Rennbericht von Kai-Uwe Sommer / Team Green’n Fit
Wer hat an der Uhr gedreht – fragt man sich, kann doch nicht sein, dass am 3.10.2016 mit dem Münsterlandgiro schon wieder das letzte Rennen der German Cycling Cup Serie auf dem Programm stand. Wir können uns doch noch alle lebhaft an das erfolgreiche Auftaktrennen in Göttingen vor gefühlt gar nicht allzu langer Zeit erinnern. Alle Teammitglieder fahren ja sehr gerne Rennrad und Rennen, aber trotzdem konnte man der einen oder dem anderen Fahrer anmerken, dass eine Rennpause jetzt dann erst mal auch gut ist. War nämlich doch eine lange, anstrengende und ereignisreiche Saison. Aber vorher musste natürlich noch einmal alles gegeben werden, um die individuellen Ziele und die Teamziele beim Münsterlandgiro zu erreichen.
Bei eigentlich typischem Oktoberwetter ging es am Tag der deutschen Einheit auf die unterschiedlichen Strecken. Das Team Green’n Fit war mit 9 Fahrerinnen und Fahrern insgesamt wieder sehr präsent, auf der 70 km Strecke fuhren Tanja, Marco, Peter, Jonathan, Oli und ich. Tamara hat die 110 km in Angriff genommen und Marion und Manuela setzten Akzente auf der 140 km Schleife.
Anfangs wurde bei der 70 km Runde nur vor nasser und glatter Fahrbahn auf den ersten 10 km gewarnt, es ergab sich im Rennverlauf aber eigentlich immer wieder Nässe von unten, manchmal auch von oben und dazu kamen auch noch gar nicht erwartete sehr dichte Nebelfelder. Insofern war das Wetter deutlich schlechter als prognostiziert.
Es war mein erstes GCC-Rennen seit dem Sturz vor 4 Monaten und mein individuelles Ziel war natürlich erst einmal heile ankommen, aber darüber hinaus wollte ich gucken, ob ich trotz der Zwangspause an die Leistungen vom Saisonanfang anknüpfen konnte und vorne insgesamt und im Besonderen in meiner Altersklasse mit dabei sein kann. Denn so wollte ich natürlich versuchen, die Teamkollegen in der Teamwertung bestmöglich zu unterstützen. Ich habe mich anfangs trotzdem eher zurückgehalten und bin etwas abwartend gefahren – auch weil ich mental noch großen Respekt vor der Unruhe und Hektik in diesem großen Feld hatte und ich erst mal wieder eine gewisse Selbstsicherheit fürs Renngeschehen bekommen wollte. Natürlich musste ich trotzdem ordentlich kurbeln, da ich mir trotz aller Vorbehalte auch vorgenommen hatte, die Spitze doch immer in Sichtweite zu behalten. Von Kilometer zu Kilometer gelang es mir gefühlt besser, mich im Feld zurechtzufinden und schon nach nicht einmal der Hälfte des Rennens wurde ich mutiger und habe mich auch ab und an mal an der Spitze blicken lassen und mit für das Tempo gesorgt.
Es gab immer mal wieder Ausreißversuche, aber so richtig konnte niemand wegkommen und das große Feld an der Spitze blieb zusammen. In diesem Führungsfeld waren aber immer mindestens 4 Teammitglieder von Green’n Fit vertreten, so dass ein starkes Teamergebnis auch realistisch erschien. Darüber hinaus war Green scheinbar fit, denn wir waren häufig Initiator von kleinen Nadelstichen in Form von kurzen heftigen Antritten – aber das Führungsfeld von vielleicht 50 Fahrern blieb beieinander. Einige Kilometer vorm Ziel konnte sich dann doch ein bärenstarker Jonas Lefermann alleine auf und davon machen und das Rennen dann am Ende mit großem Vorsprung gewinnen. Für die Meute ging es somit „nur“ noch um die Platzierungen, aber das schien egal, denn in hohem Tempo wurde Kilometer für Kilometer absolviert und wir näherten uns der Zielankunft.
Die letzten Kilometer wurde es dann nochmal richtig hektisch – aber es sollte alles auf ein großes Sprintfinale hinauslaufen. Bis 50 m vor dem Ziel gab es schon einige brenzlige Situationen, naja wie das so ist bei einem Massensprint von vielleicht noch 40 Fahrern, aber es schien doch so zu sein, als dass ich alle meine Ziele vollumfänglich erreichen konnte. Tja, was dann geschah, habe ich mir im Nachgang auf einem kursierenden Facebook-Video vom Rose Team Münsterland schon mehrmals angeguckt, kann es aber weder aus der Liveerfahrung noch aus der Video Nachbetrachtung auflösen. Ich weiß nur noch, dass sich kurz vor mir 2-3 Fahrer verharkten, ins Schlingern gerieten und stürzten und mir war sofort klar, dass ich da nicht mehr ausweichen könnte und ein großer Schrecken mich fast lähmte, weil die Erinnerung an den Sturz vor 4 Monaten sofort präsent war.
Ich bin auf die gleiche Seite gefallen und spürte auch sofort meine gerade genesenen Rippen wieder schmerzhaft – mein erster Griff ging dann auch gen gerader wieder intaktem Schlüsselbein, und die Erleichterung war riesengroß, als ich merkte, dass es dort scheinbar keinen erneuten Bruch gegeben hat. Um mich herum lagen kreuz und quer Fahrer und Rennräder – wie in Trance bin ich dann irgendwann hoch und habe mein Fahrrad gesucht und gefunden, der Sattel war abgebrochen und lag irgendwo im Gewühl, ansonsten sah es erst mal ganz OK aus. Neben mir erhob sich, leicht blutend, die Hand haltend und auch geschockt mein Teamkollege Marco – nach Momenten der Benommenheit sind wir dann zusammen gen Ziel gegangen, um doch zumindest noch ein Endergebnis zu produzieren. Danach ging es dann erst mal ins Sanitäterzelt, in dem verständlicherweise großer Andrang herrschte – dort war die erste Diagnose für mich insofern auch beruhigend, da es scheinbar zu keinen neuen Rippenbrüchen, sondern nur Prellungen oder Verstauchungen gekommen ist. Da auch Teamkollege Peter mitten im Sturzgeschehen war und unser bester Mann des Tages Jonathan auf Platz 8 kurz vor uns ins Ziel gesprintet war, hätten wir in der Teamwertung sicher ein gehöriges Wörtchen mitgeredet.
Auch dass ich trotz Sturz noch 6. meiner Altersklasse wurde, zeigt mir, was da ungestürzt möglich gewesen wäre. Nur, das ist eigentlich alles nicht wirklich wichtig, denn das eigentlich wichtigste Ziel – heile ins Ziel zu kommen – habe ich leider nicht erreicht und jetzt zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit unverschuldet zu stürzen, gibt einem sicher schon zu denken, wenngleich ich auch weiß, wie viel Glück ich diesmal bei diesem enormen Tempo und diesem wirklich schlimmen Massensturz gehabt habe. Meine besten Genesungswünsche (von Marco und Peter weiß ich, dass sie wieder einigermaßen OK sind) gehen an dieser Stelle an alle mitgestürzten Fahrer!!!