Seit der Erstellung meines Rennkalenders im Winter war die Haute Route immer das „große Abenteuer“ im Hinterkopf gewesen. Eine Woche nur Radfahren, schwierigste Bergetappen, quer durch die Alpen, bei jedem Wetter, bewaffnet nur mit Rad und Rucksack mit 500 ebenso Verrückten diese Premiere zu erleben – beim ersten Gedanken daran kam mir schon die Gänsehaut!
Mein Partner Mavic gab mir als einer der Hauptsponsoren die Möglichkeit, an der Haute Route teilzunehmen. Wie an der Tour de France folgt Mavic dem Tour-Tross und hilft den Startern bei allen materialtechnischen Belangen. Das war meine einzige Unterstützung – doch die Jungs von Mavic mussten sich ja um 500 Starter kümmern – nicht nur im mich! Darum war das rundherum eine ebenso große Herausforderung für mich, als mich mit der Konkurrenz an den 17 Bergen zu matchen!
Bereits am Donnertag reiste ich nach Venedig, hatte so noch Zeit, mich gedanklich vorzubereiten, denn die Haute Route war mitunter das schwerste Rennen, bei dem ich bisher gestartet bin. Ich war nervös und eine gute Platzierung am Anfang war mir sehr wichtig. Dies gelang mir perfekt, als ich mich zur vor der Ankunft am Gavia Pass entscheidend absetzen konnte und gleich den ersten Tagesabschnitt für mich entscheiden konnte.
Auf der 2. Etappe durch die Dolomiten konnte ich meine Kräfte etwas schonen, um auf der folgenden Königsetappe erneut anzugreifen. Diesmal schon 80 Kilometer vor dem Ziel mit zwei Pässen noch vor Augen. Am Passo Tonale, gejagt von den Verfolgern, gab ich alles, wollte den Etappensieg am Gavia Pass und meine Führung unbedingt verteidigen. Bis zum letzten Kilometer gab ich 110 Prozent, bis ich die Info bekam, dass meine Verfolger resigniert hatten. Der Sieg war sicher und ich überwältigt.
Regen und Kälte beim Zeitfahren aufs Stilfser Joch konnten mich ebenso wenig bremsen, wie der
Ausblick auf die nächsten schweren Bergetappen in der Schweiz. Ein weiterer Tagessieg und noch mehr Selbstvertrauen waren die Erfolge des Tages. Ein wenig konnte ich mich ausruhen für die kommenden drei Etappen, von Anstiegen nur so gespickt. Von hier an war mir die Strecke nicht mehr bekannt und hinter jeder Kurve wartete eine noch schönere Perspektive.
Bei Minusgraden, Nebel aber trocken ging es weiter über die schönsten Pässe der Schweiz: Julier-, Oberalp-, Furkapass um nur einige zu nennen. Auch auf 5. Etappe hatte ich die besten Beine und die schnellsten Zeiten an den Anstiegen. Am 6. Tag kam dann die Revanche meiner Gegner, doch trotz langer solo Verfolgungsjagd rettete ich Platz 2 ins Ziel nach Crans Montana. Der Rest büßte für die Attacke und landete weit abgeschlagen im Klassement.
Die letzte Etappe – die Kür nach Genf! Mein Ziel war es, meinen Freund Roman bestmöglich zu unterstützen und mit ihm am Hinterrad möglichst viele Fahrer abschütteln. Gesagt getan – Roman kämpfte wie ein Löwe und gewann nach meiner Vorbereitung souverän die Etappe – sein größter Erfolg bisher!
Die Haute Route war für alle Starter ein Erlebnis! Wetter, Umstände und gemeinsame Leidenschaft knüpften viele Freundschaften und sorgten für bleibende Erinnerungen. Ich danke allen, die mir geholfen und meinen Start ermöglicht haben! Eigentlich als Vorbereitung gedacht, ist der Sieg wie ein Geschenk für mich – noch dazu vor den Augen Mavic ́s – eine einzige Genugtuung und große Erleichterung nach einer schwierigen Saison bis jetzt.