Test: Das BH Ultimate 29 bekommt für dieses Jahr einen komplett neuen Rahmen und neue Modellvarianten spendiert. Wir haben das Teambike von BH Suntour KMC unter die Lupe genommen und insbesondere die mutige und für ein Rad in dieser Klasse ungewöhnliche Geometrie wusste zu begeistern.
Die baskische Firma BH Bikes ist hierzulande noch nicht allzu bekannt, doch kann der Traditionshersteller auf eine inzwischen über 100-jährige Geschichte zurückblicken. Auch sein Cross Country Racebike Ultimate gibt es bereits seit sechs Jahren und wird auch im Weltcup Jahr für Jahr auf den Prüfstand gestellt. Für 2016 gibt es nun einen komplett neuen Rahmen und insgesamt drei Modellvarianten. Wir hatten die 4.299€ (UVP) teure mittlere Variante im Test.
BH Ultimate 29 9.7: Rahmen
Der Rahmen des BH Ultimate 29 2016 hat mit seinen Vorgängern fast nur noch den Namen und das Material gemein. Wie es sich für eine Highend-Rennfeile wie das Basken-Bike gehört, besteht der Rahmen natürlich aus Carbon. Schlicht-schwarz kommt er daher, auf Designexperimente oder Farbattacken wird verzichtet – das Herstellerlogo findet zwar großflächig, aber dennoch wenig aufdringlich auf dem Unterrohr Platz. Die Formsprache gefällt uns ausgesprochen gut – geschwungene, weiche Formen wie das in die Sitzstreben übergehende Oberrohr wechseln sich mit markanten, kantigen Elementen wie dem auffällig geformten tapered-Steuerrohr ab.
Die Entwickler haben im Rahmen des BH Ultimate 29 den neuesten Entwicklungen und Trends des Sports Rechnung getragen. So dürfte er wohl zu den ersten Rahmen in seinem Segment zählen, der voll auf die Ausstattung mit einer Variostütze vorbereitet ist. Dank 31,6mm Einbaumaß und der Möglichkeit, Zug bzw. Leitung nach außen zu führen, steht einem Einbau nichts im Wege – eine begrüßenswerte Entscheidung der Konstrukteure, schließlich sieht man gerade auf technisch anspruchsvollen Worldcup-Strecken inzwischen auch den einen oder anderen Profi mit versenkbarer Sattelstütze.
Eine weitere Entwicklung der jüngeren Vergangenheit sind elektronische Schaltungen auch im MTB-Bereich. Momentan beschränkt sich das auf Shimanos XTR Gruppe, doch man muss kein Hellseher sein, um ähnliche Produkte in den kommenden Jahren auch für andere Herstellern zu prognostizieren. Auch darauf ist das Ultimate gut vorbereitet: Ein cleveres, über den Tretlagerbereich zugängliches System erlaubt das bequeme Verstauen des für das System nötigen Akkus – sicher geschützt im Rahmeninneren. Dafür ist es lediglich nötig, die neongelbe Schutzplatte im Tretlagerbereich abzunehmen und man erhält bequem Zugang zum Inneren.
Modern zeigt sich auch der Hinterbau: Die Kombination aus voluminösen Kettenstreben, abgeflachten Sitzstreben, 142mm Hinterbaumaß und Steckachse soll hohe Seitensteifigkeit, angenehmen Flex und damit hohen Komfort in Einklang bringen. Standesgemäß verlaufen außerdem sämtliche Züge und Leitungen im Rahmeninneren. Das schützt vor äußeren Einflüssen und sorgt natürlich auch für eine cleane Optik – erschwert dafür das Verlegen erheblich.
BH Ultimate 29 9.7: Geometrie
Kommen wir zu einem wirklich spannenden Kapitel beim BH Ultimate 29, nämlich der Geometrie. Diese überrascht mit sehr langem Reach und flachen Winkeln – schließlich handelt es sich beim Ultimate zweifellos um ein Racebike, mit dem beispielsweise unsere Bloggerin Adelheid Morath und andere Fahrerinnen des Teams BH Suntour KMC regelmäßig Titel einfahren. Früher stand Cross Country synonym für einen steilen Lenkwinkel in Verbindung mit einer eher kurzen Geometrie für hohe Agilität und optimale Klettereigenschaften. Da sind ein Reach von 431mm (Größe L) und ein Lenkwinkel von 68,5° wirklich eine Ansage und durchaus mutig von BH.
Doch natürlich hat man sich nicht aus Jux und Tollerei dazu entschieden, die Geometrie gegenüber dem Vorgänger so sehr zu verändern (LW 70° und Reach 420mm), sondern reagiert damit auf die technisch immer anspruchsvoller werdenden Kurse im Worldcup. Der flache Lenkwinkel führt an Steilpassagen zu wesentlich sichererem Handling und der lange Reach ermöglicht die Montage eines kürzeren Vorbaus für direktere Kontrolle über das Vorderrad. Dafür wird das neue Ultimate etwas an seiner Kletterfähigkeit einbüßen. So zumindest die Theorie.
BH Ultimate 29 9.7: Ausstattung
Unser Testmodell, das BH Ultimate 29 9.7, ist die mittlere der drei verfügbaren Modellvarianten. 10,95kg bringt unser Bike in Größe L ohne Pedale auf die Waage und ist damit angesichts des Preises von 4.299€ und des leichten Carbonrahmens, der weniger als 1000g wiegt, zwar kein Schwergewicht, aber auch nichts für Leichtbaufanatiker und Gewichtsfetischisten. Funktional liest sich die Ausstattungsliste des BH Ultimate 29 9.7 sehr gut: Beim Antrieb kommt die neue XT M8000 Gruppe von Shimano zum Einsatz.
Man entschied sich in Spanien für einen 1-fach Antrieb mit 11-fach Kassette hinten. Das spart Gewicht und der Verzicht auf einen Umwerfer vereinfacht das Schalten enorm – gerade in der Hektik des Rennens. Die Gewichtsersparnis erkauft man sich jedoch mit einer im Vergleich zu herkömmlichen 2-fach oder gar 3-fach Antrieben deutlich kleineren Bandbreite. Am Ultimate 29 9.7 kommt ein Kettenblatt mit 32 Zähnen und eine Kassette mit 11-40 Abstufung zum Einsatz. Vergleicht man die effektive Übersetzungsbandbreite mit einer 2-fach Übersetzung (26/36) und einer 11-36 Kassette fehlt nach oben und nach unten jeweils ein Gang. Dass man sich bei BH gegen die ebenfalls erhältliche und nur 30g schwerere 11-42 Kassette von Shimano entschieden hat, finden wir etwas schade – damit hätte man die Bandbreite noch etwas erhöhen können. Je nach Strecke, Einsatzgebiet und Wadenumfang dürfte aber auch das Seriensetup für viele Fahrer passend sein – wir möchten den Komfort eines 1-fach Antriebs jedenfalls nicht mehr missen.
Apropos Komfort: An der Front sorgt eine FOX 32 Performance FiT4 Federgabel für die nötige Kontrolle. Die nur knapp über 1.500g schwere Gabel kommt wie alle FiT4 Gabeln vom US-Hersteller mit der neu-entwickelten 3-stufigen Lenker-Remote, so dass sich während der Fahrt bequem zwischen den drei verfügbaren Dämpfungseinstellungen Offen/Trail und Lockout wechseln lässt. Für die nötige Bremspower sorgen XT-Stopper aus dem Hause Shimano mit 180mm Bremsscheibe vorn und 160mm hinten.
Die Laufräder kommen von DT Swiss: Mit den M1700 Spline Two steckt im Ultimate 29 9.7 ein eher robuster Laufradsatz, dessen Gewicht knapp an der 1.800g Marke kratzt, der dafür jedoch nicht nur viel Stabilität mitbringt, sondern dessen Felgen mit einer Innenweite von 22,5mm auch 2,25″ Reifen sehr gut fassen können und außerdem kinderleicht tubeless montierbar sind. Zudem kommen die Naben mit langlebigem und nahezu wartungsfreien Sperrklinkenfreilauf. Bei den Reifen beschreitet man im Baskenland ungewohnte Pfade abseits der großen Namen von Schwalbe, Continental oder Maxxis. Das BH Ultimate 29 ist in allen Ausstattungsvarianten mit Reifen von Michelin ausgestattet, genauer gesagt mit dem Cross Country Modell Wild Race’R in 2,1″.
Bei den Anbauteilen setzt man überwiegend auf Komponenten aus eigenem Hause: Sattelstütze, Vorbau und Lenker tragen den Schriftzug BH Super Lite. Optisch fügen sie sich sehr gut in das Gesamtbild ein und auch qualitativ machen die Aluminiumteile einen sehr guten Eindruck. Aus Neugier haben wir aber beispielsweise die 400mm lange Sattelstütze auf die Küchenwaage gelegt: 327g sind nicht unbedingt ‚Super Lite‘ – hier bietet sich in puncto Gewicht also mit recht geringem finanziellen Aufwand noch deutlich Potenzial nach oben (bzw. unten).
BH Ultimate 29 9.7: Auf dem Trail
Der erste Eindruck, den uns das BH Ultimate 29 9.7 vermittelt ist sehr positiv. Der lange Rahmen gepaart mit dem recht kurzen Vorbau und dem ebenfalls kurzen Steuerrohr rückt den Fahrer in eine mittige Position auf dem Rad, die bereits nach wenigen Minuten sehr viel Sicherheit vermittelt. Beim lockeren Einfahren auf der Waldautobahn gibt sich das Bike spritzig und antriebsstark. Erste Ausflüge auf den Trail bestätigen die Vermutungen, die wir bereits beim Blick auf die Geometrietabelle hatten: Die Veränderungen, die man bei BH im Vergleich zum Vorgänger genommen hat, fruchten: Für einen Weltcup-Racer vermittelt das Ultimate enorm viel Sicherheit, auch an kniffligen, steilen Stellen bleibt das Rad laufruhig und Überschlagsgefühle kommen nicht auf, obwohl wir unser Gesäß nur selten hinter den Sattel verlagern.
Wer angesichts der angesprochenen Geometrieveränderungen Bedenken hinsichtlich der Kletterfähigkeit des BH Ultimate 29 hat, den können wir beruhigen. Längere und kürzere Kletterpassagen meistert es ohne Probleme – im Gegenteil: Gerade bei langen, gemäßigt steilen Anstiegen empfinden wir die mittige Sitzposition als überaus angenehm. Lediglich an der einen oder anderen sehr steilen Rampe muss man etwas mehr Gewicht in Richtung Vorderrad bringen, um den flachen Lenkwinkel auszugleichen und das Rad am steigen zu hindern.
Das richtige Gabelsetup haben wir schnell gefunden und die Fox 32 gibt sich, wie man es von dem US-Hersteller gewohnt ist: Straff, aber mit ordentlich Reserven für Wurzel- oder Steinfelder. Der Lenkerlockout funktioniert hervorragend und die meiste Zeit sind wir in dem gelungenen Trail-Modus unterwegs, der für uns den goldenen Mittelweg zwischen Effizienz und Komfort darstellt. Hin und wieder vernahmen wir jedoch ein unangenehmes Quietschen aus dem Gabelinneren, das sich zwar nicht auf die Funktion auswirkte, nach einigen Minuten unser Nervenkostüm aber durchaus strapazierte. Mit zunehmender Fahrt- und Testdauer trat das Problem jedoch seltener auf.
Am Antrieb haben wir rein gar nichts auszusetzen: Die 11-fach XT Schaltung wartet mit Shimano-typisch geschmeidigen Schaltvorgängen auf, ist präzise und laufruhig. Die Bandbreite reicht für die allermeisten Einsatzbereiche aus, bei der einen oder anderen steilen Rampe hätten wir uns vielleicht noch einen leichteren Gang gewünscht, doch hier kann man im Fall der Fälle auch mit einem kleineren Kettenblatt Abhilfe schaffen. Auch die Bremsen verrichten ihren Job tadellos und vor allem völlig geräuschlos, selbst bei nassen Bedingungen gab es keinerlei Quietschen – sehr angenehm.
Nicht warm wurden wir über den Testzeitraum mit den Reifen von Michelin. Der montierte Wild Race’R ist zwar ausdrücklich nur für trockene und feste Böden konzipiert, doch waren wir doch überrascht, wie wenig Grip der Reifen bietet, sobald es ein wenig feucht oder gar matschig zugeht. Die sehr niedrigen Mittelstollen setzen sich sofort zu und der Grip nimmt rapide ab – erschwerend kommt hinzu, dass die Selbstreinigung auch nur mäßig funktioniert und man selbst nach einem kurzen Matsch-Intermezzo zu einer Pause gezwungen wird, um die Reifen vom Dreck zu befreien.
BH Ultimate 29 9.7: Fazit
Das BH Ultimate 29 9.7 ist ein tolles Bike. Der Weltcupracer offenbarte in unserem Test ungeahnte Allround-Qualitäten und macht dank der gelungenen Geometrie auch als vortriebsstarke Trailwaffe eine richtig gute Figur. Der Rahmen ist ohnehin ein Schmuckstück: Leicht, steif und voller moderner Features ist er eine tolle Grundlage für jahrelangen Spaß – vor allem auch, weil BH lebenslange Garantie für den Erstkäufer gewährt. Nicht überzeugen konnten die Reifen, die auf trockenem Untergrund zwar gut funktionieren, sich aber während der Testphase geradezu wasserscheu zeigten.
Zieht man die eben erwähnte Lebenslange Garantie und den in jeglicher Hinsicht gelungenen Rahmen in Betracht, relativiert sich auch der angesichts der guten, aber keineswegs edlen Ausstattung etwas hoch erscheinende Preis von 4.300€. Wir möchten allen Interessierten eine Probefahrt ans Herz legen – das BH Ultimate 29 9.7 ist nämlich viel mehr als nur ein weiteres Carbon Racebike.
Web
www.bhbikes.com