Radsport: Die Tour de France ist bekannt für ihre harten Bergetappen, packende Zeitfahren und spannende Massensprints. Hin und wieder bauen die Organisationen auch eine Etappe mit Kopfsteinpflaster ein. So heftig wie in diesem Jahr war es aber schon lange nicht mehr. Auf über 20 Kilometern wird das Fahrerfeld morgen vor dem Ruhetag durchgeschüttelt. In unserer Tour de France Vorschau blicken wir auf das erste große Highlight der Rundfahrt.
Stürze & Pannen: Die große Angst vor der „Mutter aller Klassiker“
Morgen erwartet uns bei der Tour de France ein Mega-Event. Auf dieser Highlight-Etappe über 156,5 Kilometer geht es nahezu topfeben von der Zitadelle von Arras nach Roubaix. Das klingt relativ langweilig, wenn man noch nie etwas vom Eintagesklassiker Paris-Roubaix gehört hat. Dieses Rennen gilt als „Mutter aller Klassiker“ und ist bekannt unter der Bezeichnung „Hölle des Nordens“. Natürlich müssen die Profis bei der Tour de France nicht die komplette Strecke des Klassikers absolvieren, auf dem Programm stehen aber immerhin satte 21,7 Kilometer auf 15-Pavé-Abschnitten. Los geht’s mit dem ersten Sektor nach 47,5 Kilometern. Da die Sprintwertung in Wasnes-Au-Bac nach nur zwei Pavé-Sektoren ansteht, ist sie vermutlich für Top-Sprinter Fernando Gaviria (Quick-Step Floors) noch erreichbar. Vorausgesetzt, dass es davor nicht bereits zu einem Sturz kommt. Die Gefahr von Unfällen und Materialschäden ist auf dem Weg nach Roubaix natürlich enorm groß. Dies macht eine Prognose in unserer Tour de France Vorschau sehr schwierig.
Tony Martin (Katusha-Alpecin):
„Es ist seit langem die schwerste Kopfsteinpflaster-Etappe bei der Tour. Ich erwarte große Zeitabstände zwischen den Team-Kapitänen.“
Chaos pur: Bloß nicht die Tour de France verlieren
Mit der Zielankunft wird schon zwischen 16:00 und 16:30 gerechnet. 70,0 Kilometer vor dem Ziel geht es mit Sektor #12 auf dem Pavé de Warlaing à Brillon endgültig in die entscheidende Phase. Der Abschnitt ist 2.000 Meter lang und wird gefolgt vom 2.400 Meter langen 13. Sektor. Danach geht es Schlag auf Schlag und es gibt keine Möglichkeit mehr zu Verschnaufen. Da das Peloton nicht nur aus Klassiker-Spezialisten besteht, wird ein riesiges Chaos ausbrechen. Vor allem die federleichten Kletterer werden auf dem Kopfsteinpflaster ordentlich durchgeschüttelt und werden Schwierigkeiten haben, den Besten zu folgen. Daher gilt heute der Satz „man kann die Tour de France zwar nicht gewinnen, aber verlieren“ wie an keinem anderen Tag. Im Jahr 2014 verlor Chris Froome durch zwei Stürze auf einer Pavé-Etappe alle Hoffnungen auf den Gesamtsieg. Diesen sicherte sich damals Vincenzo Nibali, auch weil er auf Kopfsteinpflaster den stärksten Eindruck hinterließ und auf seine Kontrahenten Zeit herausfahren konnte.
Sportlicher Leiter Andreas Klier (EF Education):
„Mannschaften mit einem Klassementfahrer und einem potenziellen Tagessieger müssen sich überlegen, wie viel ihnen der Etappensieg im Vergleich zur Gesamtwertung wert ist.“
Sportlicher Leiter Enrico Poitschke (Bora-hansgrohe):
„Sollte es dazu kommen, dass ein Fahrer bei Peter ist, den wir als gefährlich einschätzen und dem wir nicht helfen wollen, kann es auch dazu kommen, dass Peter nicht weiterfährt“
Sagan & Van Avermaet gegen Quick-Step Floors
Nach dem Bonussprint in Wannehain geht es 17 Kilometer vor dem Ziel in den vorletzten Pavé-Sektor. Der bekannte Abschnitt Camphin-en-Pévèle ist 1.800 Meter lang und wird gefolgt vom 1.400 Meter langen Sektor Willems à Hem. Danach sind es nur noch rund sieben Kilometer bis ins Ziel. Wer Paris-Roubaix bereits gefahren ist, hat allen anderen gegenüber klare Vorteile. Mit Peter Sagan (Bora-hansgrohe) 2018, Greg Van Avermaet (BMC) 2017, Mathew Hayman (Mitchelton-Scott) 2016, John Degenkolb (Trek-Segafredo) 2015 und Niki Terpstra (Quick-Step Floors) 2014 sind die Sieger der vergangenen fünf Austragungen dabei. Das Rennen bestimmen wird vor allem das Team Quick-Step Floors. Mit Philippe Gilbert, Yves Lampaert und eben Niki Terpstra hat die belgische Equipe gleich drei Siegkandidaten in den eigenen Reihen. Während die deutschen Fans auf John Degenkolb hoffen, werden als Topfavoriten meist Peter Sagan und Greg Van Avermaet genannt. Fraglich wird sein, ob die betreffenden Personen freie Fahrt erhalten werden, oder für ihre Kapitäne arbeiten müssen. Mit dieser Unsicherheit können wir leider auch in unserer Tour de France Vorschau nicht aufräumen.
John Degenkolb (Trek-Segafredo):
„Das ist eine Etappe, bei der ich natürlich auf Sieg fahre.“
Greg Van Avermaet (BMC):
„Es ist spektakulär hier zu gewinnen. Ich hoffe, ich kann das Gelbe Trikot bis Sonntag behalten.“
Velomotion-Prognose: Sagan zieht Majka mit und siegt in Roubaix
Im Radsport wird kein Rennen ohne die richtige Teamtaktik gewonnen, was besonders auf die morgige Etappe zutreffen wird. In unserer Tour de France Vorschau tippen wir auf Weltmeister Peter Sagan. Der Slowake gewann in diesem Jahr Paris-Roubaix und beeindruckt neben seiner Fähigkeiten auf Kopfsteinpflaster vor allem durch seine Radbeherrschung. Daher ist er der perfekte Pilot für Rafal Majka. Der Pole kann von Sagans Stärke profitieren und Zeit auf seine Kontrahenten gutmachen. Geht es dann um den Etappensieg, wird Bora-hansgrohe Peter Sagan freie Fahrt geben, denn schließlich ist auch das Grüne Trikot ein großes Ziel der deutschen Mannschaft. Ebenfalls überzeugen wird Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida). Vermutlich wird der Italiener nach dieser Etappe in einer glänzenden Position sein und sich wieder ins Gespräch um den Gesamtsieg bringen. Wie sich Chris Froome (Sky), Romain Bardet (AG2R La Mondiale) und all die anderen Bergfahrer schlagen werden, hängt viel von ihren Teamkameraden und der nötigen Portion Glück ab.
*** Peter Sagan
** Greg Van Avermaet, Niki Terpstra
* Philippe Gilbert, John Degenkolb, Oliver Naesen