Radsport: Für viele Zuschauer ist es das schönste Trikot des Radsports: das Bergtrikot. Auch 2020 werden sich zahlreiche Kletterer um das Gepunktete streiten. Wir werfen einen Blick auf die fünf wahrscheinlichsten Träger.
Julian Alaphilippe: Zu schwach für das Gelbe Trikot?
Nach langer Zeit konnten die französischen Fans im Vorjahr endlich wieder von einem einheimischen Toursieger träumen – dank Julian Alaphilippe (Deceuninck – Quick-Step). Der Franzose trug das Gelbe Trikot 14 Tage lang. Erst nach der 19. Etappe wanderte es von seinen Schultern auf die des späteren Gesamtsiegers Egan Bernal. Auch wenn der Franzose sogar noch vom Podium fiel, waren sich alle einig: Julian Alaphilippe kann irgendwann die Tour de France gewinnen. Doch wird es in diesem Jahr soweit sein? Vermutlich nicht. Selbst Sportdirektor Tom Steels erwartet nicht erneut eine solche Meisterleistung seines Schützlings: „Für Julian wird es sehr schwer, die Erfolge des letzten Jahres zu wiederholen. Aber das muss er auch gar nicht. Gemeinsam werden wir es Tag für Tag angehen und schauen, was passiert.“ Gut möglich also, dass Julian Alaphilippe bei der Tour de France 2020 gar nicht auf das Gelbe Trikot schielt, sondern auf Etappensiege und das Bergtrikot. Will er das Gepunktete, dann gewinnt er es wohl auch.
Romain Bardet: Das Gepunktete als Trostpreis?
Ähnlich wie Julian Alaphilippe könnte es auch dessen Landsmann Romain Bardet (AG2R La Mondiale) ergehen. Dieser fährt nach seinen zweiten und dritten Rängen in den Jahren 2016 und 2017 nämlich seiner Bestform hinterher. Schon im Vorjahr musste er nach enttäuschenden Leistungen seine Zielsetzungen deshalb anpassen. Statt um das Gelbe Trikot zu fahren, kletterte er ins Bergtrikot und trug es bis Paris. Auch wenn das Gepunktete für viele Fans und Fahrer das schönste Trikot des Radsports ist, so ist es für Klassementfahrer letztendlich doch nur ein Trostpreis. Bei all der Konkurrenz und der zuletzt eher schwachen Leistungen Romain Bardets ist davon auszugehen, dass das Podium in Paris in weite Ferne gerückt ist. So könnte er – quasi gemeinsam mit Julian Alaphilippe – die Bergetappen der letzten Tour-Woche als Ausreißer unsicher machen.
Thomas De Gendt: Will der Ausreißer-König mehr?
Als einer der wenigen aktiven Fahrer hat Thomas De Gendt (Lotto – Soudal) bereits Etappen bei allen drei großen Landesrundfahrten gewonnen. Stets war der Belgier dabei als Ausreißer unterwegs. Unzählige Male wurde er wieder eingeholt und seine Bemühungen waren für die Katz. Doch der mittlerweile 33-Jährige versucht es immer wieder. Und dafür wird er von den Fans geliebt. Denn Thomas De Gendt gestaltet durch seine Angriffe die Rennen spannend und vielschichtig. Oftmals überzeugt er dabei auch mit schier unmenschlicher Leistung. Während seine Begleiter nach und nach wieder vom Peloton eingesammelt werden, kämpft er sich bis zur Ziellinie durch. Diese Fähigkeiten könnten ihm eines Tages auch das Bergtrikot bei der Tour de France einbringen. Bei Paris – Nizza gewann er sie schon dreimal. Um sich das Gepunktete auch bei der Grand Boucle zu holen, muss er sich aber darauf konzentrieren. Nur im Vorbeifahren wird er gegen die interessierte Konkurrenz nicht bestehen können.
Adam Yates: Fährt er wirklich nur auf Etappensiege?
Das Team Mitchelton – Scott schickt zur Tour de France 2020 gleich drei starke Klassementfahrer. Neben Mikel Nieve und Esteban Chaves bekommen wir auch Adam Yates zu sehen. Der Australier wurde 2016 als bester Nachwuchsfahrer Vierter der Frankreich-Rundfahrt. Insgesamt hinkt er seinem Zwillingsbruder Simon aber etwas hinterher. Das soll sich jetzt ändern. Simon Yates nämlich gewann im Vorjahr scheinbar spielend leicht zwei Bergetappen. Adam Yates soll ihm dies nun gleichtun. Während die Sportliche Leitung betonte, dass man bei der Tour de France 2020 nur auf Etappensiege schiele, fragen wir uns, ob dies auch im Interesse der Fahrer ist. Oder ist alles nur ein Bluff? Klar ist: Sollte Adam Yates sich tatsächlich früh einen großen Rückstand einfangen und auf das Bergtrikot gehen, hat er sehr gute Chancen es sich zu holen. Der Brite besitzt bergan über die nötige Explosivität, um es auch mit einem Julian Alaphilippe aufnehmen zu können.
Warren Barguil: Kann er zur alten Leistungsstärke zurückfinden?
2017 war das Jahr von Warren Barguil. Damals gewann der Franzose zwei Etappen, die rote Rückennummer und das Bergtrikot der Tour de France. Danach wechselte er von Sunweb zu Arkéa – Samsic und leistungstechnisch ging es rapide bergab. Durch das französische Wildcard-Team scheint nun aber ein Ruck gegangen zu sein, nachdem Nairo Quintana verpflichtet wurde. Während der Kolumbianer um Gelb kämpfen will, soll Warren Barguil ihn dabei unterstützen. Ganz selbstlos wird der Franzose aber nicht agieren müssen. Erhält er seine Freiheiten, kann er in Topform noch immer die härtesten Bergetappen abschießen – und das Bergtrikot holen. Die Teamleitung weiß das und wird ihn daher nicht an die kurze Leine nehmen. Die Frage ist nur: Kann Warren Barguil zur alten Leistungsstärke zurückfinden?