Radsport: Am Samstag beginnt die 111. Tour de France im italienischen Florenz. Die Aufgebote der Teams stehen fest. Wir blicken im ersten Teil unserer Teamvorstellung auf die Top-Mannschaften dieser Frankreich-Rundfahrt.
Visma – Lease a Bike
Nachdem Jonas Vingegaard die vergangenen beiden Ausgaben der Tour de France für sich entscheiden konnte, kann das einzige Ziel auch in diesem Jahr nur lauten: Erneute Titelverteidigung. Hinter der Verfassung des Dänen steht jedoch ein großes Fragezeichen. Seit seinem Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt hat er kein Rennen mehr bestritten. Die Tatsache, dass er am Start steht, macht jedoch Hoffnung. Sollte er nicht in guter Form sein, könnte Matteo Jorgenson für ihn in die Bresche sprinten. Der US-Amerikaner hat gezeigt, dass er das Zeug zu einem guten GC-Fahrer der Zukunft hat. Unterstützung in den Bergen dürfen sie sich von Wilco Kelderman, Tiesj Benoot, Bart Lemmen und Jan Tratnik erhoffen. Für mindestens einen Etappensieg und vielleicht das Grüne Trikot befindet sich Wout van Aert im Aufgebot. Mit Christophe Laporte hat er einen Top-Helfer an seiner Seite.
UAE Team Emirates
Seit Marco Pantani im Jahr 1998 den Giro d’Italia und die Tour de France gewann, ist dies niemandem mehr gelungen. In dieser Saison könnte es wieder so weit sein. Wir könnten Zeuge eines historischen Ereignisses werden, wenn Tadej Pogacar nach der Italien-Rundfahrt auch in Frankreich die Gesamtwertung für sich entscheiden kann. In diesem Jahr wirkt der Slowene schier unschlagbar. Kann er diese Form auch über drei Wochen bei der Tour zeigen, kann ihm keiner das Wasser reichen. Und sein Team strotzt nur so vor Qualität. Mit Joao Almeida, Juan Ayuso und Adam Yates befinden sich mindestens drei Kollegen im Aufgebot, die ebenfalls aufs Podium einer Grand Tour fahren könnten. Pavel Sivakov und Marc Soler sind mindestens Fahrer für die Top 10. Im Hochgebirge wird das UAE Team Emirates also kaum zu schlagen sein. Nils Politt wird für die Arbeit in der Ebene gebraucht und Tim Wellens rundet als Hügel-Spezialist das unglaublich starke acht Mann-Aufgebot ab. Gab es jemals einen so gut besetzten Kader? Vermutlich nicht.
Bora – hansgrohe
Das Gelbe Trikot hat das Team Bora – hansgrohe schon mehrfach getragen. Auch im vergangenen Jahr durften wir das Maillot Jaune auf den Schultern von Jai Hindley bewundern. In dieser Saison jedoch wird der Australier lediglich als Helfer in die Grand Boucle starten. Neuer Kapitän im deutschen Rennstall ist Primoz Roglic. Als einer der besten GC-Fahrer der vergangenen zehn Jahre gewann er unter anderem den Giro d’Italia und die Vuelta a Espana. Nun soll endlich der Tour-Sieg her – für Bora und Roglic. Unterstützt wird er in den Bergen zusätzlich von Aleksandr Vlasov. In der Ebene und auf leicht hügeligem Terrain stehen ihm Marco Haller, Bob Jungels, Matteo Sobrero, Nico Denz und Danny van Poppel mit all ihrer Erfahrung zur Seite. So wie wir Bora – hansgrohe kennen, werden diese Fahrer aber hin und wieder auch eigene Ambitionen verfolgen dürfen. So könnte van Poppel zum Beispiel in einem Massensprint sein Glück versuchen oder Denz in einer Fluchtgruppe auf Etappensieg fahren. Insgesamt ist das Aufgebot von Bora – hansgrohe als sehr stark einzuschätzen, wobei sie im Hochgebirge etwas schwächer besetzt sind als die Top-Konkurrenten. Dafür haben sie für die Ebene aber einen deutlich stärkeren Kader nominiert.
Ineos Grenadiers
Das britische Team Ineos Grenadiers geht gleich mit drei potentiellen Kapitänen in die Tour de France 2024. Egan Bernal gewann hier in Frankreich 2019 seine erste Grand Tour. Geraint Thomas war 2018 erfolgreich. Mit ihrer Erfahrung sollten sie eigentlich zu den Top-Anwärtern auf den Titel zählen. Bernal aber ist nach seinem schweren Unfall noch nicht wieder ganz der Alte und Thomas ist bereits 38 Jahre alt und hat den Giro in den Beinen. Kapitän von Ineos Grenadiers wird in diesem Jahr daher vermutlich Carlos Rodriguez sein. Im Vorjahr gewann er hier ein Teilstück und wurde Fünfter im GC. Eine weitere große Hilfe in den Bergen könnte Laurens de Plus sein. Der Belgier hat sich zuletzt enorm stark präsentiert und könnte einen weiteren Schritt in seiner Entwicklung gemacht haben. Komplettiert wird das Aufgebot durch eine ordentliche Portion Erfahrung und viel Qualität in der Ebene. Michal Kwiatkowski, Jonathan Castroviejo, Thomas Pidcock und Ben Turner sind Fahrer, auf die man sich immer verlassen kann. Gerät das GC-Podium außer Reichweite, kann jeder in diesem Aufgebot auf Etappensieg fahren. Die Fähigkeiten dafür hätten sie jedenfalls.
Soudal – Quick-Step
Alle für Einen heißt es auch im Team Soudal – Quick-Step. Remco Evenepoel soll bei der Tour de France 2024 mindestens das Podium erreichen. Viele Experten bezweifeln jedoch, dass der Belgier dazu in der Lage sein wird. Sein Teamchef aber glaubt an ihn. Mit Mikel Landa hat man ihm einen Top-Bergfahrer zur Seite gestellt, der extra für diese Rolle unter Vertrag genommen wurde. Auch Jan Hirt kann im Hochgebirge eine große Hilfe sein, so fuhr er beim diesjährigen Giro d’Italia immerhin auf Rang acht in der Gesamtwertung. Auch die beiden Belgier Louis Vervaeke und Ilan van Wilder sind eine große Hilfe, wenn es bergan geht. Der zuletzt genannte dürfte bei allen hügeligen Ankünften sogar ein Kandidat für de Tagessieg sein. Komplettiert wird das starke Aufgebot von Casper Pedersen, Yves Lampaert und Gianni Moscon. Sowohl der Däne, als auch der Belgier und der Italiener sind in der Ebene für ihren Kapitän zuständig, können aber auch selbst auf Etappenjagd gehen, wenn sie entsprechende Freiheiten genießen dürfen.
Bahrain – Victorious
Mit einer gewohnt starken Mannschaft wird auch das Team Bahrain – Victorious in die Tour de France 2024 starten. Einen klaren Kapitän gibt es nicht, auch wenn die Teamleitung Santiago Buitrago auf Gesamtklassement fahren lässt. Auch Wout Poels, Pello Bilbao und Jack Haig haben das Zeug dazu, bei einer Grand Tour in die Top Ten zu fahren. Allerdings wird man einem Etappensieg wohl einen höheren Wert beimessen und ihnen daher viele Freiheiten für Fluchtgruppen gewähren. Gleiches könnten Matej Mohoric und Fred Wright in Angriff nehmen, wenn die Etappenprofile leicht wennig und nicht zu bergig sind. Ist es tellerflach, wird man sich zurückhalten und den Sprint für Phil Bauhaus vorbereiten. Wichtigster Mann für ihn dürfte Landsmann Nikias Arndt sein.
dsm-firmenich PostNL
Etappenjagd – so lautet das Motto auch bei der niederländischen Equipe dsm-firmenich PostNL. Während Romain Bardet im Hochgebirge für einen Tagessieg gut ist und Warren Barguil sogar aufs Bergtrikot fahren könnte, wird Fabio Jakobsen in den Massensprints der Trumpf sein. Der erfahrene John Degenkolb fungiert als Road-Captain. Nils Eekhoff und Bram Welten sind für die Sprintvorbereitung enorm wichtig. Besonders gespannt sein dürfen wir auf Franck van den Broeck und Oscar Onley. Sowohl der Niederländer, als auch der Brite, bestreiten ihre erste Tour de France. Zumindest Onley ist ein gutes Resultat zuzutrauen. Kann er von Beginn an vorn mithalten, wird er vielleicht sogar auf GC fahren dürfen. Für ihn jedenfalls ist die Zeit gekommen, vom Talent zum vollwertigen Fahrer zu reifen.
Lidl – Trek
Eigentlich hätte für Lidl – Trek Tao Geoghegan Hart als Kapitän an der Tour de France 2024 teilnehmen sollen. Doch der Brite wird einfach vom Pech verfolgt und verpasst die Frankreich-Rundfahrt verletzungs- bzw. krankheitsbedingt. Seine Rolle als Kapitän wird nun Giulio Ciccone einnehmen. Der Italiener könnte bei der Tour auf die Gesamtwertung fahren, oder – falls er sich bereits früh einen größeren Rückstand einhandelt – das Bergtrikot und Etappensiege anpeilen. Carlos Verona, Julian Bernard und Toms Skujins sind wie gemacht für Fluchtgruppen. In den Bergen und auf hügeligen Teilstücken werden wir sie sicher nicht nur einmal in der Offensive zu Gesicht bekommen. Die größte Chance auf einen Etappensieg für Lidl – Trek bietet aber Mads Pedersen an. Der Däne wird von Jasper Stuyven, Tim Declerq und Ryan Gibbons unterstützt. Auf tellerflachen Teilstücken wird es Pedersen zwar gegen die Sprinter-Konkurrenz schwer haben, aber auch in diesem Jahr haben die Veranstalter einige Etappen für seinen Fahrertypen mit ins Programm genommen. Dort wird er als Favorit am Start stehen und mit seiner Mannschaft versuchen, dieser Rolle gerecht zu werden.