Test: Es ist wieder soweit! Shimano präsentierte am vergangenen Wochenende in Spanien die neueste Entwicklungsstufe ihrer ältesten, seit 1982 etablierten XT Gruppe. Wir haben die wichtigsten Infos und erste Testeindrücke für euch.
Es sind schon wieder fünf Jahre vergangen, seitdem Shimano mit der XT M8000 seiner wohl bekanntesten und wichtigsten MTB-Gruppe einen riesigen Evolutionsschub verpasste. Fünf Jahre – das dürfte den Shimano Fans bekannt sein – ist üblicherweise der Produktzyklus für die Gruppen aus Japan. So war es für uns keine allzu große Überraschung, als uns beim Pressecamp in Spanien vergangene Woche neben der neuen SLX auch eine neue XT Gruppe präsentiert wurde. Diese hört auf den Namen Shimano XT M8100 und um die wahrscheinlich drängendste Frage zu beantworten: Ja, sie „erbt“ den zwölften Gang von der im letzten Jahr vorgestellten XTR Gruppe. Doch das ist bei weitem nicht alles, was es Neues gibt: Trotz zwölf Gängen wird der Umwerfer nicht in Rente geschickt und die 4-Kolben-Bremse wurde komplett überarbeitet.
Shimano XT M8100 – Bewährte Performance mit 12 Ritzeln?
Es ist kein Geheimniss, dass US-Konkurrent Sram Shimano in den vergangenen Jahren im MTB Bereich etwas den Rang ablaufen konnte. Der Hauptgrund dürfte die recht offensive und anfangs mutige Abkehr vom Umwerfer und die Einführung breit abgestufter Kassetten gewesen sein, die bei Herstellern und Fahrern gleichermaßen auf fruchtbaren Boden fiel. Doch mit der Einführung der ersten MTB 12-fach Gruppe XTR M9100 schlug Shimano im vergangenen Jahr zurück und legt nun mit XT (und SLX) nach – und wie: Wie schon bei der Top-Gruppe bietet sich den Käufern der neuen XT die Wahl zwischen 1-fach und 2-fach Antrieben, zwischen der sehr breit abgestuften 10-51 Kassette und auch einer 10-45 Variante für Freunde kleinerer Gangsprünge. Doch der Reihe nach.
Wie schon bei der XTR lässt Shimano seinen Fahrern auch im Jahr 2019 noch die Wahl zwischen einem oder zwei Kettenblättern. Im 1-fach Setup hat man damit 510% (10-51) oder 450% (10-45) Bandbreite. Setzt man vorn auf eine Lösung mit zwei Kettenblättern, kann man sogar satte 632% Bandbreite bekommen – kleinere Gangsprünge gibt’s obendrein. Beide Kassetten setzen auf den neuen Microspline Freilauf. Das ist mutig von Shimano, aber folgerichtig: Nach der Einführung mit der XTR Gruppe im letzten Jahr haben mittlerweile einige Dritthersteller (z.B. DT Swiss, Mavic, I9) diesen Freilauf im Programm und man ist damit nicht auf Naben aus Japan festgelegt. Trotzdem dürfte es spannend sein zu beobachten, wie sich der Markt entwickelt, da nun im MTB Bereich drei Freilaufstandards konkurrieren: Der bekannte Shimano/Sram 11-fach Standard, XD und nun Microspline. Gerade im OEM Bereich dürfte es nun einige Bewegung geben.
Shimano XT M8100 – Bis zu 636% Bandbreite
Die Kassetten bestehen aus jeweils 10 Stahl- und zwei Aluminiumritzeln. So bekommt man eine vergleichsweise lange Haltbarkeit bei den kleineren Ritzeln, die meist deutlich öfter beansprucht werden und spart Gewicht bei den beiden größten, die üblicherweise nur während steiler Anstiege zum Einsatz kommen. So konstruiert kommen die Kassetten auf 470g (10-51) bzw. 461g (10-45). Wer vorn mit einem Kettenblatt unterwegs ist, hat die Wahl zwischen 28, 30, 32, 34 oder 36er Kettenblatt, das per Direct Mount direkt am ebenfalls komplett neuen, natürlich hohlgeschmiedeten, Kurbelarm befestigt wird. Möchte man lieber zwei Kettenblätter, bietet Shimano eine 26-36 Variante der Kurbel an, die sich mit der 10-45er Kassette kombinieren lässt und damit sämtliche Bandbreiten-Rekorde bricht: Perfekt für einen sportlichen Transalp oder auch für Marathonrennen.
All das wird natürlich erst mit den entsprechenden Schaltwerken möglich: Hier gibt’s bei der Shimano XT M8100 zwei: Entweder für 1-fach oder 2-fach Antriebe. Gemeinsam haben sie das vergrößerte obere Leitröllchen mit 13 Zähnen, das die Kettenführung und damit die Schaltqualität verbessern soll. Mit an Bord ist natürlich auch die bekannte und bewährte Shadow+ Schaltwerksdämpfung, die Kettenschlagen minimiert.
Zu neuen Schaltwerken gehören auch entsprechende Schalthebel: Bei der XT M8100 setzt Shimano (zum Glück…) weiterhin auf den ISPEC-EV Montagestandard, mit dem sich die Schalthebel – falls gewünscht – an der Schelle der Bremsen befestigen lassen. Shimano-Fans dürften erfreut zur Kenntnis nehmen, dass es auch bei der neuen XT Gruppe weiterhin möglich ist, zwei Ritzel auf einmal nach unten bzw. drei nach oben zu schalten. Ergonomisch bleibt vieles beim Bewährten, positiv fällt die gummierte Oberfläche des großen Schalthebels auf. Der Trigger für den Umwerfer kommt wie schon bei der neuen XTR nur mit einem Hebel, der ein einfaches Wechseln zwischen großem und kleinen Kettenblatt ermöglicht.
Shimano XT M8100 – Bremsen mit 4 oder 2 Kolben
Neben der Schaltgruppe präsentierte uns Shimano auch die neuen XT Bremsen, die die großen Fußstapfen des Vorgängers füllen sollen. Bei der für den XC-Bereich vorgesehenen 2-Kolben Variante gibt es beim Bremssattel – vom Design abgesehen – keine Neuerungen, während die für Trail und Enduro konstruierten 4-Kolben Version mit dem Vorgänger nichts mehr gemein hat. Diese basiert auf der 4-Kolben Version der XTR M9100 und nutzt auch deren Beläge. Neu sind in beiden Fällen die Bremsgeber: Auf den ersten Blick ähneln sie ihren Vorgängern wie ein Ei dem anderen, bei genauerer Betrachtung fällt jedoch eine Abstützung des Ausgleichsbehälters am Lenker auf. Packt man bei starken Bremsmanövern fest zu, kann sich der Geber damit kaum verwinden: Das beschert dem Fahrer einen spürbar härteren und definierteren Druckpunkt.
Die Features der Bremse kennt man bereits vom Vorgänger: Werkzeuglose Hebelweiteneinstellung ist ebenso an Bord wie die Free-Stroke Einstellung, mit der sich die Position des Druckpunkts feinjustieren lässt. Dank Servowave gibt’s einen kurzen Hebelweg und eine progressive Krafteinwirkung – eine Variante mit linearem Bremsverhalten wie bei der XTR Gruppe gibt’s für die XT nicht.
Nicht nur optisch, auch technisch durchaus auffällig kommen die neuen XT Scheiben daher. Sie sind ausschließlich für Centerlock erhältlich und mit der Icetec Freeza Technologie ausgestattet. Der Alu-Kern wird zu Kühlfinnen weitergeführt, womit die Wärmeabfuhr verbessert und Fading minimiert werden soll.
Zu guter Letzt gibt’s auch neue Laufräder aus der XT Reihe: Wie bei den Bremsen hat man auch hier die Wahl zwischen einer Variante für die XC Racer und Marathonisti und den Trail- und Enduropiloten. Bei ersteren halten Straight Pull Speichen die 24mm breiten Alufelgen an den neu konstruierten XT Naben. Die Felge der Enduro-Variante ist 30mm breit, der Aufbau kommt ohne Straight Pull aus. Beide Varianten sind jeweils in 27,5″ und 29″ erhältlich und ausschließlich für Boost Gabeln bzw. Rahmen. Das Gewicht ist durchaus konkurrenzfähig: Die XC Variante kommt auf 1.764g (27,5″) bzw. 1.840g (29″), der Trail Laufradsatz ist mit 1.846g (27,5″) bzw. 1.940g (29″) nur minimal schwerer.
Shimano XT M8100 – Erste Fahreindrücke
In der Spanischen Provinz Girona hatten wir im Rahmen des Shimano Pressecamps die Möglichkeit, die neuen XT Komponenten zu testen.
Angefangen mit der Schaltperformance: Schon auf den ersten Metern im Uphill zeigte sich ein deutlicher Unterschied zum Vorgänger. Die Schaltwechsel gingen spürbar schneller vonstatten, ohne jedoch das Shimano-typische smoothe Schaltverhalten vermissen zu lassen. Selbst ungeschickte Schaltvorgänge mit großen Druck auf dem Pedal brachten die Gruppe nicht aus dem Tritt. Wird’s auf dem Trail etwas hektischer und das Gelände schlängelt sich in schnellen Folgen auf und ab, ist die Möglichkeit, in beide Richtungen mehrere Gänge auf einmal zu schalten Gold wert.
Es ist schwierig, viele Worte über die Performance der neuen Shimano XT M8100 zu verlieren. Dafür war sie im besten Sinne zu unauffällig: Kein Haken, kein Klappern – auch nach mehreren Tagen feuchten und teils nassen Bedingungen. Wir waren bei der Enduro-Testrunde auf einem Scott Genius mit einem Kettenblatt vorn und der neuen 10-51 Kassette unterwegs. Auffällig war die geringe Geräuschkulisse der Gruppe – eine Wohltat für jeden Fahrer. Um das viel-zitierte Haar in der Suppe zu suchen: Ein klein wenig mehr Feedback während des Schaltens hätten wir uns am Hebel gewünscht. Da verhielt sich die XT für unseren Geschmack fast schon ein wenig zu smooth.
Deutlich auffälliger und das ebenfalls im höchsten Sinne positiv war die Performance der Bremse. Wir waren mit der neuen 4-Kolben Anlage unterwegs – mit einem Wort: Bissig! Knackiger Druckpunkt, geballte Bremspower ohne dabei große Abstriche bei der Dosierbarkeit machen zu müssen. Die Haptik des Geberkolbens konnte uns gleich beim Einstellen überzeugen. Der Hebel liegt sehr gut in der Hand und lässt sich schnell und bequem anpassen.
Shimano XT M8100 – Preise und Verfügbarkeit
Zu den Preisen der neuen Gruppe schweigt man sich sowohl bei Shimano als auch beim deutschen Importeur Paul Lange derzeit noch aus. Jedoch dürften Infos diesbezüglich nicht allzu lange auf sich warten lassen, da die Gruppe bereits im Laufe des Junis im Handel verfügbar sein soll.
Shimano XT / SLX 2019 Gewichte
Shimano SLX M7100 | Shimano XT M8100 | Shimano XTR M9100 | Sram GX Eagle | Sram XX1 Eagle | |
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Schaltwerk | 322g | 290g | 241g | 290g | 264g |
Schalthebel | 117g | 117g | 117g | 122g | 122g |
Kurbel (32t / 175mm( | 631g | 620g | 516g | 621g | 422g |
Kassette (10-51 / 10-50) | 534g | 470g | 357g | 450g | 356g |