Radsport: Die Experten sind sich einig. Tadej Pogacar wird den Giro d’Italia 2024 gewinnen. Noch bevor der erste Kilometer gefahren wurde, glaubt kaum jemand an ein wirklich spannendes Duell um den Gesamtsieg. Wir blicken trotzdem auf die Herausforderer des zweifachen Toursiegers – und sind gleich 7x fündig geworden.
Geraint Thomas (Ineos Grenadiers)
Mit seinen bald 38 Jahren ist Geraint Thomas mit allen Wassern gewaschen. Der Brite gewann in seiner Karriere die Tour de France, Paris – Nizza, die Tour de Suisse, das Criterium du Dauphiné und die Tour de Romandie. Beim Giro d’Italia des Vorjahres wurde er Zweiter, nur geschlagen von Primoz Roglic. Es gibt keinen Zweifel: Geraint Thomas ist einer der stärksten GC-Fahrer seiner Zeit. Und er ist ein Phänomen. Denn während seine Kontrahenten fast das gesamte Jahr über gute Ergebnisse einfahren, konzentriert sich der erfahrene Geraint Thomas auf nur ein einziges Saisonhighlight – und das ist der Giro d’Italia. Schon im vergangenen Jahr hatte er vor der Italien-Rundfahrt kaum gute Ergebnisse vorzuweisen. Als es darauf an kam, war er aber voll da. Ähnliches ist auch in diesem Jahr zu erwarten. Im Kampf um einen Podiumsplatz ist mit ihm auf jeden Fall zu rechnen.
Daniel Martinez (Bora – hansgrohe)
Im Jahr 2022 gelang Daniel Martinez der Durchbruch. Bei Paris – Nizza fuhr er auf Rang drei und die Baskenland-Rundfahrt konnte er sogar gewinnen. Mit viel Euphorie startete er für das Team Ineos Grenadiers ins Jahr 2023. Doch die Erfolge blieben aus. Sein Vertrag wurde nicht verlängert. Nun sitzt er für Bora – hansgrohe im Sattel. Beim deutschen Rennstall scheint er langsam wieder zu alter Form zurückzufinden. Schon zu Saisonbeginn war klar, dass man bei Bora – hansgrohe alles auf die Karte Tour de France setzen wird. Mit Primoz Roglic, Aleksandr Vlasov und Jai Hindley werden alle drei GC-Fahrer nach Frankreich geschickt. So erhält Martinez die Chance beim Giro. Und die muss er nutzen. Ein Platz unter den Top 5 im GC ist das Mindestziel. Kommt der starke Zeitfahrer wirklich wieder in Schwung, ist er auch ein Mann fürs Podium.
Ben O’Connor (Decathlon AG2R La Mondiale)
Erst im Alter von 25 Jahren gelang Ben O’Connor als GC-Fahrer ein erster Achtungserfolg. Seitdem wird sein Name immer wieder genannt, wenn eine große Landesrundfahrt oder ein einwöchiges Mehretappenrennen ansteht. So auch beim Giro d’Italia 2024. Im Vorjahr fuhr er aufs Podium beim Critérium du Dauphiné, war dann bei der Tour de France nicht in Topform. 2022 bei der Ruta del Sol, der Katalonien-Rundfahrt, der Tour de Romandie, dem Critérium du Dauphiné und der Vuelta a Espana unter die Top acht. Der Australier zählt also zweifelsohne zu den stärksten Klassementfahrern der vergangenen zwei Saisons. Auch in diesem Jahr hat er das bereits unter Beweis gestellt, indem er Gesamtzweiter der UAE Tour wurde, Fünfter bei Tirreno – Adriatico und Zweiter bei der Tour of the Alps. Mit ihm ist beim Giro d’Italia 2024 definitiv zu rechnen.
Romain Bardet (dsm-firmenich PostNL)
Seit über zehn Jahren zählt Romain Bardet zu den stärksten Klassementfahrern des Straßenradsports. Der Franzose gewann drei Tour-Etappen, das Bergtrikot und fuhr bereits aufs Podium der Frankreich-Rundfahrt. Der WM-Zweite von 2018 ist aber noch nicht müde und in einer bestechend guten Form. Außerdem hat er eine Rechnung offen. Bei seinen zwei Giro-Starts kam er einmal nicht über Rang sieben hinaus, und das andere Mal kam er gar nicht erst ins Ziel. Der Giro d’Italia 2024 soll sein bester werden. Und die Anzeichen dafür stehen gut. Bei Lüttich – Bastogne – Lüttich fuhr er zuletzt auf Rang zwei. Bei der Tour of the Alps wurde er Gesamtfünfter. Seine Form baut sich auf, gerade rechtzeitig für die Italien-Rundfahrt. Als starker Kletterer wird er im Zeitfahren viel Zeit einbüßen. Zeigt er sich aber weiterhin bergauf so angriffslustig, könnte er trotzdem ein Kandidat für das Podium sein.
Eddie Dunbar (Jayco – AlUla)
Eddie Dunbar hatte ein herausragendes Jahr 2023. Als Gesamtsiebter des Giro d’Italia gelang ihm als GC-Fahrer endgültig der Durchbruch. Er gewann das Vertrauen seiner Teamleitung und wird auch in diesem Jahr als Kapitän in Italien an den Start gehen dürfen. Obwohl er kein Weltklasse-Zeitfahrer ist, dürften ihm die vielen schweren Berge entgegen kommen und ihm somit das Profil dieser Italien-Rundfahrt gefallen. Das Problem: 2024 läuft bislang überhaupt nicht nach seinem Geschmack. Er hat noch kein einziges gutes Resultat eingefahren und fährt seiner guten Form aus dem Vorjahr meilenweit hinterher. Durchaus möglich, dass er schon nach der ersten Woche weit abgeschlagen ist und dann auf den Etappensieg oder das Bergtrikot fahren wird. Will er beim Giro aufs Podium, muss er sich steigern – und zwar sofort.
Cian Uijtdebroeks (Visma – LaB)
Hätte man zu Beginn des Jahres eine Umfrage gestartet, wer Tadej Pogacar beim Giro d’Italia 2024 am ehesten gefährlich werden könnte, wäre die Wahl der Mehrheit wohl auf Cian Uijtdebroeks gefallen. Der erst 21-jährige Belgier fuhr bei der Vuelta a Espana auf Rang acht und gilt als eines der größten GC-Talente der Welt. Nach einem teaminternen Streit wechselte er von Bora – hansgrohe zu Visma – Lease a Bike. Da man bei der Tour de France alles für Jonas Vingegaard geben wird, erhält er beim Giro d’Italia die Chance, selbst auf das Gesamtklassement zu fahren. Doch in diesem Jahr will es bei ihm bislang einfach nicht laufen. Auf Rang sieben bei Tirreno – Adriatico folgte ein DNF bei der Katalonien-Rundfahrt. Danach ist er kein Rennen mehr gefahren, weilt stattdessen im Höhentrainingslager. Ein gutes Zeichen? Wohl kaum. Aber trotzdem ist Cian Uijtdebroeks wohl der einzige Fahrer, der Tadej Pogacar wirklich herausfordern könnte – dafür braucht er aber Topform!
Antonio Tiberi (Bahrain – Victorious)
Bei der gleichen Umfrage zu Beginn des Jahres hätte wohl kaum jemand den Namen Antonio Tiberi genannt. Jetzt allerdings – nur wenige Tage vor dem Start des Giro d’Italia 2024 – gilt der Italiener als ernstzunehmender Podiumskandidat. Der 22-Jährige wurde Achter in Katalonien und Dritter bei der Tour of the Alps. Stimmt sein Formaufbau, fährt er nun erstmals bei einer dreiwöchigen Rundfahrt unter die Top drei. Sein Talent ist unbestritten, aber teamintern ist unklar, ob er der alleinige Kapitän sein wird. Mit Damiano Caruso und Wout Poels hat er zwei Konkurrenten in der eigenen Mannschaft. Ist er stark, wird aber genau das zu seinem Trumpf, denn dann kann er auf zwei erstklassige und erfahrene Helfer an seiner Seite bauen.
Die Velomotion-Prediction zum Giro d’Italia 2024
Wir schließen uns der öffentlichen Meinung an: Tadej Pogacar wird völlig ungefährdet den Giro d’Italia 2024 einfahren. Nur ein Sturz kann ihn stoppen und diesen wünschen wir dem sympathischen Slowenen gewiss nicht. Dahinter aber wird es spannend. Viele Fahrer haben die Hoffnung, neben dem zweifachen Toursieger auf dem Podium zu stehen. Die besten Karten – rein vom Skill-Set her – hat Cian Uijtdebroeks. Doch der Belgier hat 2024 bislang rein gar nichts gezeigt, was darauf schließen lässt. Ganz anders Antonio Tiberi. Der Italiener kommt immer besser in Form, hat ein Top-Team an seiner Seite und ist in seiner Heimat motiviert. Dennoch wissen wir: Visma – Lease a Bike macht einen guten Job. Daher wird Cian Uijtdebroeks am Ende eben doch in Topform sein und sich Rang zwei sichern – vor Antonio Tiberi. Dahinter kämpft ein erfahrener Geraint Thomas gegen Ben O’Connor um Rang vier.