Test: Mit einer neuen Version seines Erfolgsmodells löst Brooks ein bekanntes Problem: Der neue Brooks Cambium All Weather bleibt trocken und dürfte deutlich alterungsbeständiger sein. Velomotion hat probegesessen.
Als Brooks vor rund fünf Jahren die neue Modellreihe Cambium vorstellte, war die Begeisterung groß über diesen einzigartigen Sattel aus neuartigen Materialien, der die Optik des klassischen Ledersitzes aufgriff. Der Komfort stimmte, und mit seiner Optik passte der Cambium perfekt zu klassisch angehauchten Touren-, Sport- und Alltagsrädern – dafür sorgen unterschiedlich breite Ausführungen, Modelle mit und ohne „Cutout“ sowie leichte Sport-Versionen.
Ganz ohne Nachteile ist der klassische Cambium jedoch nicht. Die aufvulkanisierte Baumwollschicht der Satteloberfläche altert; an dauerhaft draußen geparkten Fahrrädern wird ein schwarzer Cambium schnell gräulich – ohne Schutzhülle oder Plastiktüte sollte der edle Sattel also nicht der Witterung ausgesetzt werden. Außerdem nimmt das Material Wasser auf – nicht viel, doch genug, um an kalten Tagen unangenehm zu wirken. Auch ist ein gewisser Abrieb dort, wo die Beine beim Pedalieren den Sattel streifen, feststellbar.
Nun hat sich Brooks dieses Problemkreises angenommen und den Cambium weiterentwickelt. Das Ergebnis nennt sich Brooks Cambium All Weather und wird der bisherigen Kollektion zur Seite gestellt – in drei Breiten, jeweils mit und ohne Ausschnitt, sowie in einer besonders schönen Version mit Kupfernieten.
Was ist anders am neuen Modell? Der größte Unterschied liegt im Materialmix. Nach wie vor kommt eine mehrere Millimeter starke Kautschukmatte zum Einsatz, doch diese wird nun von einem Nylongewebe bedeckt, das die Baumwollschicht ersetzt und wasser- sowie abriebfest sein soll. Der Unterschied ist sicht- und fühlbar: Die matte Optik des ersten Cambium ist einem leichten Schimmern gewichen; der All Weather fasst sich glatter an. Im Gegensatz zu einem gut eingefahrenen klassischen Cambium wirt seine Satteldecke dabei etwas weicher und flexibler.
Auch das Gestell ist verändert worden: Wo früher Aluminium war, finden sich nun schwarze Kunststoff-Komponenten; die einst aufgenietete Brooks-Plakette ist einer lackierten Prägung gewichen. Die Metallnieten bzw. -schrauben, die die Satteldecke mit dem Gestell verbinden, sind nun schwarz eloxiert. Insgesamt präsentiert sich das neue Modell zurückhaltender, dabei nicht weniger wertig; erwähnen sollte man in diesem Zusammenhang aber auch die deutliche Preisreduzierung: Mit 110 Euro liegt der Brooks Cambium All Weather 30 bis 40 Euro unter den vergleichbaren Standard-Modellen.
An Komfort eingebußt hat er dabei nicht: Nach wie vor ist dies einer der bequemsten, wenn nicht der aller-komfortabelste Fahrradsattel am Markt. Wie beim Ledersattel liegt das Geheimnis in der hängemattenhaften Anbringung der Satteldecke, die Stöße und Vibrationen abfedern kann. Gleichzeitig ist der Cambium eher straff – anders als manche Gelsättel, die durchs Körpergewicht immer weiter eingedrückt werden und irgendwann unbequem sind, verändert er seine Eigenschaften während der Tour nicht. Ein von Ledersätteln bekannter Nachteil ist freilich die harte Sattelnase. Dort, wo die Decke vorne ans Gestell geschraubt ist, liegt die Elastizität bei Null; zu bedenken ist das, wenn der Sattel ausgerichtet wird.
Wer mit einem Ledersattel klarkommt oder eher straffe Kunststoffmodelle bevorzugt, dürfte den Cambium auf Anhieb lieben; wer jahrelang breite Tourensessel durchritten hat, könnte bei Brooks zum Anhänger einer ganz neuen Sitz-Philosophie werden.
Brooks bietet den Cambium All Weather wie die Standard-Modelle in drei Breiten an: C15 steht für 140 mm, C17 für 162 mm und C19 für 184 mm. Wir kamen mit der mittleren Variante bestens zurecht – der Sattel ist hinten breit genug, um eine satte Auflagefläche zu bieten; die Nase dagegen ist angenehm schmal und reibt auch bei enger Beinführung nicht an den Oberschenkeln.
Mehrere Wochen Außeneinsatz haben am Testsattel keine sichtbaren Spuren hinterlassen, obwohl wir dem Sattel eine schützende Plastiktüte verwehrten – Regenwasser lässt sich schließlich leicht abwischen. Bei großer Kälte ließ sich ein leichtes Knarren vernehmen, hervorgerufen wahrscheinlich durch Reibung des Gestells in seinen Kunststoff-Aufnahmen. Im Vergleich zum konventionellen Cambium fällt das etwas höhere Gewicht des All Weather auf; statt 420 Gramm wiegt der 470 Gramm, was in der Praxis natürlich keine Bedeutung hat. Da Kunststoff statt Aluminium eingesetzt wird, ist es dennoch verwunderlich.
Lohnt es sich, diesen Sattel zu kaufen? Unbedingt, denn er vereint hohen Komfort und eine sehr schöne Optik mit einer Wetterfestigkeit, die ihn voll alltagstauglich macht. An einem klassisch angehauchten Alltags- oder Tourenrad macht der Brooks Cambium All Weather eine gute Figur; nur in unterschiedlichen Farben ist er halt (noch?) nicht erhältlich.
Wer befürchtet, dass ihm das gute Stück vom Alltagsrad weg gestohlen wird, kann sich bzw. den Sattel übrigens wie folgt schützen: Wenn Sitzhöhe und Sattelneigung optimal eingestellt sind, schmiert man Baukleber oder Holzleim in die Inbusschrauben (dazu das Rad wenn nötig auf den Kopf stellen). Der so entstandene Pfropf lässt sich, wenn nötig, mit einem spitzen Werkzeug rückstandslos entfernen; einen Teiledieb, der auf schnelle Beute aus ist, dürfte er jedoch abschrecken.