Tour de France Geschichte: Am 20.07.2004 kam es in Deutschland zu einer mittelschweren Radsport-Krise. Als Jan Ullrich attackierte, musste Jens Voigt auf ihn Jagd machen. Völlig legitim, denn sie fuhren in verschiedenen Mannschaften. Was danach folgte, war eine Hetzjagd – nicht legitim.
Ullrich setzt alles auf eine Karte
Wir befinden uns im Jahr 2004. Auch damals begann die Tour de France in Lüttich. Wieder zum Team T-Mobile zurückgekehrt, galt Jan Ullrich erneut als einer der aussichtsreichsten Herausforderer von Lance Armstrong. Der Texaner gewann die vergangenen fünf Austragungen und wollte mit seinem sechsten Sieg 2004 zum alleinigen Rekordhalter aufsteigen. Und es sah gut aus für ihn, denn nach 14 Etappen lag Jan Ullrich auch auf Grund einer Erkältung und daher schlechte Resultaten in den Pyrenäen fast sieben Minuten zurück. In dessen Teamkollegen Andreas Klöden und dem Italiener Ivan Basso vom Team CSC fand Lance Armstrong jedoch neue Herausforderer. Auf der 15. Etappe jedoch versuchte es das Team T-Mobile noch einmal mit einer Attacke von Jan Ullrich. Der damals 30-Jährige griff auf der 180,5 Kilometer langen Etappe von Valréas nach Villard-de-Lans bereits frühzeitig an, um einen möglichst großen Vorsprung herausfahren zu können.
Riis pfeift Voigt für Basso zurück
Am selben Tag war Jens Voigt – Teamkollege von Ivan Basso – in einer Ausreißergruppe vertreten. Da der Angriff von Jan Ullrich auch ein Angriff auf das Tour-Podium war, musste das Team CSC reagieren. Lance Armstrong hatte zwar Helfer bei sich, doch der Texaner sah keine Notwendigkeit darin, Jan Ullrich zwingend wieder einzufangen. Sein Vorsprung auf den Deutschen war schließlich beruhigend. Also traf CSC-Teamchef Bjarne Riis eine Entscheidung. Jens Voigt musste sich zurückfallen lassen, um seinem Kapitän Ivan Basso zu unterstützen. Gesagt, getan. Jens Voigt spannte sich an die Spitze der Gruppe und begann die Verfolgungsjagd. Sie glückte, denn die Lücke konnte geschlossen werden. Der Etappensieg ging an Lance Armstrong vor Ivan Basso. Die Top vier Klassementfahrer – Armstrong, Klöden, Basso und Ullrich – trennten auf dieser Etappe nur sechs Sekunden.
Deutsche Fans sehen in Voigt den Schuldigen
Obwohl Jens Voigt einen großartigen Job gemacht hat, bekam er tags darauf den Unmut der deutschen Fans zu spüren. ARD-Kommentator Hagen Boßdorf hat den Berliner nämlich während der Live-Übertragung dafür kritisiert, Jan Ullrich hinterherzufahren. Im Bergzeitfahren nach Alpe d’Huez wurde Jens Voigt daher wüst beschimpft. Deutsche Zuschauer sahen in ihm einen Landesverräter. Verwunderlich, denn die Sinnhaftigkeit der Nachführarbeit müsste einem Radsportfan eigentlich ebenso verständlich sein, wie die Notwendigkeit der Loyalität. Schließlich ging es für das Team CSC um die Verteidigung des Podiumsplatzes. Am Ende der Tour de France landete Ivan Basso auf dem dritten Rang, 2:10 Minuten vor Jan Ullrich. Wäre Jens Voigt auf besagter 15. Etappe also nicht Jan Ullrich hinterhergefahren und dieser wäre mit mehr als 2:10 Minuten Vorsprung vor Ivan Basso angekommen, hätte das Team CSC den Podiumsrang an Jan Ullrich verloren.
Jan Ullrich:
„Es kann doch nicht sein, dass auf Jens so eine Hetzjagd veranstaltet wird. Mir sind fast die Tränen gekommen, als ich erfahren habe, was Jens passiert ist. Er ist seit Jahren ein super Kumpel und hat sich völlig richtig verhalten.“
https://www.youtube.com/watch?v=uEJr8SH-6tQ