Test: Wer braucht einen 30 mm breiten Rennreifen? Na, all jene, die auch mal etwas anderes fahren wollen als nur glatte Asphaltstraßen. Wie aber schlägt sich ein Slickreifen auf Schotter? Velomotion hat den WTB Exposure 30c ausprobiert.
Wilderness Trail Bikes kommt, wie der Name schon sagt, aus dem Offroad-Sport. Im kalifornischen Marin County beheimatet, der Wiege des Mountainbikings, hat sich die Firma auf Sättel, Felgen und Reifen spezialisiert; im Zuge des Cross- und Gravel-Booms haben die Amerikaner mehr und mehr 28-Zoll-Pneus aufgelegt, bis hinunter zum 23 mm schmalen „ThickSlick“. Der Fokus liegt freilich auf breiteren Pneus, die auf eine größere Bandbreite von Einsatzzwecken abgestimmt sind, und der Exposure 30c gehört zu den besonders interessanten Modellen für Straßenfahrer. In angesagt-schönem Karamellbraun gehalten, ist dies ein reinrassiger Rennreifen, der lediglich in Sachen Volumen in Richtung Gravel geht und damit perfekt ist für aktuelle Rennmaschinen, die breitere Reifen als 28er vertragen, ohne gleich den extremen Durchlauf eines Crossers zu bieten. In Ermangelung von ersterem haben wir den WTB an letzteren montiert, die Zielsetzung ist freilich dieselbe: auf Asphalt schnell zu sein, ohne von schlechten Strecken oder Naturstraßen gleich komplett ausgebremst zu werden.
Bei einem schmalen Reifen ist das kaum möglich, denn beim Luftdruck muss man sich entscheiden: Ist dieser zu hoch, fehlen offroad Komfort und Traktion; ist er zu niedrig, leidet auf Asphalt der Rollwiderstand, dazu wird der Reifen bei Schräglage schwammig. Der 30-mm-Pneu jedoch bietet beim Luftdruck eine große Bandbreite: Wer damit ins Gelände will, kann offiziell bis auf 4 bar heruntergehen (und in der Praxis noch ein gutes Stück weiter), wer nur auf glatten Straßen fährt, darf knapp über 6 bar einfüllen. Ersteres gilt natürlich mit der Einschränkung, dass tubeless gefahren wird – ansonsten könnte geringer Druck das Risiko von Durchschlägen fördern.
Beim WTB Exposure 30c ist erst einmal eine Tour über glattgewalzte Schotterstraßen und Waldwege dran. Mit gut 3 bar geht es los, und auf den einleitenden zwei Asphalt-Kilometern zeigt der Slickereifen bereits sein Straßen-Potenzial: Auch bei diesem eher geringen Druck rollt er gefühlt leicht und sehr geschmeidig ab, wobei er Schäden im Asphalt besser schluckt als ein schmalerer Reifen. Diese Eigenschaft kommt nach wenigen Minuten auf einer ansteigenden Schotterstraße im Wald zum Tragen: Wenn man nicht gerade die gröbsten Brocken trifft, verläuft die Fahrt über den ausgefahrenen Weg überraschend sanft; Traktionsprobleme im Wiegetritt sind nicht zu verzeichnen. Auf einer flotten Gravel-Tour ohne anspruchsvolle Cyclocross-Trails kann der WTB Exposure also überzeugen.
Mit deutlich höherem Druck muss sich der Reifen einige Tage später auf der Straße beweisen. Mit über 5 bar lässt sich der Reifen kaum eindrücken, muss also weniger Walkarbeit leisten – und rollt noch schneller. Die Dual-Compound-Mischung mit weicheren Reifenschultern soll die Kurvenhaftung verbessern, was auch sehr gut funktioniert. Ob die mit bloßem Auge kaum zu erkennende Struktur der Reifenschultern eine Auswirkung auf die Haftung hat, lässt sich nicht sagen; jedenfalls kommt auch in schnell gefahrenen Kurven mit viel Schräglage nie Unsicherheit auf. Festzuhalten ist allerdings, dass das Rad mit derart breiten Reifen etwas stärker „abgewinkelt“ werden muss – und der WTB ist noch breiter als angegeben, nämlich knapp 32 mm. Auffällig ist außerdem, dass an der Seitenwand die Laufrichtung angegeben ist – bei einem Slick eigentlich unnötig, oder?
Komfortabel ist der WTB Exposure auch bei 5 bar – gerade auf längeren Strecken meint man die Vorteile guter Vibrationsdämpfung zu spüren, etwa, wenn einem nicht mehr die Hände einschlafen. Agilität und Handlichkeit des Test-Crossers blieben unverändert, was nicht zuletzt am geringen Gewicht des breiten Reifens liegt: Er wiegt exakt so viel wie vom Hersteller angegeben, nämlich 310 Gramm.
Etwas problematisch ist einzig die Tubeless-Montage. Zwar rastet der WTB mit sattem Knallen sofort unterm Felgenhorn ein, doch dann zischt und pfeift es allerorten. Was ist da bloß los? Vielleicht liegt es an dem groben Wulstschutzband, das sich genau dort befindet, wo der Reifen gegen die Felge gepresst wird: Gut möglich, dass durch dessen Maschen Luft entweichen kann. Wir bekamen das Problem erst mit „Stan’s Race Sealant“ in den Griff, das WTB-Vertriebspartner Sport Import dankenswerterweise mitgeschickt hatte. Mit extragroßen Kristallen gilt diese Dickmilch als effektivstes Dichtmittel am Markt, was sie beim WTB eindrucksvoll unter Beweis stellte. Inzwischen verliert der Pneu bei längeren Ruhephasen auch nicht mehr Luft als andere Schlauchlosreifen.
Am Ende bleibt der Eindruck eines leicht laufenden, komfortablen und griffigen Rennreifens, der an Disc-Rennern mit üppigem Durchlauf perfekt untergebracht ist. Deren Einsatzbereich dürfte der WTB Exposure 30c nämlich deutlich erweitern, ohne sich dabei negativ auf die Fahreigenschaften auszuwirken, wie dies ein noch breiterer, deutlich schwererer Reifen tun würde. Wer also Asphalt mit Forststraßen und Feldwegen mixen will, ohne wirkliche Gravel-Touren anzupeilen, könnte mit dem WTB sehr glücklich werden.