluchtgruppen blicken lassen. Wird es leicht wellig und die Teams der Sprinter stecken auf, könnte ihr Moment gekommen sein. Wenn es noch etwas schwieriger wird, schreiten Jan Polanc und Diego Ulissi zur Tat. Vor allem der zuletzt genannte darf als Mitfavorit bezeichnet werden, wenn nur ein kleines Hauptfeld das Ziel erreicht. In einem Sprint zeigt ihm nämlich dann kaum noch jemand eine lange Nase. Jan Polanc hat in seiner Karriere schon zwei Giro-Etappen gewonnen. Spätestens ab Etappe #12 ist mit ihm in Ausreißergruppen zu rechnen.
- 211) Fernando Gaviria (Kolumbien)
- 212) Tom Bohli (Schweiz)
- 213) Simone Consonni (Italien)
- 214) Valerio Conti (Italien)
- 215) Marco Marcato (Italien)
- 216) Juan Sebastián Molano (Kolumbien)
- 217) Jan Polanc (Slowenien)
- 218) Diego Ulissi (Italien)