Test: Der Riese & Müller Packster 40 ist das neuste und kleinste E-Lastenrad im Portfolio des Herstellers aus Darmstadt. Doch Moment – ist es denn wirklich ein klassisches Cargobike? Auf den ersten Blick ein klarer Fall: Ladefläche vor dem Lenker, Umlenkung zum 20 Zoll Vorderrad und überhaupt die gesamte Konstruktion scheinen keine Zweifel zuzulassen. Dass man sich beim Hersteller selbst mit dieser Kategorisierung ein wenig schwer tut, hat aber gute Gründe, die erst beim Blick auf die technischen Daten so richtig klar werden.
Das Packster 40 hat mit dem Packster 60 und 80 zwei größere Geschwister, die beide zweifellos Lastenräder sind. Der kompakte Neuzugang mag auf den ersten Blick nicht mehr sein als eine kleinere Variante der etablierten Modelle, doch eben genau darin liegt seine Besonderheit. So kommt das Rad nämlich trotz seiner Ladefläche in der Front auf einen mit 1.660mm recht kompakten Radstand, der nur wenig länger ist als der eines normalen Fahrrads. Da die Ladefläche zudem in der Breite kleiner geworden ist, ist das Packster 40 auch nicht breiter als ein normales Rad. Die Abmessungen dürften nicht nur Lastenrad-Neulingen beim Handling entgegen kommen, sondern auch das Verstauen des E-Cargobikes unterwegs oder zuhause deutlich erleichtern. Weiterer positiver Nebeneffekt: Mit etwas mehr als 30kg ist es für ein E-Lastenrad ausgesprochen leicht.
Doch das Konzept kommt natürlich nicht ganz ohne Kompromisse aus: Die Ladefläche ist deutlich kleiner als das, was man von den meisten anderen Lastenrädern kennt. Groß genug für eine Getränkekiste, den Einkauf oder auch für einen Kindersitz, wer aber einen Lastesel für große und sperrige Gegenstände sucht, könnte enttäuscht werden.
Riese & Müller Packster 40: Individuelle Ausstattung auf hohem Niveau
In unserem Test hatten wir die edel ausgestattete Top-Variante des Packster 40, das Packster 40 NuVinci HS mit Dual Battery, Holzbox, Faltschloss und S-Pedelec Motor von Bosch, der bis 45km/h unterstützt. Kostenpunkt für diese Ausstattungsversion? Knapp 6.700€. Ein stolzer Preis. Dafür bekommt man jedoch auch ein hochwertiges Allround S-Pedelec mit großer Ladefläche und dennoch agilem Handling. Wer nicht so viel investieren möchte, findet auch schon Ausstattungen ab 4.000€. Ausgehend von vier Grundvarianten lässt sich das Modell individuell konfigurieren und auf die eigenen Wünsche und den eigenen Geldbeutel anpassen.
Beginnen wir beim Rahmen: Dieser besteht aus Alu, kommt entweder in knalligem Rot oder dezentem Grau. Das 26″ Hinterrad wird mit einem kompakten 20″ Vorderrad kombiniert, welches über eine bewährte Umlenkung angesteuert wird. Der Bosch Mittelmotor ist optisch ansprechend und weitestgehend unauffällig in den Rahmen integiert. Der Standard-Akku findet unter dem niedrigen Oberrohr Platz, der optionale Zusatzakku wird einfach auf der Rückseite der Ladebox befestigt. Neben der Transportbox an der Front verfügt der Rahmen auch noch über einen klassischen Gepäckträger von Racktime.
Der Gangwechsel erfolgt in unserem Fall mit einer stufenlosen N380 Schaltnabe von NuVinci, die hohen Komfort mit großer Bandbreite kombiniert und eine sehr gute Wahl für ein Rad der Klasse des Packster ist. Dank Riemenantrieb ist der Antrieb des Cargobikes nicht nur ausgesprochen leise, sondern auch äußerst wartungsarm, optimal für einen alltäglichen Begleiter.
Für zusätzlichen Komfort sorgt zum einen die Suntour XCM Federgabel mit 70mm in der Front, wie auch die Cane Creek Thudbuster ST Federsattelstütze. Im „Parkmodus“ hilft der enorm stabile Mittelständer, der sich nicht nur leicht ausklappen lässt, sondern das Packster auch ganz sicher stehen lässt.
An einem Alltagsrad darf natürlich auch eine Beleuchtungsanlage nicht fehlen. Hier setzt man bei Riese & Müller auf eine Kombination aus Busch + Müller Frontscheinwerfer und Supernova LED Rücklicht, das am Gepäckträger montiert ist.
Riese & Müller Packster 40: Praktische Detaillösungen
Die technische Seite ist bei einem Rad wie dem Riese & Müller Packster 40 jedoch nur die halbe Wahrheit. Wie lässt sich die Ladung verstauen? Welche Detaillösungen bietet das Rad? Denn egal wie gefällig die Optik oder wie agil das Handling auch sein mögen: Ein solches Rad kaufen sich die meisten Leute aus praktischen Gründen. Unser Testrad kam mit der Standard-Holzbox, die es für 149€ zu jedem Packster dazu gibt. Diese ist hervorragend verarbeitet und besteht aus robustem, beschichteten Holz. Optisch macht sie so einiges her und die dunkelbraune Beschichtung erwies sich während unseres Testzeitraums auch als überraschend robust. Wie sich die Box jedoch über die Jahre hält, wenn sie den einen oder anderen ausgiebigen Regenschauer hinter sich hat, vermögen wir nicht zu sagen.
Der Clou an der Box zeigt sich jedoch erst bei genauerer Betrachtung: Die Seitenteile sind gesteckt und lassen sich mit nur einem Handgriff entfernen und als zusätzliche Ladefläche an der Unterseite befestigen. So bekommt man im Fall der Fälle deutlich mehr Platz für größere Gepäckstücke, die sich mit Hilfe des Spanngurts auch problemlos festzurren lassen. Dies könnte durchaus einige Male der Fall sein, denn der Platz in der kompakten Holzbox ist äußerst begrenzt: Eine Getränkekiste findet genügend Platz, ebenso ein größerer Einkauf. Wer jedoch regelmäßig sperrige Gegenstände transportieren möchte, sollte sich eventuell die größeren Varianten des Packsters ansehen.
Der Inhalt auf der Ladefläche lässt sich mit einem mitgelieferten Regenschutz schützen, den man über die Holzbox zieht. Die Befestigung erfolgt mit vier Laschen in den Ecken des Regenschutzes. Für unseren Geschmack fällt der Stoff hier einen Tick zu klein aus und das Überziehen benötigt doch einiges an Kraft und ist nicht ganz so komfortabel, wie wir uns das wünschen würden. Auf der anderen Seite sitzt er anschließend auch sicher und lässt sich auch vom (Fahrt)Wind nicht beeindrucken.
Optional gibt es die Holzbox auch mit eingebautem „Handschuhfach“ in der Bodenplatte: Das Abnehmen einer kleinen Platte offenbart eine Vertiefung, die eine Doppelfunktion erfüllt. Zusätzlicher Stauraum, klar; montiert man zusätzlich jedoch noch den Kindersitz, können die Kleinen Passagiere ihre Füße in der Vertiefung abstellen und sitzen somit deutlich bequemer.
Riese & Müller Packster 40: Gutmütiges Handling ohne große Kompromisse
Riese & Müller verspricht von einem neuesten Cargo-Spross ein Fahrgefühl ähnlich dem eines normalen Fahrrads. Dieses Konzept geht definitiv auf, denn das Packster 40 ist spürbar agiler als große Lastenräder, die oft eher an einen Sattelschlepper als an ein Fahrrad erinnern. Die Umlenkung zum Vorderrad funktioniert hervorragend, benötigt für Cargo-Neulinge aber dennoch eine kurze Eingewöhnungszeit, bis man sich daran gewöhnt hat. Der verhältnismäßig kurze Radstand hilft bei engen Kehren, aber gerade bei geringen Geschwindigkeiten wird das Rad – gerade bei voller Beladung – doch etwas kippeliger als ein normales Fahrrad.
Die Ausstattung erfüllt ihren Job zuverlässig und macht einen durchweg guten und vor allem durchdachten Eindruck. Dank Federstütze und Federgabel bügelt das Rad unangenehme Vibrationen weg, die NuVinci Schaltung ist super und die Scheibenbremsen kraftvoll, aber nicht zu bissig.
Ein Highlight an unserem Testrad war zweifellos der Performance 45 Motor mit den beiden 500Wh Akkus. Auch wenn man mit dem Packster 40 ganz gewiss keine Geschwindigkeitsrekorde aufstellen möchte und Geschwindigkeiten jenseits der 40km/h doch einiges an Übung erfordern, ist die zusätzliche Leistung ein willkommenes Plus. Ist das Rad voll beladen und der Weg geht steil nach oben, macht der Turbo Modus durchaus Sinn und erleichtert das Treten enorm. Dank der beiden Akkus muss man auch nicht allzu sparsam mit der Energie umgehen, denn der Aktionsradius bleibt dennoch groß genug.
Riese & Müller Packster 40: Praktischer Kompromiss
Der eine oder andere mag sich nun sicherlich fragen: Für wen macht ein kompaktes Cargobike wie das Packster 40 Sinn? Hier könnte vielleicht eine kurze Analogie zum Automarkt helfen, auch wenn man die Gegebenheiten sicherlich nicht 1:1 gleichsetzen kann. Ein klassisches Stadtrad entspricht dabei einem kleinen Kompaktwagen – praktisch, günstig in der Anschaffung, einfach in der Handhabung. Für Familien oder Leute, die eben gerne etwas mehr transportieren, jedoch unpraktisch. Ein traditionelles, voll ausgewachsenes Cargobike liegt hingegen auf dem Level eines großen Transporters. Platz en masse, aber sperrig, platzbedürftig und für alltägliche Fahrten schlicht ungeeignet. Irgendwo dazwischen liegt nun das Packster 40 – bei den Autos entspräche es wohl am ehesten einem Kombi oder einem kleinen Kastenwagen. Wie groß der Bedarf an solchen praktischen Alltagsfahrzeugen ist, zeigt ein Blick auf die Straße.