Ziemlich drunter und drüber ging es die letzten Tage bei mir – nach Villach war ich gleich auf mehreren Terminen in Landshut, Ingolstadt, München und zum Abschluss auch bei den Radwochen in Füssen im Einsatz. Nach einer gemütlichen 180km Runde gestern war ich direkt ins Kaunertal angereist und dementsprechend ohne große Ambitionen in das Rennen gestartet. Um genau zu sein, war ich mental noch gar nicht auf „Rennen“ eingestellt, wie immer braucht noch jeder was vor dem Start, da musste ich wieder einmal zusehen, dass ich meine eigenen Sachen noch rechtzeitig auf die Reihe brachte und rechtzeitig zum Start rollte.
Tal auswärts hieß es fleißig bremsen hinter dem Führungsfahrzeug und auch nach dem offiziellen Start in Prutz war das Tempo (zum Glück) nicht so schnell wie letztes Jahr, als Emanuel Nösig schon hier das Feld zersprengte und ich den Anschluss verlor. Dieses Jahr lief alles „kontrolliert“ – die Favoriten Ortner, Traxl und Obwaller belauerten sich und verschiedene ambitionierte Fahrer wie Patric Grüner, Martin Fritz und einige weitere machten die Tempoarbeit. Gelegentliche Fluchtversuche waren die Folge, alle ohne Erfolg, bis mein Teamkollege Stephan Schwarz mit einem Vorstoß in Feichten erfolgreich war und dem sich wenig später noch Martin Fritz und 2 weitere Fahrer anschlossen.
Den Cracks war das egal und während die in den Rampen nicht mal ins Schnaufen kamen, fühlte sich das Tempo bei mir schon recht hoch an, obwohl die Watt kaum über 400 kamen und immer wieder weit absanken. Nicht einmal im Anstieg zur Staumauer wurde die Gruppe wesentlich kleiner, dafür war das Tempo nicht hoch genug. Lediglich Andi Traxl trat kurz an, aber wohl nur zu sehen, wer nervös war und gleich hinterher ging. Das Flachstück dem See entlang fuhr ich vorne, weil keiner Lust hatte und ich rollte mit 100 Watt dahin, was der Fluchtgruppe mit Stephan einen deutlichen Vorsprung verschaffte.
Auch am Ende des Stausees, wo sich die Straße dann richtig aufstellt, gab es keine richtige Attacke, das Feld wurde kleiner aber kein entscheidender Vorstoß. Bis dahin fuhr ich sehr passiv, doch wie lange sollte dieses Spiel noch so weitergehen? In den kurzen Flachstellen war der Zug sofort wieder draußen – das konnte es doch nicht sein? Ich fühlte mich langsam stärker und ich erinnerte mich an letzten Samstag in Villach, wo ich auch völlig unerwartet einer der stärksten am Berg war. Also fasste ich mit in der nächsten kurzen Abfahrt ein Herz und attackierte die Top-Gruppe mit Schwung von der 3. Pose aus an.
Zuerst hatte ich Loch, doch Obwaller, Ortner und Traxl kamen schon wieder heran, der Rest schon etwas auf Distanz. Es ging in die letzte kurze Abfahrt, über den Bach und dann in die vielen Serpentinen. Obwaller ging als erster in die Kurve, trat kurz an im Anstieg und ich konterte mit voller Kraft – die Lücke war da! Ortner und Traxl mit 20 Metern, Obwaller mit 50 Metern – ich voll am fighten doch mehr als 380-400 Watt waren nicht drin über 2-3 Minuten. Ich keuchte wie eine Kuh, bekam irgendwie keine Luft – das Schild in der Kehre zeigte mir warum: 2056m Seehöhe! „Noch 700 Höhenmeter leiden“ dachte ich mir, das wird lang… Ortner und Traxl schlossen langsam auf, ich konnte mich nicht erwehren und zu dritt ging es aus den Serpentinen in das kurze Flachstück, wo die Liftstation liegt.
Plötzlich lässt Andi Ortner vor mir die Beine hängen, auf den zweiten Blick sah ich, dass sich seine Kette um den Kurbelarm gewickelt hatte – das sah nicht gut aus. Während Ortner stehen blieb, kam Obwaller wieder heran, ging an uns vorbei und attackierte mich und Andi Traxl an, die wir etwas verblüfft über Andis Malleur kurz rausgenommen hatten. Ich kämpfte mich an Obwallers Hinterrad, der aber recht schnell wieder abstellte. Also verlängerte ich und nun war sie da – die Lücke zwischen mir und den beiden Top-Favoriten! Ich gab alles was ich hatte, flog förmlich an den 3 eingeholten Spitzenfahrern vorbei und hatte nur noch Martin Fritz weit vorne in Sichtweite – Obwaller und Traxl mit ca. 100 Abstand aber noch nicht geschlagen.
Ich quälte mich und ging wirklich ans Limit – so wie ich es auf den elenden Flachpassagen beim Supergiro und in Villach „gelernt“ hatte, doch nur mit Mühe blieb der Powermeter über 300 Watt.
Das Loch wurde nicht größer und Martin Fritz an der Spitze kam auch nicht näher. Die beiden kurzen Flachpassagen versuchte ich maximal zu pushen, das half etwas, um an Martin heranzukommen. Nach dem See und Kehre 5 waren es noch 300 Höhenmeter, die ich ja nur zu gut kannte – die ziehen sich ewig, die Straße ist holprig, doch die Lücke auf den heranstürmenden Ortner, Obwaller und einen einbrechenden Andi Traxl war noch vorhanden – ca. 30 Sekunden schätzte ich, aber kämpfte mehr gegen mich selbst als sonst etwas.
Immer wieder war der Kameramann in den Kehren, was Auftrieb gab, ich war echt am Anschlag, die Atmung erinnerte mich an frühere Spiros mit der Atemgasmaske übergestülpt – der Puls jenseits 180 (was bei mir selten ist) und die Watt gerade noch über 300, immer öfter knapp darunter. Wie stark war Andi Ortner noch? Er hatte Obwaller schon passiert und macht das Tempo… Wenn ich weiter abgebaut hätte, wäre es sich nicht ausgegangen doch immer wieder pushte ich im Wiegetritt und hielt die beiden mit letzter Kraft auf Distanz, bis ich die letzte Kehre endlich im Blick hatte und mir des Sieges schon fast sicher sein konnte. Irgendwie schaffte ich es noch, das Trikot zu schließen, da merkte ich, dass nicht nur die Beine komplett blau waren.
Ortner und Obwaller lieferten sich einen richtigen Sprint um Platz 2 – ich feierte meinen Sieg und so war die Lücke letztlich ganz knapp, aber eben doch noch ausreichend. Jedenfalls hätte es wohl keine 100 Meter länger sein dürfen, dann hätten mich die beiden Jungs noch kassiert. Meine Freude war riesig, so überraschend den Sieg am Kaunertaler Gletscher zu holen – schließlich ist das Rennen traditionell sehr stark besetzt und eine Hausnummer in der Szene – wenngleich heuer mit unter 200 Teilnehmern die Starterzahl leider nicht so groß war wie die letzten Jahre.
Genauso bemerkenswerte Leistungen lieferten auch meine Teamkollegen: Stephan Schwarz kam komplett ausgepowert von der langen Flucht und dem harten Kampf gegen die anstürmenden Top-Fahrer auf einen tollen 7. Platz, „Teamküken“ Max Aigner (18 Jahre) fuhr ebenfalls ein Top-Rennen und kam auch noch in die ersten 15 Gesamt. Damenmäßig hatten wir heute leider kein Eisen im Feuer, aber da sind wir dank Mona ohnehin erfolgsverwöhnt. Auch alle weiteren Fahrer kamen sehr zufrieden ins Ziel, einige nutzen das Rennen ja als Vorbelastung für den Drei-Länder-Giro und genossen das Kaiserwetter am Gletscher in vollen Zügen!
Besonders loben darf man die Organisation, die bereits eine Stunde nach Zieleinlauf eine stilvolle Siegerehrung im Gletscherrestaurant durchführte. Das war wirklich toll, denn nach kurzer Erfrischung, Interview, Unterhaltung mit Konkurrenten und Teamfahrern und einem tollen Buffet im Gletscherrestaurant musste man nicht (wie zuletzt leider oft der Fall) ewig auf die Siegerehrung warten, zu der dann kaum jemand mehr anwesend war. Um 14:00 war alles erledigt und wir rollten gemeinsam talwärts. Zur Belohnung durfte ich sogar noch bis Nauders ausrollen und den herrlichen Nachmittag am Rad genießen – das Auto stellten mir meine Teamies direkt vor das Appartment.
Hier sind wir nun bis Sonntag einquartiert und haben ein paar Tage, um die schöne Gegend und ich tolle Stimmung im Team zu genießen. Also dann, bis Sonntag und eine schöne Woche noch!