Radsport: Im zweiten Teil unserer Teamvorstellung zur Tour de France 2022 widmen wir uns all denjenigen Mannschaften, welche sich Hoffnungen aufs Podium in Paris machen.
UAE
Alle für einen heißt es auch in diesem Jahr im UAE Team Emirates. Tadej Pogacar möchte seine dritte Tour de France in Folge gewinnen und es scheint nicht wirklich jemanden zu geben, der dies dem Slowenen streitig machen könnte. Im Hochgebirge kann er vor allem auf die Hilfe des Polen Rafal Majka, des Spaniers Marc Soler, des US-Amerikaners Brandon McNulty und des Neuseeländers George Bennett bauen. Für die zahlreichen Kilometer in der Ebene und auf leicht welligem Terrain hat UAE den Norweger Vegard Stake Laengen und den Dänen Mikkel Bjerg nominiert. Da Matteo Trentin positiv auf das Coronavirus getestet wurde, hat man außerdem den Schweizer Marc Hirschi mit ins Aufgebot genommen. Er gilt als einer der besten Puncheur der Welt, muss sich mit seiner Rolle als Helfer für Pogacar aber erst noch abfinden.
Prognose: Im Team UAE gibt es nur ein Ziel: Toursieg mit Tadej Pogacar! Und man wird alles daran setzen, dieses Ziel erneut zu erreichen. Deshalb gibt es in dieser Mannschaft einen Kapitän und sieben Helfer – ohne wenn und aber. Wird alles nach Plan laufen, wird Tadej Pogacar erneut die Tour de France gewinnen – und ganz nebenbei wohl noch die ein oder andere Etappe.
Jumbo – Visma
Jumbo – Visma schickt das wohl insgesamt stärkste Team an den Start. Mit Primoz Roglic und Jonas Vingegaard hat man gleich zwei Mitfavoriten auf den Toursieg im eigenen Aufgebot. Während der Däne im vergangenen Jahr Zweiter wurde, gelang dies dem Slowenen vor zwei Jahren. Diesmal soll aber einer von ihnen ganz oben auf dem Podium in Paris Platz nehmen. Damit das gelingt, haben die Teamchefs eine wahre Berg-Armada nominiert. Sepp Kuss aus den USA, Steven Kruijswijk aus den Niederlanden und Tiesj Benoot aus Belgien könnten bei einigen anderen Teams den Kapitänsstatus inne haben. Bei Jumbo – Visma jedoch werden sie über drei Wochen hinweg ihren Chefs zuarbeiten und eigene Ambitionen hinten anstellen müssen. Obwohl das Ziel Toursieg an erster Stelle steht, hat man das Team für die Tour de France 2022 zweigeteilt und visiert damit parallel das Grüne Trikot an. Wout van Aert hat angekündigt, die Punktewertung gewinnen zu wollen. Er bekommt mit Christophe Laporte aus Frankreich und Nathan Van Hooydonck aus Belgien zwei Fahrer mit enorm viel Kraft in den Beinen zur Seite gestellt.
Prognose: Im modernen Radsport sehen wir es selten, dass sich ein Team für zwei arbeitsintensive Ziele parallel entscheidet. Bei Jumbo – Visma traut man es sich aber zu, um Gelb und Grün fahren zu können – und das zurecht. Wout van Aert kann auch im Alleingang um Grün fahren und gleichzeitig ein Helfer für Primoz Roglic und Jonas Vingegaard sein. Die beiden wiederum können sich schonen und auf die Hilfe ihrer drei Edelhelfer in den Bergen hoffen. Fraglich nur, ob Tadej Pogacar überhaupt schlagbar ist. Aber: Das Grüne Trikot darf eigentlich nur Formsache sein.
Ineos Grenadiers
Bei Ineos Grenadiers baut man nicht nur auf eine Zweier- sondern sogar auf eine Dreier-Spitze. Eigentlich war der Brite Adam Yates als alleiniger Kapitän vorgesehen, doch ein positiver Corona-Test sorgt nun für Fragezeichen. Sein Ersatzmann Daniel Martinez aus Kolumbien wusste bei der Tour de Suisse nicht restlos zu überzeugen. Schließlich sprang dort Geraint Thomas in die Bresche. Der Brite gewann die Rundfahrt und ist nun plötzlich Kandidat Nummer eins bei Ineos Grenadiers. Bevor sich die drei Leader in den Bergen selbst überlassen werden, dürfen sie auf die tatkräftige Unterstützung von Tom Pidcock hoffen. Der Brite hat seine Qualitäten vor allem auf hügeligem Terrain, wird im Hochgebirge aber zusammen mit dem Spanier Jonathan Castroviejo versuchen, so lange wie möglich bei der Dreierspitze zu bleiben. Komplettiert wird das unglaublich starke Aufgebot von drei Profis, die ihre Qualitäten eher in der Ebene haben. Luke Rowe aus Großbritannien, Dylan van Baarle aus den Niederlanden und Filippo Ganna aus Italien werden dafür sorgen, dass die Bergfahrer im Team auch auf den Flachetappen und den Klassiker-Etappen keine Zeit verlieren. Außerdem hat man mit Ganna eigentlich mindestens einen Etappensieg im Zeitfahren schon einmal gebucht.
Prognose: Ineos Grenadiers hat dank seiner Dreierspitze die Chance, das Rennen zu jederzeit auf den Kopf zu stellen. Mit frühen Attacken schon am vorletzten Berg, schlauen Relais-Stationen und immer wiederkehrenden Nadelstichen könnte man die beiden Slowenen bezwingen. Dafür müsste sich die Dreierspitze aber über die gesamten drei Wochen hinweg auf einem Top-Niveau befinden.
Ag2r – Citroën
Dank Ben O’Connor befindet sich die Mannschaft Ag2r – Citroën in diesem zweiten Teil unserer Teamvorstellung. Der Australier gewann im vergangenen Jahr eine Etappe und wurde Gesamtvierter der Tour de France. Danach jedoch wurde es etwas still um ihn. Die guten Ergebnisse aber blieben nicht aus. Er wurde in chronologischer Reihenfolge Siebter bei der Ruta del Sol, Sechster bei der Katalonien-Rundfahrt, Fünfter bei der Tour de Romandie und Dritter beim Critérium du Dauphiné. Es scheint fast so, als würde er Monat für Monat immer besser in Fahrt kommen. Zweifelsohne hat er aber das wohl schwächste Team aller Mitfavoriten auf das Podium. Mit den Franzosen Aurélien Paret-Peintre, Geoffrey Bouchard und Mikaël Cherel hat er aber immerhin drei Helfer für das Hochgebirge – wenn diese wohl auch nicht bis zuletzt an seiner Seite bleiben können. Ansonsten besteht das Aufgebot größtenteils aus Etappenjägern. Der Luxemburger Bob Jungels mag die Klassiker ebenso wie die Belgier Stan Dewulf und Oliver Naesen. Gut möglich, dass wir sie in der ersten Woche bereits in der Offensive sehen. Der Franzose Benoît Cosnefroy ist eine der Entdeckungen der vergangenen Jahre. Auf welligem Parcours ist er immer für eine Attacke gut. Ihm wäre ein Etappensieg in der zweiten oder dritten Woche zuzutrauen.
Prognose: Ben O’Connor ist eine Wundertüte. Obwohl er seit seiner starken Leistung bei der Tour de France 2021 immer konstant gut gefahren ist, traut man ihm irgendwie nicht so wirklich das Podium zu. Letztendlich ist sein Abschneiden für die Strategie der Mannschaft aber eher nebensächlich. So oder so wird sich Ag2r – Citroën offensiv präsentieren und hin und wieder in Gruppen zu finden sein.
Bora – hansgrohe
Die Saison 2022 ist für Bora – hansgrohe bereits jetzt ein voller Erfolg. Im Mai gewann der Raublinger Rennstall mit Jai Hindley den Giro d’Italia. Jetzt möchte man auch bei der Tour de France aufs Podium. Kandidat dafür ist Aleksandr Vlasov. Der Russe präsentierte sich zuletzt in der Schweiz in Topform. Wegen eines positiven Corona-Tests musste er die Rundfahrt als Gesamtführender aber verlassen. Fährt er nun auch in Frankreich so stark wie bisher, ist er definitiv ein ernstzunehmender Konkurrent. Unterstützt wird er im Hochgebirge vor allem von Lennard Kämna. Der frischgebackene Deutsche Meister im Zeitfahren hat sich in den vergangenen Monaten stark verbessert und darf getrost als Edelhelfer bezeichnet werden. Auch die Österreicher Patrick Konrad und Felix Großschartner, sowie der Deutsche Maximilian Schachmann werden bergauf eine große Hilfe sein. Dieses Aufgebot zeigt – und vor allem auch die Nichtnominierung von Sprinter Sam Bennett – dass man auch bei der Tour de France alles auf die Gesamtwertung setzt. Mit dem Niederländer Danny van Poppel, dem Österreicher Marco Haller und dem neuen Deutschen Meister Nils Politt hat man dennoch drei Fahrer für die Ebene mit dabei.
Prognose: Die Nichtnominierung von Sam Bennett ist für Bora – hansgrohe ein großes Risiko. Befindet sich Aleksandr Vlasov nämlich nicht in Topform, kann die Tour de France zum Fiasko werden. Der Raublinger Rennstall hat jedoch bereits beim Giro d’Italia gezeigt, dass man dazu bereit ist, Risiken einzugehen. Ein Etappensieg muss mindestens drin sein für die einzige deutsche Mannschaft.
Movistar
Die ganze Hoffnung des Teams Movistar liegt auf den Schultern von Enric Mas. Der Spanier muss für sein Team die Kohlen aus dem Feuer holen. Mit ihm erhofft man sich in den Kampf um das Gelbe Trikot eingreifen zu können. Unterstützt wird der 27-Jährige von den starken Bergfahrern Carlos Verona und Gorka Izagirre aus Spanien, sowie dem Österreicher Gregor Mühlberger. Der US-Amerikaner Matteo Jorgenson könnte mit seinen 22 Jahren zur Entdeckung der Rundfahrt werden. Er gilt als starker Kletterer und potentieller GC-Fahrer der Zukunft. Erfahrung ins Team bringen Sprinter Albert Torres aus Spanien, der starke Zeitfahrer Nelson Oliveira aus Portugal und natürlich Imanol Erviti. Der mittlerweile schon 38-jährige Spanier wird seine 28. Grand Tour bestreiten und dürfte mit allen Wassern gewaschen sein.
Prognose: Das Team Movistar hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter heruntergewirtschaftet. Das Durchschnittsalter des Kaders wird immer höher und die Qualität der Fahrer scheint immer schwächer zu werden. Ist man früher noch mit einer starken Dreierspitze angetreten, so baut man nun auf einen einzigen Klassementfahrer, der über Rang fünf beid er Tour de France noch nicht hinaus gekommen ist. Dennoch: Enric Mas hat in Spanien gezeigt, dass er um den Gesamtsieg fahren kann. Falls er diesmal zu weit weg ist, muss der Rest des Teams auf Etappenjagd gehen – und dafür sind sie definitiv gut genug.
Groupama – FDJ
Auch Groupama – FDJ darf sich bei der Tour de France 2022 berechtigte Hoffnungen auf eine Top-Platzierung im Gesamtklassement machen. Mit David Gaudu und Thibaut Pinot kann man sogar auf eine Doppelspitze setzen. Unklar ist jedoch, ob die beiden Franzosen wirklich auf die Gesamtwertung fahren wollen, oder sich lieber auf die Etappenjagd konzentrieren möchten. Möglich wäre, dass Gaudu aufs Podium möchte und Pinot ums Bergtrikot fährt. So könnte die Mannschaft gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Und stark genug dafür wäre sie, denn mit Michael Storer aus Australien und Valentin Madouas aus Frankreich wurden zwei weitere Top-Kletterer nominiert. Der Rest des Teams sorgt für Stabilität auf den Klassikeretappen. Denn Olivier Le Gac und Kevin Geniets aus Frankreich, sowie Antoine Duchesne aus Kanada werden im Hochgebirge wohl nicht lange bei ihren Leadern bleiben können. Stefan Küng aus der Schweiz wird hoffen, im Zeitfahren seinen ersten Etappensieg bei der Tour de France einzufahren.
Prognose: Groupama – FDJ ist extrem schwer einzuschätzen, da die Form von David Gaudu nicht wirklich bekannt ist. Auch bei Thibaut Pinot wissen wir nicht, inwiefern er eine dreiwöchige Rundfahrt gesundheitlich noch gut wegstecken kann. Immer wieder bekam er zuletzt Probleme. Das wird man auch in der Teamleitung wissen, weshalb wir auf einen aktiven Auftritt der Equipe hoffen dürfen – der bestimmt auch mit einem Etappensieg belohnt wird. Alles weitere wäre Bonus.