Test: Der italienische Hersteller lüftet den Vorhang und präsentiert die neue Super Record EPS mit zwölf Gängen. Velomotion konnte die Gruppe bereits ausführlich probefahren – hier unsere Eindrücke zur Campagnolo Super Record EPS 12.
Mit der ersten Zwölffach-Rennradgruppe stahl Campagnolo im Frühjahr 2018 der Konkurrenz die Show. Die Italiener, die damit nach Elffach im Herbst 2018 wieder mal die Ersten mit einem zusätzlichen Ritzel waren, stellten damals Zahnkranzpakete vor, die nun aber wirklich für jeden Einsatzzweck die richtige Übersetzung bieten sollten, und das ohne irgendwelche Lücken: 11-29 und 11-32 sind bis zum 17er in Einerschritten abgestuft; auf das 19er Ritzel folgen dann 21 bzw. 22, dann geht es mit gleichmäßig wachsenden Sprüngen bis zum leichtesten Gang. Kann man das noch toppen? Man kann, und zwar mit der elektronischen Variante EPS, die hier und da schon im Profi-Peloton gesichtet wurde und eine logische Weiterentwicklung der mechanischen Zwölffach-Gruppen ist. Die seit 2007 entwickelte und 2012 vorgestellte elektronische Schaltgruppe ist damit in ihrer vierten Version erhältlich, hat sich freilich die Funktion betreffend nicht verändert.
Bewährte Campa-Logik auch bei 12-fach elektronisch
Campagnolo setzt nach wie vor auf das bewährte „One lever, one action“-Prinzip: Daumentaste zum Wechsel aufs kleinere Ritzel bzw. Kettenblatt, Schalthebel zum Gangwechsel gegen die Federspannung von Schaltwerk und Umwerfer und starrer Bremshebel nur zum Verzögern. Die mechanische Variante des Systems überzeugte von Anfang dadurch, dass in beide Richtungen mehrere Ritzel geschaltet werden konnten und dass die Schaltzüge schon bei den ersten Varianten unterm Lenkerband verlegt wurden. Ebenfalls typisch Campagnolo waren immer schon die definierten, satt rastenden Schaltschritte, die den Fahrer nie im Unklaren über den Gangwechsel ließen – eine Tugend, die bei einigen einfachen Varianten des mechanischen Systems leider aufgegeben wurde.
Die EPS funktioniert bekanntlich nach demselben Prinzip, was sich gerade angesichts der geringeren Bedienkräfte elektronischer Schaltungen als Vorteil erwiesen hat. Die Tasten zum Hoch- und Runterschalten sind klar voneinander getrennt, sodass es nahezu unmöglich ist, sich zu verschalten; die „Multi Dome“-Technologie im Hebel – kleine Aluminiumplättchen mit genau definiertem Verformungswiderstand – sorgt für einen merklichen „Klick“ beim Schalten, was an das Feedback eines mechanischen Systems erinnert. Ob auf diese Weise elf oder zwölf Ritzel durchgeschaltet werden, macht für den Nutzer keinen Unterschied – die Gangwechsel laufen präzise und geschmeidig ab. Gleiches gilt für den Umwerfer, der die Kette auch unter Last willig aufs größere Blatt schiebt und bei Kettenschräglauf unauffällig nachjustiert.
Das neue elektronische Schaltwerk wirkt filigran und mit der unidirektionalen Carbonstruktur eleganter als sein Vorgänger. Seine mittellange Schaltschwinge erlaubt die Verwendung beider Ritzelpakete, wogegen für die alte EPS bei 29 Zähnen Schluss war. Die überarbeitete Geometrie sorgt dafür, dass die obere Kettenrolle dicht am Ritzelpaket steht, was für einen optimalen Umschlingungswinkel der Kette sorgt.
Campagnolo Super Record EPS 12: Hochwertiges Äußeres voller Hightech
Wenn sich die Ergopower-Hebel der 12-fach EPS auch anfühlen und schalten wie ihre Vorgänger, ist ihr elektronisches Innenleben doch völlig neu. Elffach-Hebel lassen sich folglich auch nicht per Software-Update auf das zusätzliche Ritzel umstellen. Per Bluetooth und ANT+ kann das Schaltsystem mit elektronischen Endgeräten gekoppelt werden und individuell konfiguriert werden; das dazu nötige „Interface“ kann entweder unterm Vorbau oder im Lenkerende untergebracht werden. Auch eine manuelle Feineinstellung des Schaltwerks ist damit möglich. Auch mechanisch ist eine Individualisierung möglich: Per Inbusschlüssel können Griffweite sowie Leerweg der Bremshebel eingestellt werden. Der neue Akku, der nun dank schlankerer Form in noch mehr Rahmen passen soll, ist mit 10 % mehr Kapazität nun noch ausdauernder.
Vieles der neuen Super Record EPS ist bereits vom Vorjahr bekannt, etwa die glattflächige Tretlagergarnitur mit hohlen Kurbelarmen, deren schimmernde Carbonfasern von keinerlei Lack bedeckt werden und dauerhaft UV-beständig sein sollen. Auffälligstes Merkmal der rechten Kurbel sind die sogenannten „Braces“, Verbindungsstege zwischen jeweils zwei der vier Arme des Kurbelsternsdie Steifigkeit und Kraftübertragung verbessern sollen. Die zwei Kettenblätter (in den Kombinationen 50/34, 52/36 und 53/39) verfügen jeweils über einen eigenen Lochkreis und werden getrennt voneinander montiert. Bekannt sind auch die im vergangenen Jahr vorgestellten Felgenbremsen, auch in einer Direct-mount-Variante erhältlich, die gegenüber den alten Skeleton-Bremsen steifer sind und einen härteren Druckpunkt bieten.
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Die ebenfalls bekannten Scheibenbremsen der Italiener sind natürlich die zukunftsweisendere Variante. In Zusammenarbeit mit Magura entwickelt, soll die Bremsanlage besonders hitzefest sein – Videos aus dem Testlabor zeigen eine bei 300 Grad rotglühende Scheibe, während die Temperatur am Bremssattel niedrig bleibt. Damit soll das gefürchtete Bremsfading ausgeschlossen sein. Abgerundete Bremsscheiben und angeschrägte Beläge sollen den Radeinbau erleichtern; die Beläge mit großer, wärmeabführender Trägerplatte sind darüber hinaus mit einem optischen Verschleißindikator ausgestattet.
First Ride: Erste Fahreindrücke zur Campagnolo Super Record EPS 12
Auf der Straße erweist sich die neue Campagnolo Super Record EPS 12 als würdige Nachfolgerin der Elffach-Gruppe. Ob man das jeweils größte Ritzel nun häufig braucht oder nicht, sei dahingestellt – mit dem Zwölffach-Paket ist man jedenfalls für wirklich alles gerüstet, was einen Rennrad-tauglichen Straßenbelag hat, und das ohne irgendwelche Lücken bei den viel genutzten Gängen. Die Tasten am Ergopower-Hebel geben ein deutliches Feedback und weisen so viel Widerstand auf, dass man sie nicht aus Versehen betätigt. Selbst der Schaltvorgang aufs große 32-Ritzel läuft geschmeidig ab; Kettenschräglauf wird nicht durch Rattern oder merkliche Reibung bestraft.
Als hervorragend dosierbar erweist sich wieder einmal die starke Scheibenbremse von Campagnolo. Wer in Bremsgriffhaltung fährt, braucht nur den Zeigefinger in die angenehme Mulde am Hebel legen und kann damit ebenso feinfühlig dosieren wie kraftvoll zupacken. Damit wirkt die Bremse berechenbar und Vertrauen erweckend – genau das, was man an steilen Abfahrten, in engen, schnellen Kurven und auf welligen Strecken braucht.
Braucht man die Campagnolo Super Record EPS? 4.327 Euro kostet die komplette Gruppe mit Felgenbremsen, 4.677 Euro mit Discbrake. Das klingt gewaltig, liegt aber nur wenig über den Preisen der entsprechenden Elffach-Gruppen und dürfte am Markt ohnehin deutlich weniger sein. Dafür bekommt man eine der modernsten Rennrad-Grupen der Welt, mit 2.255 bzw. 2.505 Gramm relativ leicht und sogar in gewissen Weise nachhaltig – Campagnolo bietet nämlich nach wie vor Einzelritzel und die großen Dreierblöcke der Kassetten als Verschleißteile an. Ob die elektronische Schaltung deutliche Vorteile gegenüber den deutlich günstigen mechanischen Varianten hat, muss jeder selbst entscheiden – die Funktion der EPS ist jedenfalls perfekt.