Test / E-MTB Antrieb: In diesen Tagen stellt ZF Micro Mobility dem Fachhandel ein großes Softwareupdate für den Sachs RS Mittelmotor zu Verfügung. Mit dabei sind unter anderem zwei neue, adaptive Unterstützungsmodi, die das Ansprechverhalten des Kraftpakets deutlich verbessern sollen. Wir konnten die Software bereits testen und verraten, weshalb sich der Gang zum Händler für jeden Sachs RS Fahrer lohnen dürfte.
Softwareupdates für E-Bike Motoren bzw. Antriebe sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. In den meisten Fällen beheben die Hersteller dadurch kleine Probleme, manchmal werden auch Features ergänzt und gerade zu Beginn des Produktkzyklus wird schon auch mal an der Motorabstimmung nachgebessert. Entsprechend erregte die Ankündigung auf der Eurobike, der Sachs RS würde noch 2023 ein Softwareupdate erhalten, keine allzu große Aufmerksamkeit – auch bei uns nicht. Wer hätte schon ahnen können, dass eben dieses Update dem Motor frisches Leben einhaucht und ihn tatsächlich auf ein neues Level heben kann?
Kraftpaket Sachs RS: 700 W Leistung, 112 Nm bei 3,6 kg Gewicht
Der Sachs RS war bis dato vor allem durch seine hohe Leistung und seine enorme, ja einzigartige Beschleunigung bekannt. Seitdem der Motor vor einigen Jahren auf den Markt kam, ist dieser Punch beim Anfahren quasi einzigartig. Das zeigen schon allein die technischen Daten: 112 Nm maximales Drehmoment, rund 700 W Maximalleistung. Da kann allenfalls noch der betagte TQ HPR120s mithalten, wie auch die Messungen bei uns auf dem Prüfstand zeigen. Wobei selbst das Kraftpaket von TQ nicht an die Beschleunigung des Sachs RS heranreicht.
E-MTB Motoren und Antriebe 2022 im Test: Sachs RS
Produktnews / E-MTB: Im Rahmen unseres großen Motoren-Checks für die Saison 2022 werfen wir heute einen Blick auf den Sachs RS Mittelmotor. Neben den technischen Daten haben wir auch Laborwerte vom Prüfstand für die Leistung und Reichweite des E-MTB Antriebs. E-MTB Motoren und Antriebe 2022 im Check Für den Saisonstart 2022 werfen wir einen detaillierten […]
So viel Power hat jedoch natürlich auch Nachteile. Da wäre zum einen die Leistungsaufnahme, die entsprechend hoch ist – jedoch relativiert sich dies auch dadurch, dass der Sachs RS in den sparsameren Unterstützungsstufen schon ebenso kräftig unterwegs ist wie die meisten anderen Mittelmotoren. Nicht relativieren lassen sich dagegen Abmessungen und Gewicht. Letzteres liegt mit ca. 3,5 kg gut ein halbes Kilogramm über der Konkurrenz. Gerade für E-Mountainbiker wog jedoch ein anderer Makel des Sachs RS deutlich schwerer: Beim Ansprechverhalten und vor allem auch bei der Dosierbarkeit im technischen Gelände konnte er den meisten anderen Mittelmotoren der Konkurrenz nicht das Wasser reichen.
Adaptive Modi für besseres Ansprechverhalten und mehr Modulation
Dieser Schwächen bei der Modulation war man sich auch bei ZF Micro Mobility, dem Mutterkonzern hinter dem Sachs RS, bewusst. In den vergangenen Monaten hat man dort deshalb heimlich, still und leise hinter den Kulissen an einer neuen Software gearbeitet, um dies anzugehen. Das ist tatsächlich ungewöhnlich – schließlich konnte sich der Sachs RS trotz seiner Schwächen durchaus viele Freunde machen.
Das Resultat dieser Entwicklung wird nun in diesen Tagen als Softwareupdate für alle bestehenden Sachs RS Motoren veröffentlicht. Im Rampenlicht stehen hierbei vor allem zwei neue, adaptive Unterstützungsstufen. Ähnliches kennen E-Mountainbiker bereits vom eMTB Modus bei Bosch oder auch von der Trail Unterstützungsstufe bei Shimano. Anstatt wie bei regulären Unterstützungsstufen einen linear wachsenden Unterstützungsfaktor auf die eingebrachte Fahrerleistung aufzuschlagen, arbeiten im Hintergrund solcher adaptiver bzw. dynamischer Unterstützungsstufen komplexe Algorithmen. Diese regeln unter Berücksichtigung verschiedener Daten wie Geschwindigkeit, eingebrachtem Drehmoment und Kadenz die Motorleistung abhängig von der Fahrsituation. Das Ziel: Feinfühligkeit, Dosierbarkeit und Power unter einen Hut zu bekommen und je nach Fahrsituation den Schwerpunkt automatisch richtig setzen.
Von den vier Unterstützungsstufen des Sachs RS werden durch das Update die Stufen 2 und 3 durch diese adaptiven Modi ersetzt. Dabei sieht ZF die zweite Stufe vor allem für den etwas gemäßigteren Toureneinsatz, Stufe 3 soll dagegen vor allem sportive E-Mountainbiker ansprechen. Dabei unterscheiden sich die beiden Level lediglich bei ihrer Charakteristik, nicht bei der Maximalleistung: Letztere ist in beiden Szenarien gleich hoch und reicht bis zu den maximalen 700 W. Die beiden anderen, bekannten Unterstützungslevels bleiben erhalten.
Die Durchführung des Updates ist ausschließlich beim Fachhändler, jedoch für alle bestehenden Sachs RS Motoren möglich. Bei neu ausgelieferten E-Bikes empfiehlt es sich, im Vorfeld mit dem Hersteller abzuklären, ob die neue Software aufgespielt wurde.
Neue Sachs RS Software im Praxistest – Ein Quantensprung
Schon beim ersten Antritt in einem der beiden adaptiven Modi wird deutlich, wie groß der Unterschied zu der bekannten Software bzw. den anderen Unterstützungsstufen ist. Im Blindtest hätten wir den Sachs RS so tatsächlich nicht wieder erkannt. Vor allem das Anfahrverhalten ist so viel besser geworden, dass wir kaum glauben können, noch den „alten“ Motor zu fahren. Vor allem Stufe 2 glänzt mit enorm viel Feinfühligkeit, während in Stufe 3 die Leistung doch recht schnell anliegt – in beiden Fällen lässt sich die unbändige Power des Antriebs jedoch sehr viel besser dosieren als zuvor.
Das zweite „Aha-Erlebnis“ erfolgt, sobald man etwas schneller unterwegs ist und/oder mehr in die Pedale tritt: Hier zeigt sich, dass der Sachs RS nichts von seiner Leistung eingebüßt hat. Mit enormem Punch bringt er Bike und Fahrer an die Abschaltgrenze, die nun ebenfalls deutlich harmonischer ausfällt. Spürbar ist der Übergang natürlich nach wie vor, was aber auch an der angesprochen hohen Leistung liegt. Wird dieses zurückgenommen, nimmt man das als Fahrer recht deutlich wahr. Eine unangenehme „unsichtbare Wand“ ist jedoch nicht vorhanden.
Wirkliche Probleme hatten wir mit der neuen Software nicht. Hin und wieder war vor allem beim Anfahren ein etwas unangenehmes Ruckeln zu spüren, das wohl auf den Speichenmagnet zurückzuführen sein dürfte. Da das System hier nur einen Abnahmepunkt besitzt, kann es bei einer ungünstigen Kombination aus Kadenz, Geschwindigkeit und Leistung zu diesem unsanften Ruckeln kommen. Dieses Problem hat der Sachs RS jedoch nicht exklusiv und ist so oder so ähnlich auch bei anderen Antrieben vorhanden.
Im technischen Gelände bewähren sich beide neuen Unterstützungsstufen und stellen einen enormen Sprung nach vorn dar. Auf einem Niveau mit Bosch oder Shimano? Das ist schwer zu sagen – jedoch spielt der Sachs RS nun tatsächlich in einer Liga mit den beiden Platzhirschen und dürfte auch für E-Mountainbiker zu einer ernsthaften Alternative werden; vorausgesetzt, man findet das Kraftpaket künftig an mehr Rädern. Derzeit sind es vor allem Nox und Storck die entsprechende E-Mountainbikes im Programm haben.
Auch abseits des technischen Geländes zeigt die adaptive Unterstützung ihre Vorteile: Als Automatik macht sie eine hervorragende Figur auf Forstautobahnen. Nie hat man das Gefühl, zu wenig oder zu viel Power zu haben. Super Sache.
Bekannte Defizite bei Bedienung und Lautstärke
Ganz ohne Fehl und Tadel ist der Sachs RS natürlich auch nach dem Update nicht. Das Gewicht hatten wir bereits angesprochen und auch bei der Lautstärke hat sich nichts getan. Während der Motor in der Abfahrt erfreulicher Weise nicht klappert, quittiert er seine Arbeit bergauf in allen Unterstützungsstufen mit einem deutlich wahrnehmbaren Summen. Während daran wohl auch künftig nichts zu machen sein wird, hoffen wir dagegen auf ein Upgrade bei Display und Bedienteil. Die EOX Remote aus dem Hause Sigma ist zwar noch in Ordnung, hier haben andere Antriebe inzwischen jedoch bessere Lösungen an Bord.
Insgesamt landet ZF mit dem Softwareupdate für den Sachs RS jedoch einen echten Volltreffer, den wir so nicht erwartet hätten. Wir können jedem Sachs RS Fahrer den Gang zum Händler nur wärmestens ans Herz legen – es lohnt sich!