Radsport: In der ersten Ausgabe unserer Teamvorstellung zur Tour de France 2024 haben wir uns acht Top-Teams herausgepickt und deren Ambitionen unter die Lupe genommen. Heute widmen wir uns den restlichen 14 Mannschaften. Auch sie können Top-Fahrer vorweisen und werden diese Frankreich-Rundfahrt prägen.
Decathlon AG2R La Mondiale
Der Österreicher Felix Gall war einer DER Aufsteiger in der vergangenen Saison. Mit seinen nun 26 Jahren startet er nun als Kapitän in seine zweite Tour de France. Als Etappensieger und Gesamtachter 2023 will er jetzt noch mehr. Er hat sehr intensiv an seinen Zeitfahr-Skills gearbeitet, hat dort aber immer noch Defizite zu seinen Kontrahenten. Die Top Ten aber dürften erneut möglich sein. Dorian Godon und Sam Bennett werden bei den Sprintankünften um Etappensiege fahren. Paul Lapeira – einer der Aufsteiger in dieser Saison – hofft auf hügeligem Terrain auf freie Fahrt.
Alpecin – Deceuninck
Die Behauptung, dass der Erfolg der Mannschaft Alpecin – Deceuninck vor allem auf zwei Fahrern beruht, ist längst als Märchen widerlegt. Dennoch werden auch bei der Tour de France 2024 die Augen vor allem auf die zwei Stars der Mannschaft gerichtet sein. Jasper Philipsen gilt noch immer als schnellster Sprinter der Welt. Unterstützt von Mathieu van der Poel kann er auch auf den schnellsten Zug bauen. Der Niederländer selbst wird auf hügeligem Terrain Kapitän sein. Kommt es zu einer Sprintankunft und Philipsen ist – warum auch immer – nicht mehr mit dabei, wird Alpecin – Deceuninck wohl für Axel Laurance fahren. Der aufstrebende Franzose hat aber das Problem, dass er in der Ebene Philipsen vor der Nase hat und auf hügeligem Terrain van der Poel. In vielen anderen Teams wäre er derjenige, für den gefahren werden würde.
Arkéa – B&B Hotels
Mit Sprinter Arnaud Démare wird die französische Equipe Arkéa – B&B Hotels versuchen, Etappen im Massensprint zu gewinnen. Der erfahrene Franzose verließ nach vielen Jahren Groupama – FDJ, weil er nicht für die Tour de France nominiert wurde, Nun wird er besonders motiviert sein. Im GC könnte Kevin Vauquelin für eine Überraschung sorgen. Der 23-Jährige wusste in diesem Jahr im Zeitfahren und in den Bergen zu überzeugen. Clement Champoussin und Cristian Rodriguez werden ihn unterstützen und ggf. bei schwereren Etappen in Fluchtgruppen zu finden sein.
Astana
Weiterhin nicht zufrieden sein mit der Performance kann das Team Astana. Seit einigen Jahren fahren die in Cyan gekleideten Profis den anderen WorldTour-Teams hinterher. Sicher ist das Jahr 2024 etwas besser verlaufen als erwartet, aber große Dinge dürfen wir nun bei der Tour de France nicht erwarten. Hauptfigur ist Mark Cavendish. Er soll in den Farben der Mannschaft Astana noch einen Etappensieg holen und damit zum alleinigen Rekordhalter werden. Ihm wurden zahlreiche gute Anfahrer zur Seite gestellt, so dass er in eine gute Position gebracht werden kann. Wird es etwas bergiger, steht Alexey Lutsenko im Fokus. Der Kasache ist für einen Etappensieg oder sogar eine Top Ten Platzierung in der Gesamtwertung gut. Interessant könnte der Auftritt von Michele Gazzoli werden. Der Italiener war im vergangenen Jahr teilweise gesperrt, hat sich seitdem mit guten Resultaten zurückgemeldet.
Cofidis
Bei seiner letzten Tour de France wird Simon Geschke noch einmal versuchen eine Etappe zu gewinnen. Der 38-jährige Deutsche könnte dabei parallel auch aufs Bergtrikot fahren. Eigenen Aussagen zufolge würde er sich dafür tatsächlich interessieren. Entscheidend, ob er seinen Wunsch in die Tat umsetzen kann, wird aber direkt die erste Etappe sein. Ansonsten wird das Team Cofidis mit Guillaume Martin auf Gesamtklassement fahren wollen und Bryan Coquard wird als Sprinter vor allem bei etwas anspruchsvolleren Flachetappen der Trumpf sein. Mit Ion Izagirre und Jesus Herrada befinden sich zwei weitere Top-Kletterer im Aufgebot. An Erfahrung mangelt es Cofidis also definitiv nicht.
EF Education – EasyPost
Mit Richard Carapaz wird das Team EF Education – EasyPost versuchen um das Tourpodium zu kämpfen. Im vergangenen Jahr musste der Pechvogel aus Ecuador bereits auf der ersten Etappe aufgeben. Nun soll der gewünschte Erfolg eingefahren werden. Gute Chancen auf einen Etappensieg sollte auch Ben Healy haben. Der Ire gilt als starker Kletterer, sofern es nicht allzu lange Berge sind. Aus einer Fluchtgruppe heraus ist er immer ernst zu nehmen. Marijn van den Berg soll als Sprinter überzeugen. Und mit dem Schweizer Stefan Bissegger befindet sich auch ein Top-Zeitfahrer im Aufgebot. Komplettiert wird das Team EF von Neilson Powless, Sean Quinn, Rui Costa und Alberto Bettiol. Insgesamt blicken wir hier also auf eine sehr starke Mannschaft, die vor allem über Ausreißergruppen kommen wird.
Groupama – FDJ
Noch im letzten Jahr hat man David Gaudu zu den Top-Kandidaten für ein Tourpodium gezählt. Diese Zeiten scheinen nun vorbei zu sein. Nach sehr schwachen Monaten erwarten selbst die französischen Fans nicht mehr allzu viel von ihm. Durchaus möglich, dass er alle überrascht und doch wieder zu alter Stärke zurück findet. Falls nicht, kann er auf Etappenjagd gehen und das Bergtrikot anpeilen. Dann könnte Lenny Martinez der Mann fürs GC sein, auch wenn er unübersehbare Schwächen im Zeitfahren mitbringt. Auf hügeligem Terrain wird man die Karte Romain Gregoire spielen, der nach einem starken ersten Jahr bei den Profis noch auf den totalen Durchbruch wartet. Längst zu den weltbesten im Zeitfahren zählt Stefan Küng.
Intermarché – Wanty
Der Star von Intermarché – Wanty heißt Biniam Girmay. Der Eritreer gilt als hügelfester Sprinter, der in ganz flachen Sprints vorn rein fahren kann, aber auf schwierigeren Etappen zu den Top-Favoriten zählt. Für ihn sind beim diesjährigen Parcours der Tour de France einige Teilstücke dabei. Ist es tellerflach, baut man im Team wohl auf den zweiten Sprinter: Gerben Thijssen. Die Devise ist also klar: Bei Intermarché – Wanty möchte man einen Tagessieg einfahren. Gut dafür zu gebrauchen ist auch Georg Zimmermann. Der Deutsche liebt es auf Etappenjagd zu gehen und wird sich den ein oder anderen Tag im Kalender schon rot angestrichen haben. Parallel wird Louis Meintjes versuchen in der Gesamtwertung lange vorn dabei zu bleiben. Ist er dann in der letzten Woche noch in guter Verfassung, ist ein Top Ten Platz auf jeden Fall möglich.
Movistar
Auch das Team Movistar fährt bei der Tour de France 2024 mehrgleisig. GC-Kapitän ist wie in den Jahren zuvor Enric Mas. Der Spanier träumt vom Podium, steht bei den Experten aber nicht ganz so hoch im Kurs. Spätestens bei den Zeitfahren wird er viel Zeit einbüßen. Auf Flachetappen setzt Movistar auf Sprinter Fernando Gaviria. Doch der Kolumbianer hat in den vergangenen Monaten – fast sogar Jahren – eher weniger gezeigt. Alex Aranburu ist daher vielleicht sogar die beste Karte, die man spielen kann, wenn es um einen Tageserfolg geht. Der Spanier ist endschnell und kommt gut über die Hügel. Besonders stark verbessert hat sich zuletzt aber ein anderer: Oier Lazkano. Eigentlich als Fahrer für Eintagesrennen und Fluchtgruppen abgestempelt, hat er zuletzt sogar im Hochgebirge überzeugt.
Jayco AlUla
Im vergangenen Jahr hat Simon Yates nur knapp auf der ersten Etappe den Sieg und das Gelbe Trikot verpasst. Nur sein Zwillingsbruder Adam war besser. Auch bei der diesjährigen Tour de France ist das Maillot Jaune direkt zum Auftakt in greifbarer Nähe. Ob Simon Yates dann auf GC fahren wird oder auf Etappenjagd geht, lässt das Team offen. Definitiv ein Mann für einen Tagessieg ist Michael Matthews. Der Australier liebt die mittelschweren Etappen und wird sich daher einige Teilstücke der Tour 2024 bereits angesehen haben. Ist es tellerflach, setzt Jayco AlUla zweifelsohne auf Dylan Groenewegen. Der Top-Sprinter aus den Niederlanden träumt von einem weiteren Tour-Etappensieg. Zur Geheimwaffe könnte Chris Harper werden, der in dieser Saison beeindruckende Kletterfähigkeiten an den Tag gelegt hat.
Israel – Premier Tech
Wohl kein Team hat sich in den vergangenen zwei Jahren so sehr gesteigert wie Israel – Premier Tech. Hat man früher noch Auslaufmodelle wegen ihrem großen Namen verpflichtet – wie Froome oder Woods – so setzt man seit geraumer Zeit auf junge, aufstrebende Profis. Zur Tour de France 2024 jedoch schickt die Teamleitung eine gestandene Mannschaft. Derek Gee wird ihr Kapitän sein. Der Kanadier ist erst im vergangenen Jahr zum erfolgreichen Profi gereift, soll jetzt sogar GC-Fahrer werden. Er könnte die Sensation der kommenden drei Wochen werden. Stephen Williams fährt die beste Saison seiner Karriere. Vor allem auf hügeligen Abschnitten zählt er mittlerweile zu den weltbesten. Das Hochgebirge jedoch ist ihm zu schwer. Ebenso wie Pascal Ackermann. Der deutsche Sprinter darf endlich an der Tour de France teilnehmen.
Lotto Dstny
Der Star der Mannschaft Lotto – Dstny ist ein Sprinter: Arnaud de Lie. Der Belgier hat im Vorjahr gezeigt, welch Potential in ihm steckt. In dieser Saison hat er es – nur unterbrochen von einer Krankheit – noch einmal bestätigt. Bei Sprintankünften wird die belgische Equipe alles für ihn geben. Auch wenn es leicht hügelig ist, sollten wir mit ihm rechnen. Denn Arnaud de Lie ist kein klassischer Flachlandsprinter, sondern auch ein echter Klassikerjäger. Ebenfalls erwähnen sollten wir Maxim van Gils. Der Belgier liebt das wellige Terrain und wird bei der Tour de France 2024 daher auf einigen Etappen auf Sieg fahren können. Die Devise ist eigentlich ganz einfach: Ist es de Lie zu schwer, wird auf Van Gils gesetzt.
Uno-X Mobility
Sieben Norweger und ein Däne fahren die Tour de France 2024 für das Team Uno-X Mobility. Als zweitklassiges Team können sie keinen echten Star vorweisen. Dennoch werden sie durch ihre aktive Fahrweise die Rundfahrt bereichern. Es ist stark davon auszugehen, dass sie in nahezu jeder Fluchtgruppe vertreten sein werden, wenn wir uns nicht auf einer Flachetappe befinden. Dort nämlich haben sie mit Sören Waerenskjold und Alexander Kristoff zwei starke Sprinter zur Verfügung. Leicht hügelige Etappen wird sich Magnus Cort im Kalender angestrichen haben. Der Däne liebt ein leicht welliges Profil und ärgert dort die Teams der hügelfesten Sprinter besonders gern. Steigen die Straßen an, bauen die Norweger vor allem auf Tobias Johannessen. Er gilt als Riesen-Talent und hat dies in den vergangenen zwei Jahren auch mehrfach unter Beweis gestellt. Nun wird es Zeit für den nächsten Schritt. Diesen hat auch Johannes Kulset noch vor sich. Der erst 20-Jährige fährt seine erste Grand Tour, gilt aber ebenfalls als Mega-Talent.
TotalEnergies
Ein Belgier und sieben Franzosen treten für TotalEnergies bei der Tour de France 2024 an. Und Star der Mannschaft könnte tatsächlich der einzige Ausländer sein. Denn Steff Cras hat sich im vergangenen Jahr zu einem echten GC-Fahrer entwickelt. Die Top Ten einer Grand Tour sind für ihn möglich. Nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt muss man aber sehen, ob er schon wieder an sein Top-Leistungsniveau herankommen wird. So oder so bleibt der französischen Equipe aber nicht viel anderes übrig, als in Fluchtgruppen zu gehen. Warten sie bis zum Schluss, werden sie keine Etappe gewinnen können. Mathieu Burgaudeau ist wie gemacht für eine lange Flucht auf hügeligem Terrain. Auch Sandy Dujardin ist ein Etappensieg zuzutrauen.