Canyon Spectral AL 7.0: Rahmen und Geometrie
Test: Das Canyon Spectral AL ist kein neues Rad – im Gegenteil: Wer sich für das Thema All Mountain oder Trailbike interessiert, dürfte wohl kaum umhin kommen, in den letzten Jahren bereits einmal vom Allrounder des Direktversenders aus Koblenz gehört zu haben. Klar ist aber auch, dass man sich bei Canyon nicht auf den Vorschusslorbeeren vergangener Jahre ausruht, sondern Saison für Saison kleinere und größere Updates an Rahmen und Ausstattung vornimmt und der Evergreen damit immer auf dem aktuellen Stand bleibt. 2017 kommt das Bike ausschließlich mit 27,5″ Laufrädern und 140mm Federweg im Hinterbau. Während die Standardvarianten auch an der Front mit 140er Gabeln ausgestattet sind, stecken in den Steuerrohren der abfahrtsorientierten EX-Modelle Forken mit 150mm Federweg.
Das Spectral gibt es in diesem Jahr sowohl mit Aluminium- wie auch mit Carbonrahmen. In unserem Test nahmen wir auf einem Modell mit Metallrahmen Platz. Was natürlich direkt in der ersten Sekunde auffällt, ist der knallige Rotton, den man dem Bike in diesem Jahr in einigen Ausstattungsvarianten verpasst hat. Ein wohltuender Farbklecks im grauen Allerlei der Fahrradbranche finden wir. Die Decals – so beispielsweise der bekannte großflächige Canyon Schriftzug am Unterrohr – sind in derselben Farbe gehalten und sind nur wegen ihrer leichten Erhöhung sicht- und fühlbar. Hier setzt man also voll auf Understatement. Etwas unschön ist jedoch der fehlende Lack bzw. das blanke Aluminium unter der Sattelklemme: Das wäre an und für sich nicht tragisch, hätte man hier eine durchgehende Klemme verbaut, durch die dieser kleine Makel nicht sichtbar gewesen wäre.
Von der Klemme abgesehen ist die Materialanmutung und die Verarbeitung jedoch auf sehr hohem Niveau und die klassische Linienführung hat auch 2017 nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt. Von der Leitung für die Variostütze abgesehen verlaufen die Leitungen und Züge auf der Oberseite des Unterrohrs, also nicht wie inzwischen so oft im Rahmeninneren. Daran scheiden sich jedoch auch nach wie vor die Geister: Vielschrauber dürften sich über einfachere Wartung freuen, Fans puristischer Optik stören sich vielleicht daran.
Geometrie Canyon Spectral 2017
XS | S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 365 | 395 | 440 | 480 | 520 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 538 | 566 | 596 | 627 | 659 |
Steuerrohr (in mm) | 90 | 100 | 120 | 145 | 170 |
Kettenstrebe (in mm) | 430 | 430 | 430 | 430 | 430 |
Radstand (in mm) | 1089 | 1120 | 1153 | 1188 | 1222 |
Lenkwinkel (in °) | 67 | 67 | 67 | 67 | 67 |
Sitzwinkel (in °) | 74.5 | 74.5 | 74.5 | 74.5 | 74.5 |
Reach (in mm) | 380 | 405 | 430 | 455 | 480 |
Stack (in mm) | 567 | 580 | 598 | 621 | 644 |
Bei der Geometrie macht man am Spectral keine verrückten Dinge und bewegt sich im Mittelfeld dessen, was man von einem modernen Trailbike kennt: Der Lenkwinkel fällt mit 67° weder besonders flach, noch sonderlich steil aus, der Reach liegt mit 455mm in Größe L im für unseren Geschmack optimalen Bereich und das tiefe Tretlager verweist auf die Abfahrts-Gene des Spectral. Der relativ große Stack sorgt dabei trotz aller Trailqualitäten für eine nicht allzu niedrige Sitzposition und dürfte damit insbesondere Tourenfahrern entgegenkommen.
Canyon Spectral AL 7.0: Ausstattung
Rahmen | Canyon Spectral AL |
Federgabel | FOX Performance 34 Float |
Dämpfer | FOX Performance Float DPS EVOL |
Laufräder | DT Swiss M 1650 Spline |
Reifen VR | Continental Mountain King II Protection 2.4 |
Reifen HR | Continental Mountain King II Protection 2.4 |
Schaltwerk | Shimano XT 11-fach |
Schalthebel | Shimano XT |
Kurbel | Shimano XT 34/24 |
Umwerfer | Shimano XT |
Bremse | Shimano XT |
Bremsscheiben | Shimano SM-RT86 200/180mm |
Sattelstütze | Rock Shox Reverb Stealth 125mm |
Sattel | Ergon SME3 Evo |
Vorbau | Canyon V12 |
Lenker | Canyon H15 Rise AL |
Das von uns getestete Canyon Spectral AL 7.0 kostet gerade einmal 2.799€ und zählt damit zu den günstigen hochwertigen Trailbike-Vertretern. Angesichts des doch recht niedrigen Preises bekommt man eine sehr gute Ausstattung. Das FOX Fahrwerk aus 34er Float Performance und dem DPS EVOL Dämpfer ist dem Einsatzbereich angemessen und bietet mehr als genügend Einstellmöglichkeiten, um auch fortgeschrittene Fahrer zufrieden zu stellen.
Mit dem 2-fach Shimano XT Antrieb sorgte man unter unseren Testern wieder für viele Diskussionen: Klar, das Cockpit ist voller, der Antrieb neigt in der Abfahrt zum klappern und die Schaltvorgänge sind weniger intuitiv als bei einem 1-fach Antrieb. Auf der anderen Seite kann man so für einen niedrigen Preis eine große Übersetzungsbandbreite realisieren, die gerade an einem Trailbike, das eben auch mal längere Anstiege nach oben getreten werden möchte, nicht ganz unwichtig ist. Wer doch lieber nur ein Kettenblatt hat, der kann sich stattdessen die EX Varianten de Spectral ansehen. Die Bremsen kommen ebenfalls von Shimano, ebenfalls aus der XT-Serie und bekommen mit 203/180mm Scheiben angemessene Partner zur Seite gestellt, um auch in langen Abfahrten einen kühlen Kopf zu bewahren.
Die M1650 Laufräder von DT Swiss sind in dieser Form nicht im Aftermarket erhältlich und werden speziell für den OEM Markt produziert. Im Grunde genommen handelt es sich um die bewährten M1700 Laufräder, die jedoch eine etwas leichtere Felge (30mm Innenweite) bekommen, um das Gewicht zu drücken. Einen Zahnscheibenfreilauf gibt es also nicht – angesichts des günstigen Gesamtpreises wäre dies jedoch auch eine große Überraschung gewesen. Nicht gespart hat man bei den Reifen, wo man mit dem MK II von Conti in der robusten Protection Variante einen sehr guten Allrounder verbaut, der überdies auch tubeless-kompatibel ist.
Natürlich darf auch eine Variostütze an einem Bike wie dem Spectral nicht fehlen. Hier vertraut man mit der Rock Shox Reverb auf bewährte Technik – etwas schade finden wir jedoch, dass auch in den großen Größen L und XL die Variante mit nur 125mm Hub verbaut wird. Der 760mm breite Riserlenker kommt wie der Vorbau aus Canyons eigener Produktion, Griffe und Sattel von Ergon.
Canyon Spectral AL 7.0: Auf dem Trail
Das Gesamtpaket auf dem Papier ist also ziemlich verlockend – doch die Wahrheit liegt wie bei allen MTBs im Wald, auf dem Trail, bergauf und bergab. Hier schlägt sich das Canyon Spectral ebenfalls exzellent: Die zentrale Sitzposition hilft ebenso wie der steile Sitzwinkel und der neutrale Hinterbau im Uphill. Das Trailbike aus Koblenz ist zwar keine ausgesprochene Kletterziege, schlug sich aber auf unterschiedlichem Terrain nach oben ganz beachtlich. Ob steile Rampen oder zähe Schotterstraßen: Das Vorderrad blieb immer fest am Boden und das Spectral verschlang willig Höhenmeter und Höhenmeter. Hier half natürlich auch die große Bandbreite des 2-fach Antriebs.
Nach getaner Arbeit ging es für das Spectral wie für die meisten unserer Testräder zunächst auf einen flowigen, eher flachen Trail und dann ins schwere Gelände, wo vor allem das Fahrwerk gefordert war. Beide Prüfungen meisterte das Rad mit Bravour, glänzte aber überraschenderweise vor allem im schweren Gelände, wo fast ein wenig Enduro-Feeling aufkam. Der Hinterbau ist satt und schluckt vieles Weg, lediglich bei andauernden schnellen Schlägen kommt er ein wenig aus dem Tritt. Wenn es richtig steil wird, hätte unserem Testbike in Größe L eine Reverb mit mehr Hub gut getan.
Im flowigen Gelände macht die große Agilität sehr viel Spaß und Anliegerkurven zaubern einfach nur ein Lächeln ins Gesicht. Gefühlt könnte der Hinterbau hier ein ganz klein wenig mehr Popp haben – doch das würde wohl auf Kosten des Bügeleisen-Feelings im anspruchsvollen Gelände gehen. Und irgendwo muss man eben einfach auch Kompromisse machen – auch wenn das im Falle des Canyon Spectral AL 7.0 nur sehr wenige sind.