Radsport: Quäl dich, du Sau! In wohl nur wenigen Sportarten können die Aktiven so bitter leiden wie im Radsport. Es müssen 200 Kilometer lange Strecken zurückgelegt und dabei die größten Pässe bewältigt werden. Als wäre das noch nicht Herausforderung genug, müssen sich die Sportler auch noch in einem Wettbewerb messen. Nicht selten können dabei die kleinsten Entscheidungen über Sieg oder Niederlage richten. Oft ist auch ein kleines Quäntchen Glück erforderlich. Doch was passiert, wenn genau dieses Glück ausbleibt? Wir kümmern uns in diesem Artikel um die Radsport Pechvögel 2016.
Der verheerende Trainingsunfall von Giant-Alpecin
Stürze sind im Radsport nie gern gesehen, doch besonders verheerend sind sie dann, wenn sie durch ein Auto verursacht werden. Am 23. Januar diesen Jahres ereignete sich ein solcher Unfall im Trainingslager von Giant-Alpecin in Spanien. Das Sextett, bestehend aus Chad Haga, Warren Barguil, Fredrik Ludvigsson, Ramon Sinkeldam und den beiden deutschen Max Walscheid und John Degenkolb, war in der Nähe von Valencia unterwegs. Laut offiziellen Angaben fuhren sie jeweils zu zweit nebeneinander, im Gegensatz zur Autofahrerin aber auf der richtigen Seite der Fahrbahn. Die 73-jährige Autofahrerin kommt nämlich ursprünglich aus Großbritannien und fuhr in Spanien auf der falschen Fahrbahnseite. Dadurch kam es zu einem frontalen Zusammenstoß mit den sechs Radprofis.
Nach dem Crash wurden die Fahrer in zwei Krankenhäusern untergebracht und versorgt. Neben Schürfwunden und Prellungen erlitten einige von ihnen auch tiefe Schnittwunden und Knochenbrüche, weshalb Operationen notwendig waren. Es grenzt fast schon an ein Wunder, dass es keinen Profi noch schwerer erwischt hat. Die meisten von ihnen konnten das Krankenhaus bereits einige Tage später wieder verlassen. Im Laufe der Saison setzten sie sich alle wieder auf ihre Räder. Dennoch verpassten einige von ihnen den Beginn der Saison. John Degenkolb zum Beispiel hat es bis zur Tour de France nicht mehr zu seiner Topform geschafft. Beim Arctic Race of Norway und beim Münsterland Giro feierte er seine einzigen beiden Saisonsiege. Ein Happy End hatte das Jahr für Max Walscheid: Bei der Tour of Hainan Ende Oktober gewann der 23-jährige fünf Etappen.
Das schwarze Jahr des Steven Kruijswijk
Wenn wir über die Radsport Pechvögel 2016 nachdenken, dann fällt uns ein Name sofort ein: Steven Kruijswijk. Der Niederländer wurde in diesem Jahr alles andere als mit Glück gesegnet. Auch wenn Kruijswijk das vermutlich beste Jahr in seiner Karriere hatte, so hätte dieses noch viel erfolgreicher verlaufen können. Im Mai beim Giro d’Italia wurde er gewiss nicht als einer der Favoriten gehandelt, doch er übernahm das Rosa Trikot und schien unangreifbar zu sein. Vor dem Start der 19. Etappe hatte er auf den späteren Sieger Vincenzo Nibali einen Vorsprung von fast fünf Minuten. Auf dem Weg vom Pinerolo zur Bergankunft nach Risoul verlor er die Rundfahrt aber dennoch. Es trieb ihn in einer Abfahrt etwas zu weit hinaus, so dass er in eine Wand voll Schnee und Eis prallte. Unverletzt stand er auf und fuhr weiter, dohch er musste zweimal anhalten, sein Rad reparieren lassen und es schließlich wechseln. Die Uhr tickte unaufhaltsam weiter und das Rennen war verloren. Nibali gewann die Etappe und schließlich auch den Giro. Für Kruijswijk blieb am Ende nur Rang vier.
Doch das sollte es mit dem Pech für Kruijswijk noch nicht gewesen sein: Ein paar Wochen später wollte er bei der Vuelta a Espana um ein gutes Resultat mitfahren. Weit ist er jedoch nicht gekommen. An ihm lag es diesmal aber nicht. Vielmehr wurde bei der Streckensicherung geschlampt. Auf der 5. Etappe hatten die Organisatoren nämlich tatsächlich einen Straßenpfosten in Zielnähe zu sichern vergessen. Er stand etwa einen Meter vom Bordstein entfernt. Im Pulk des Fahrerfeldes war dieses Hinderniss unmöglich für alle Beteiligten zu sehen. Steven Kruijswijk donnerte mit voller Geschwindigkeit hinein, stürzte unsanft auf den Asphalt und brach sich direkt das Schlüsselbein. Er musste die Rundfahrt vorzeitig aufgeben und die Saison war gelaufen. Steven Kruijswijk kann man als Radsportfan nur alles Gute für die kommende Saison wünschen. Wenn er so stark zurückkommt, wie er beim Giro d’Italia 2016 gewesen ist, dann wird er dieses schwarze Jahr bald vergessen machen.
Pech statt Gold: Henao, Nibali & Dennis bei Olympia
Die Olympischen Spiele waren in diesem Jahr sicherlich das Highlight vieler Radprofis. Drei von ihnen hatten während des Rennens tatsächlich die Chance auf die Goldmedaille. Doch dann kam das Pech um die Ecke. Beim Olympischen Straßenrennen ging es ordentlich zur Sache. Als Vincenzo Nibali und Rigoberto Uran zusammen mit Rafal Majka attackierten, schien die entscheidende Flucht geglückt zu sein. Drei Fahrer eines solchen Formats können so kurz vor dem Ziel kaum noch zurückgeholt werden. Die drei Medaillen schienen fast schon vergeben zu sein, bis es schließlich bergab ging. Es wirkt schon fast ironisch, dass ausgerechnet eine Abfahrt den Goldtraum von Nibali durchkreuzt, denn eigentlich gilt der Italiener als einer der besten Abfahrer unserer Zeit. Doch es kam zum Sturz. Nibali und Henao lagen am Boden und das Rennen war für sie gelaufen. Nibali brach sich das Schlüsselbein, Henao das Becken. Rafal Majka kam unbeschadet davon und gewann Bronze.
Ohne Sturz bei den Olympischen Spielen in Rio kam glücklicherweise Rohan Dennis davon. Der Australier wollte sich im Einzelzeitfahren eine Medaille schnappen. Bei den ersten Zwischenzeiten sah es für dieses Vorhaben richtig gut aus. Nach rund 20 Kilometern lag er mit einem Vorsprung von knapp 25 Sekunden auf den späteren Sieger Fabian Cancellara in Führung. Auch nach fast 35 Kilometern war er der einzige, der dem Schweizer noch die Stirn boten konnte. Doch dann ereilte ihn ein Defekt: Sein Lenker brach und er musste das Bike wechseln. Danach fand der australische Zeitfahrmeister nicht mehr zu seinem Tritt. Er verlor Sekunde um Sekunde und landete am Ende sogar nur auf dem fünften Rang. Der Medaillentraum war doch noch geplatzt. Etwas mehr als sechs Wochen später stand Dennis vor dem Gesamtsieg bei der Eneco Tour. Diesmal hinderte ihn ein Sturz am großen Triumph. Auf der letzten Etappe nach Geraardsbergen kam er auf nassem Kopfsteinpflaster zu Fall und zog sich Hautabschürfungen zu. Er gab auf und verlor die Rundfahrt. So bitter das Jahr für Dennis damit auch gewesen sein mag: Er hat uns allen eindrucksvoll gezeigt, dass er auf mehreren Terrains brillieren kann. Auch von ihm werden wir in Zukunft noch einiges sehen.
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