Radsport: Am Samstag findet mit Mailand – Sanremo das erste Monument der Saison statt. Leider kann John Degenkolb (Giant-Alpecin) verletzungsbedingt seinen Sieg aus dem letzten Jahr nicht verteidigen und auch André Greipel muss mit anhaltenden Schmerzen nach seinem Rippenbruch passen. Doch uns erwartet dennoch ein spannendes Rennen mit ungewissem Ausgang.
Mailand – Sanremo 2016: Strecke – Die Entscheidung fällt am Poggio
Der Cipressa und der Poggio, die beiden letzten Anstiege am Ende von Mailand – Sanremo stehen schon fast traditionell im Mittelpunkt, wenn Experten im Vorfeld über den Ausgang des ersten Monuments der Saison sprechen. In den letzten beiden Ausgaben der La Primavera hat sich der allerletzte Anstieg, der Poggio, als „Hügel der Entscheidung“ herauskristallisiert. Ob es auch in diesem Jahr so sein wird?
Am Fuße des Cipressa, dem vorletzten Anstieg des Rennens, haben die Fahrer bereits mehr als 250km in den Knochen und sitzen schon seit fünf oder sechs Stunden auf dem Rad. Sie sind müde, die Energiereserven neigen sich dem Ende entgegen und mit großer Sicherheit würden sie so einiges für eine kühle Dose Cola geben. Dazu kommt noch, dass die Teilnehmer bei Mailand – Sanremo oft wirklich übles Wetter erwartet, starker Regen und Schnee sind beileibe keine Seltenheit. 2013 waren die Organisatoren RCS Sports sogar gezwungen, den in arktischen Verhältnissen versunkenen Passo del Turchino auszulassen.
Doch auch ohne Schneestürme ist das Rennen hart genug: Fast 300km, üblicherweise bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 43km/h. Immerhin ist es zumeist flach – nicht umsonst spricht man auch von dem „Sprinterklassiker“. Doch, nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die Strecke ist keineswegs flach wie ein Pfannkuchen. Es gibt einige zähe Anstiege – dass diese erst in den letzten 50 Kilometern warten, macht die Sache nicht unbedingt angenehmer. Die kurzen, knackigen Uphill-Passagen kosten in dieser Phase des Rennens unglaublich Körner und es braucht einen eisernen Willen, um hier zu bestehen.
Nachdem man sich vom Le Manie verabschiedet hat, ragen der Cipressa und der Poggio als die beiden größten Herausforderungen hervor. Der Cipressa ist zwar länger und anspruchsvoller, doch die Entscheidung fällt meist danach, am kürzeren Poggio. In den vergangenen beiden Jahren fiel die Entscheidung sogar noch später, und zwar in der Abfahrt vom Poggio, wo John Degenkolb und Alexander Kristoff sich in die jeweilige Position für den Triumph auf der Via Roma brachten.
Auf dem Papier ist die Abfahrt eigentlich nichts Besonderes: Weder sonderlich steil, noch gibt es große technische Schwierigkeiten oder harte Spitzkehren. Doch genau darin liegt die große Herausforderung und die Würze bei dieser Abfahrt. Im Endeffekt bedeutet es nämlich für die Fahrer, dass nach fast 300km noch einmal Vollgas und volle Konzentration angesagt ist. Die simple Straßenführung wiegt die Teilnehmer in falscher Sicherheit und verleitet zu Konzentrationsfehlern: So wie im letzten Jahr, als Philippe Gilbert, Michal Kwiatkowski, Zdenek Stybar und Gerald Ciolek allesamt in dieser Abfahrt stürzten.
Die Erfolgsformel scheint zu sein, an der Spitze des Poggio in guter Position zu sein und in der Abfahrt die Nerven zu behalten, ohne jedoch volles Risiko gehen zu müssen.
Mailand – Sanremo 2016: Starter und Favoriten
Favoriten
Michael Matthews (Orica-GreenEDGE)
Der Australier Michael Matthews gehört in diesem Jahr zweifellos zu den Topfavoriten. Der Orica-Profi dominierte die ersten Etappen bei Paris-Nizza und hielt sich bis zur Köningsetappe am vorletzten Tag an der Spitze der Gesamtwertung. Im vergangenen Jahr musste sich der 25-jährige auf der Via Roma noch John Degenkolb und Alexander Kristoff geschlagen geben, doch er ist seitdem vor allem taktisch gereift und wird sicherlich im Finish eine entscheidende Rolle spielen.
Alexander Kristoff (Katusha)
Alexander Kristoff hatte schon fast traditionell einen extrem starken Start in die Saison. Der Norweger dominierte in Katar und im Oman und musste sich bei Kuurne-Brüssel-Kuurne lediglich Jasper Stuyven geschlagen geben. 2014 zeigte er bereits, dass er weiß, wie man La Classicissima gewinnt und scheiterte im letzten Jahr denkbar knapp an der Titelverteidigung. Ein Faktor könnte jedoch das Fehlen von Luca Paolini sein – der Italiener hatte in den letzten beiden Jahren viel für Kristoff gearbeitet.
Fabian Cancellara (Trek-Segafredo)
Fabian Cancellara ist einer von vier ehemaligen Siegern am Start (Neben Alexander Kristoff, Mark Cavendish und Filippo Pozzato) und zeigte nicht zuletzt mit seinem beeindruckenden Sieg bei der Strade Bianche, dass er in seiner letzten Saison als Profi keineswegs abschenken möchte. Im Gegenteil: Der Schweizer Routinier betonte, dass er sich mit einem Knall verabschieden will. Ein zweiter Sieg bei Mailand – San Remo wäre zweifellos ein solcher ‚Knall‘ – doch Spartacus muss sich eine entsprechende Taktik bereitlegen, denn im Sprint dürfte er gegen die Starke Konkurrenz den Kürzeren ziehen.
Peter Sagan (Tinkoff)
Unglaublich aber wahr: Straßenweltmeister Peter Sagan wartet noch immer auf seinen ersten Sieg in dieser Saison. Beinahe tragisch mutet es an, dass der Slowake auch in dieser Saison wieder zwei zweite Plätze verkraften musste: Zuletzt verpasste er den Gesamtsieg bei Tirreno-Adriatico um eine Sekunde hinter Greg van Avermaet (BMC). Doch La Classicissima ist eigentlich wie gemacht für den zähen Tinkoff-Profi – vielleicht klappt es nach vier Top 10-Platzierungen in den letzten Jahren ja dieses Mal mit einem Triumph auf der Via Roma.
Mailand – Sanremo 2016: TV-Übertragung und Livestream
Nun heißt es für deutsche Radsportfans „Stark sein“ – denn es wird im deutschen Fernsehen keine Livebilder von Mailand – Sanremo geben. Auch Eurosport verzichtet auf beiden seiner Kanäle auf eine Übertragung aus Italien und füllt sein Programm stattdessen mit Wintersport – sehr sehr schade. Immerhin eine 60-minütige Aufzeichnung gibt es am Abend zu sehen.
Auch im Internet sieht es bezüglich Livestreams nicht viel besser aus. Radsportfans könnten ihr Glück aber eventuell auf dem Portal cyclingfans.com versuchen.
Mailand – Sanremo auf Eurosport:
Aufzeichnung (60 min): Samstag, 19.03.2016, 19:15 – 20:15 Uhr