Test: Das VOTEC VX ist der MTB-Dauerbrenner im Portfolio des süddeutschen Herstellers. Angesichts der ausgewogenen Geometrie, der durchdachten Ausstattung und des günstigen Preises ist der Erfolg des 29er-Fullies keine Überraschung. Die Grundzutaten bleiben auch im Jahr 2016 erhalten; in unserem Test zeigte sich, dass das auch gut so ist, denn das VX Pro ist ein gutmütiges Allroundtalent zum fairen Preis.
VOTEC VX Pro: Rahmen und Hinterbau
Der Rahmen des VOTEC VX Pro wird von den Schwaben in seiner Grundform schon seit einigen Jahren verwendet. Man setzt bei allen Ausstattungs- bzw. Modellvarianten auf einen Rahmen aus Aluminium, der Hinterbau ist ein klassischer Viergelenker mit Horstlink. Die Formsprache und das Gesamtdesign sind äußerst gelungen: Selbst die mächtige Dämpferwippe fügt sich schön in das Gesamtbild ein und die in unserem Fall glänzend-graue Lackierung mit dezenten, mattschwarzen Elementen und Decals verleiht dem Bike eine wertige Optik.
Ein Thema an dem sich auch Jahre nach der Etablierung noch immer die Geister scheiden ist die Zugverlegung: Im Falle des VOTEC setzt man (von Reverb und optionalem Umwerfer abgesehen) auf eine Verlegung außen am Rahmen, genauer gesagt unterhalb des Unterrohrs. Klar: Intern verlaufende Hüllen schauen gut aus, erschweren aber nicht nur die Wartung, sondern neigen bei fast allen Modellen früher oder später auch zum Klappern. Die Platzierung unter dem Unterrohr ist optisch unauffällig und wir hatten während des gesamten Testzeitraums auch keine Probleme bezüglich Beschädigungen durch Steinschläge oder Aufsetzer.
Mit 135mm Federweg im Hinterbau, 140mm an der Front und den großen 29″ Laufrädern scheint der VOTEC-Sprössling perfekt in die Kategorie der modernen Trailbikes zu passen: Weshalb das nur die halbe Wahrheit ist, darauf kommen wir gleich beim Blick auf die Geometrie zu sprechen. Wirklich gelungen finden wir jedenfalls die vielseitigen Montagemöglichkeiten des Rahmens: Auch wenn er in unserem Fall mit 11-fach Gruppe von SRAM und ohne Umwerfer kommt, können 2-fach Fahrer hier problemlos per Direct Mount nachrüsten. Positiv ist auch die großzügige Reifenfreiheit: Im Hinterbau haben 2,4″ Reifen problemlos Platz – auch bei breiten Felgen. Viele werden ebenso die Montagemöglichkeit für einen Flaschenhalter begrüßen, in dem bei unserem L-Rahmen sogar eine große Flasche Platz fand.
VOTEC VX Pro: Geometrie
Wie bereits erwähnt hat das VOTEC VX Pro schon das eine oder andere Jahr auf dem Buckel – das wird vor allem beim Blick auf die Geometrie-Daten erkennbar. Um es jedoch vorweg zu nehmen: Dass das 29er-Fully nicht ganz am Puls der Zeit liegt erweist sich während des Tests auch als positiv, da es vielerorts längst in Vergessenheit geratene Allmountain-Tugenden an den Tag legt.
VOTEC VX Pro Geometrie
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 425 | 450 | 480 | 530 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 570 | 595 | 615 | 635 |
Steuerrohr (in mm) | 100 | 100 | 110 | 125 |
Kettenstrebe (in mm) | 451 | 451 | 451 | 451 |
Radstand (in mm) | 1131 | 1156 | 1177 | 1199 |
Lenkwinkel (in °) | 68.5 | 68.5 | 68.5 | 68.5 |
Sitzwinkel (in °) | 74.5 | 74.5 | 74.5 | 74.5 |
Reach (in mm) | 395 | 420 | 437 | 454 |
Stack (in mm) | 621 | 621 | 630 | 644 |
Am auffälligsten beim Blick auf die Abmessungen des Rahmens sind die langen Kettenstreben und der damit verbundene auch sehr lange Radstand. Das liegt nicht unbedingt im Zeitgeist, wo der Trend hin zu ultrakurzen Kettenstreben geht – selbst Längen von unter 430mm sind bei 29″ keine Seltenheit mehr – gerade bei modernen Trailbikes. Man erhält damit ein äußerst agiles Fahrverhalten und verspielte Trailraketen, erkauft sich dies jedoch durch Einbußen in anderen Bereichen. So neigen Bikes mit kurzen Kettenstreben zu einem etwas nervöseren Handling und bei steilen Uphill-Passagen steigt das Vorderrad recht schnell. Mit seinen 451mm langen Streben steht das VX also eher für Laufruhe denn für Agilität: Vor allem für etwas weniger versierte Fahrer dürften sich die positiven Eigenschaften eher bemerkbar machen als die Einbußen.
Der eher kurze Reach ergänzt sich gut mit den sonstigen Eigenschaften: So kommt trotz des langen Radstands ein nicht zu sperriges Fahrgefühl auf und das Rad wirkt dennoch kompakt. Der 68.5° Lenkwinkel ist ein guter Mittelweg zwischen Uphill und Downhill und der steile Sitzwinkel verspricht effektiven Vortrieb.
VOTEC VX Pro: Ausstattung
Rahmen | VOTEC VX AL6061-T6 |
Federgabel | Rock Shox Pike RC 140mm |
Dämpfer | Rock Shox Monarch RT3 DebonAir |
Laufräder | Easton Heist 27-29" |
Reifen VR | Schwalbe NobbyNic 2,35" Evo Trailstar |
Reifen HR | Schwalbe RockRazor 2,35" Evo PaceStar |
Schaltwerk | SRAM GX1 Type 2.1 |
Schalthebel | SRAM GX1 11-fach |
Kurbel | Race Face Aeffect 28t |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Shimano SLX M675 |
Bremsscheiben | Shimano IceTech 203/180mm |
Sattelstütze | Rock Shox Reverb Stealth |
Sattel | Ergon SME30 Evo |
Vorbau | Race Face Turbine Basic |
Lenker | LevelNine team Flat 760mm |
Die UVP von 2.599€ sind für ein Rad mit dem Einsatzgebiet des VOTEC VX Pro durchaus günstig – wer deshalb jedoch billige Anbauteile oder schmerzhafte Kompromisse bei der Ausstattung erwartet, irrt: Hier hat man im Schwabenland einen hervorragenden Job gemacht und ein Gesamtpaket geschnürt, das wohl für den aufgerufenen Preis (fast) konkurrenzlos ist. Beim Antrieb setzt man auf die 11-fach Einstiegsgruppe SRAM GX mit 10-42 Kassette und einem 28 Zähne Kettenblatt. Man bekommt damit also einen auch für weniger trainierte Beine noch angenehmen Berg-Gang von 28-42 und kann dennoch bis ca. 30km/h angenehm mittreten. Verarbeitung und Schaltperformance sind wie von SRAM gewohnt auf hohem Niveau, besonders die knackigen Schaltvorgänge gefallen.
Mit der Rock Shox Pike kommt an der Front die Allzweckwaffe schlechthin zum Einsatz: Auch wenn diese schon das eine oder andere Jährchen auf dem Buckel hat, kann sie dank eines sehr guten Kompromisses zwischen Gewicht, Performance und Steifigkeit noch immer mit den besten Gabeln in dieser Klasse mithalten. Die RC-Variante im VX Pro besitzt eine externe Zugstufen-Regelung und auch die Druckstufe lässt sich an der Gabelkrone fein gerastert zwischen ganz offen und Lockout anpassen. Auch der Dämpfer kommt aus dem Hause Rock Shox: Hier verbaut VOTEC den Monarch als RT3 Variante mit der großen DebonAir Luftkammer. Die Druckstufe lässt sich per Daumenhebel in drei Stufen (offen / Plattform / zu) einfach anpassen und dank DebonAir sollte der Monarch noch etwas feinfühliger ansprechen als zuvor. Dass man sich gegen die potentere Plus-Variante mit Piggyback entschieden hat, macht angesichts des angepeilten Einsatzbereichs durchaus Sinn, schließlich ist das VX kein Race-Enduro sondern eher ein potenter Trail-Tourer.
Positiv überrascht waren wir von den Easton Heist 27 Laufrädern. Diese bringen weniger als 1.850g auf die Waage und halten dank einer Innebreite von 27mm auch 2,4″ Reifen sicher mit guter Traktion. Mit entsprechendem Felgenband und Ventilen lässt sich der Satz auch problemlos auf Tubeless umrüsten. Apropos Traktion: Auch bei den Reifen hat man sich im Hause VOTEC einige Gedanken gemacht und spect das VX mit dem NobbyNic als gripstarke Trailstar Variante am Vorderrad und dem Semislick RockRazor als PaceStar mit wenig Rollwiderstand.
Bei den Bremsen vertraut man auf bewährte Power und Zuverlässigkeit von Shimano. Die verbauten SLX M675 Stopper zählen nicht umsonst zu den wohl beliebtesten Scheibenbremsen der letzten Jahre und bieten mit den IceTech Scheiben (203/180mm) mehr als genügend Reserven auch bei langen Abfahrten. Nicht fehlen darf natürlich auch eine Variostütze: Die Reverb Stealth kommt mit 125mm Verstellweg, lediglich bei Rahmengröße S wird die 100mm-Variante verbaut.
Auch bei den Anbauteilen hat man nicht gespart: Sattel und Griffe kommen von Ergon, Kurbel und Vorbau vom kanadischen Hersteller RaceFace. Lediglich beim Lenker setzt man auf die Hausmarke LevelNine. Etwas ungewöhnlich, dass letzterer als Flatbar gänzlich ohne Rise kommt – zumal der Stack des VX auch nicht besonders groß ist. So erhält man eine recht tiefe Front, die wahrscheinlich nicht Jedermanns Sache ist: Aber Lenkerwahl und -ergonomie sind ohnehin höchst individuelle Angelegenheiten.
VOTEC VX Pro: Auf dem Trail
Die Zutaten für ein schmackhaftes Trail-Dinner stimmen also, doch mundet das VX Pro auch in der Praxis? Mit einem Wort: Ja! Positiv macht sich direkt auf den ersten Metern die Sitzposition „im“ Rad bemerkbar. Während sich auch heutzutage noch das eine oder andere 29″ MTB stelzig anfühlen, macht das VOTEC hier eine äußerst gute Figur. Ebenfalls von Beginn an gefällt der Easton Laufradsatz: Die Beschleunigung ist dank des humanen Gewichts gut und der Freilauf hat einen satten, knackigen Sound.
Nach zahlreichen Ausflügen im Gelände, vielen Höhen- und Tiefenmetern sind wir wirklich angetan vom VX Pro: Das Fahrverhalten insgesamt ist mit dem Wort gutmütig wohl am besten beschrieben; die langen Kettenstreben machen sich vor allem an steilen Kletterpassagen positiv bemerkbar – das Vorderrad bleibt jederzeit satt am Boden, ohne dass man als Fahrer sein Gewicht allzu sehr in Richtung Front verschieben muss. Der Hinterbau arbeitet nahezu wippfrei – spätestens wenn man den Dämpfer in den Plattform-Modus schaltet, ist Ruhe.
Im Downhill überzeugt das VX dann vor allem mit Laufruhe: Durch den langen Radstand hält es sicher die Spur und das potente Rock Shox Fahrwerk verzeiht auch den einen oder anderen Ausflug jenseits der Ideallinie. Klar: Mit 68,5° Lenkwinkel und dem eher kurzen Reach ist das VX ganz sicher keine Enduro-Race-Maschine und in technisch-verblocktem und sehr steilen Gelände stößt das VOTEC 29er an seine Grenzen – dafür wurde es aber schlicht auch nicht konzipiert. Auch mit engen Kehren hat es etwas Mühe und will mit viel Sorgfalt um die Kurven gezirkelt werden. Hier macht sich der lange Radstand dann doch bemerkbar. Die Reifenkombination machte fast immer eine gute Figur: Lediglich auf tiefen und nassen Böden fehlt der Schwalbe-Kombo ein wenig Grip.
Voll in seinem Element ist das VOTEC während längerer Trail-Touren in gemäßigtem Gelände. Hier fühlt sich das Rad pudelwohl und kann mit seinen Eigenschaften punkten. Insofern sehen wir im VOTEC VX Pro eher ein potentes Tourenrad denn eine verspielte Trailrakete. Es weckt Erinnerungen an ‚klassische‘ Allmountain-Bikes – eine Rad-Gattung die angesichts der jüngsten Enduro- und Trailbiketrends fast ein wenig in Vergessenheit geraten war – nach unserem Test des VX Pro fragen wir uns: Wieso eigentlich? Gerade diejenigen, die sich kein MTB für jeden Einsatzzweck leisten können oder wollen und auf der müßigen Suche nach dem einen für alles sind, sollten sich das VOTEC VX Pro ganz genau ansehen.