Radsport: Auf sechs Stages kämpften am Wochenende knapp 250 Fahrer aus ganz Europa um Sekunden, Podiumsplätze und wertvolle Punkte für die Gesamtwertung der European Enduro Series presented by XS Power Drink. Am Ende gingen nach rund 5 Stunden Fahrzeit Jeromé Clementz und Raphaela Richter als Sieger hervor.
Was für ein Rennen! Die wurzligen Trails rund um Nauders am Reschenpass und jede Menge bekannte Namen im Starterfeld erwiesen sich als Garant für spannende Rennaction. Schon im Vorfeld ließen die reinen Zahlen erahnen, dass das Rennen kein Zuckerschlecken werden würde: drei Länder, vier Lifte, sechs Stages mit insgesamt 18 Kilometer Länge, 1450 Höhenmeter bergauf und gut 4000 Höhenmeter bergab. Das Ganze verteilt auf eine gut 50 Kilometer lange Runde.
Doch nicht nur quantitativ hatte das Wochenende einiges zu bieten, auch qualitativ hatten es die abwechslungsreichen Trails definitiv in sich: Während sich die erste Stage als felsige, aber flowige Achterbahn größtenteils naturbelassen ins Tal schlängelte, forderte Stage 2 die Fahrer zunächst mit einem längeren, flachen Tretstück und dann mit einer ruppigen Highspeed-Abfahrt über 700 Tiefenmeter. Auf der dritten Stage, die den Startern der Pro-Kategorien vorbehalten war, bestimmten nicht Steine, sondern vor allem Wurzeln das Bild. Gerade unter den herrschenden feuchten Bedingungen erwies sich die lange, größtenteils steile Abfahrt von der Haideralm auch für die Topfahrer als Herausforderung und sorgte für einige spektakuläre Manöver.
Nicht weniger wurzelig ging es auf der frisch fürs Rennen gebauten vierten Stage zur Sache, hier galt es durch geschickte Linienwahl und aktive Fahrweise möglichst viel Schwung für die teils flachen verblockten Passagen mitzunehmen. Da war der erste Teil der fünften Stage fast schon Erholung: Hier schossen die Fahrer zunächst schnell durch malerische Alm-Wiesen bevor es dann, durchsetzt von einigen Tretpassagen, deutlich technischer zur Sache ging. Zeit und Nerven hier die malerische Landschaft rund um den Schwarzsee zu genießen, werden wohl die wenigsten Fahrer gehabt haben. Die finale sechste Stage schlängelte sich, ebenfalls steil und anspruchsvoll unterhalb der Mutzkopfbahn hinab.
Die Fahrer nutzten den Trainingstag, um sich bestmöglich mit den langen Abfahrten vertraut zu machen – und setzten dabei auf unterschiedliche Taktiken. „Die Stages sind zu lang, um dir eine Line zu merken. Ich fahre einfach dort, wo es mich hinträgt und versuche so viel Schwung wie möglich zu behalten“, verrät Matthias Stonig (AUT – MS Mondraker). Auch André Wagenknecht (GER – Cube Action Team) zeigt sich erfahren: „Ohne Fehler kommt keiner runter, dafür sind die Stage viel zu lang. Das ist auch gut so, denn es gibt dir als Athlet die Möglichkeit, verlorene Zeit auch wieder gut zu machen“. Auch der amtierende Weltmeister Jeromé Clementz (FRA – Cannondale Over Mountain Team), der nach langer Verletzungspause wieder an den Start ging, zeigte sich von der Qualität der Trails beeindruckt und lobte zudem die Gastfreundlichkeit der Region.
Doch bevor am Sonntag die Stages im Renntempo in Angriff genommen wurden, stand am Samstagnachmittag zunächst der Prolog auf dem Programm: Auf einem rund 30-sekündigen Kurs gab es erst zwei steile Kurven zu bewältigen bevor ein leicht ansteigendes Tretstück den Fahrern die Möglichkeit bot, ihre Tretstärke unter Beweis zu stellen. Bei den Pro Men gelang dies Ludovic May (SUI – Canyon Factory Enduro Team) am besten, gefolgt von André Wagenknecht und Matthias Stonig. Mit mehr als vier Sekunden Abstand konnte Lorraine Truong (SUI – Norco-Leysin) in der Pro Women Kategorie Pauline Dieffenthaler (FRA – Cannondale Overmountain Team) und Raphaela Richter (GER – Radon Factory Enduro) auf die Plätze zwei und drei verweisen.
Erste Zeiten waren also gesetzt, doch die Entscheidung fällt natürlich erst am Renntag: Der startete zunächst verregnet. Doch bereits kurz nachdem die ersten Fahrer durchs Tor der malerischen über Nauders gelegenen Burg rollten, zeigte sich die Sonne und ließ die Region im schönsten Licht erscheinen. Trocken von oben bedeutet allerdings nicht auch trocken von unten und so änderte sich an den teils rutschigen Verhältnissen nur wenig.
Mit einer Gesamtzeit von 38:47.70 und stolzen 1:50.93 Vorsprung vorm zweitplatzierten Philip Shucksmith (GBR – Pro Ride Guides) meldete sich der EWS-erfahrene Jeromé Clementz eindrucksvoll aus seiner langen Verletzungspause zurück. Markus Reiser (GER – Focus Trail Team) wurde Dritter, gefolgt von Ludovic May (SUI – Canyon Factory Enduro Team) und Robert Williams (GBR – UK WTB Enduro Team). Ähnlich klar fiel der Sieg bei den Pro Women aus: Hier sicherte sich Raphaela Richter mit einer Zeit von 50:14.55 und damit über anderthalb Minuten Vorsprung vor Lorraine Truong das oberste Treppchen. Pauline Dieffenthaler wurde Dritte, vor Prisca Castlunger (ITA – Rideaway) und Birgit Braumann (AUT – Trek Gravity Girls).
Schnellster Master des Tages war Rüdiger Jahnel (AUT – Specialized-mountainbiker.at), der damit seine Führung aus dem Prolog verteidigen konnte. Mit rund einer Minute Abstand folgte Damiano Rossa (ITA – A.S. Dilettantistica) auf dem zweiten Platz, Thomas Schmitt (GER – www.vollblutrider.de) auf dem Dritten und Nicki Siedl (AUT) auf dem Vierten. Guido Wachter (GER) reihte sich auf dem fünften Rang ein.
Zusammenfassend kann resümiert werden, dass sich die 3-Länder Enduro Trails dieses Jahr von ihrer besten Seite gezeigt haben. Der Mix aus technisch anspruchsvollen Abfahrten, garniert mit einigen kräftezehrenden Gegenanstiegen und der insgesamt sehr langen Fahrzeit von rund 5 Stunden verlangte von den Fahrern alles ab.
Die Trails repräsentieren den Enduro Spirit und boten Racing in Reinform. Am Ende waren es die komplettesten Fahrer jeder Kategorie, die das begehrte Podium erklimmen konnten. Alle anderen waren Sieger über den eigenen Schweinehund und wurden darüber hinaus noch mit tollen Trails, beeindruckenden Ausblicken und tollen Momenten in der 3-Länder Enduro Region am Reschensee belohnt.
Manuel Baldauf, Geschäftsführer des Nauderer Toursimusverbands und somit auch Gastgeber an diesem Wochenende resümierte ebenfalls positiv: „Wir konnten im Zuge der Enduro Veranstaltung unsere besten Trails der 3-Länder Region präsentieren. Das positive Feedback freut uns sehr. Wir werden das Streckenangebot in den nächsten Monaten und Jahren konsequent weiterentwickeln und freuen uns bereits heute auf die Veranstaltung 2015!“
Das Rennen ist ein grenzübergreifendes Projekt und findet aus diesem Grunde abwechselnd in Tirol und Südtirol statt. Der Startort wird nächstes Jahr auch wieder direkt am See sein. Die European Enduro Series zieht es als nächstes nach Maribor in Slowenien, wo bereits in zwei Wochen das vorletzte Rennen der Serie ansteht. Und wieder versprechen die Eckdaten ein spaßiges Rennen mit bedeutend mehr Bergab- als Bergaufanteil. Weitere Infos und die vollständigen Ergebnisse wie immer unter enduroseries.eu.