Produktnews / E-Performance: Als Bosch vor nunmehr zwei Jahren erstmals sein E-Bike ABS System der Öffentlichkeit präsentierte, waren wir sofort von der Funktion überzeugt. Die eher wenig elegante Integration war uns jedoch ein Dorn im Auge und ist wohl auch der Hauptgrund, weshalb sich das System trotz seiner unbestrittenen Sicherheitsvorteile bislang nicht in der Breite durchsetzen konnte. Mit dem italienischen Hersteller Blubrake bekommt Bosch nun Konkurrenz – das Unternehmen mit Sitz in Mailand verspricht vergleichbare Funktion, verschwindet jedoch vollständig im Rahmen und ist überdies mit allen gängigen Bremsen kompatibel.
Im Automotive-Bereich sind moderne Anti-Blockier-Systeme seit vielen Jahren Gang und Gäbe, beim Fahrrad zählen sie – obwohl mittlerweile technisch umsetzbar – zur absoluten Ausnahmeerscheinung. Dabei dürfte der Sicherheitsgewinn durch ein solches System in vielen Fällen unbestritten sein. Während ein ABS an sportiven Rädern, seien es Rennräder oder MTBs, sicherlich fehl am Platz wäre, passt es perfekt ins Einsatzgebiet moderner Touren-, Trekking- oder Cityräder – insbesondere in Zeiten der E-Mobilität. Blockierende Vorderräder führen nicht selten zu Stürzen, die nicht nur im dichten Straßenverkehr übel enden können.
Unsichtbarer Bremsassistent
Das Blubrake ABS teilt sich seine grundsätzliche Funktionsweise mit dem Pendant von Bosch: Ein spezieller Ring an der vorderen Bremsscheibe überwacht im Zusammenspiel mit dem passenden Sensor die Drehung des Vorderrads und übermittelt diese an die zentrale Kontrolleinheit. Diese erhält darüber hinaus weitere Daten aus dem System und integrierte Algorithmen entscheiden, ob das ABS tätig werden soll – also beispielsweise dann, wenn das Vorderrad blockiert oder das Hinterrad den Kontakt um Boden verlieren sollte. Die Bremsleitungen der Scheibenbremse laufen durch eine weitere Einheit des Systems, welche im Fall der Fälle den Bremsdruck reduziert, bis die Gefahr des Überschlags oder des Wegrutschens gebannt ist. Das komplette System und all seine Bauteile sind dabei im Rahmen verbaut – am Showbike auf der Eurobike stecken sämtliche Komponenten im Oberrohr. Von außen ist dabei lediglich die Kontrollleuchte sichtbar, die über die Funktion des Systems informiert.
Laut Angaben von Blubrake ist das System komplett wartungsfrei und funktioniert prinzipiell an allen Rädern und mit allen Bremsen, da die Algorithmen in Zusammenarbeit mit den Herstellern entsprechend angepasst werden. Klingt gut? Das fand man auch bei Bulls, wo für das Modelljahr 2020 gleich vier E-Bikes mit dem Blubrake ABS ausgestattet sein werden. Das Mehrgewicht sämtlicher Komponenten beläuft sich übrigens auf überschaubare 650g.
Erste Test-Impressionen
Im Rahmen der Eurobike 2019 konnten wir das Blubrake ABS erstmals an einem der Bulls E-MTBs auf die Probe stellen. Durch einmaliges Ziehen am Bremshebel wird das System nach dem Losfahren aktiviert – eine Blaue LED auf dem Oberrohr gibt das „OK“. Erste Testbremsungen auf Asphalt verlaufen erfolgreich und zeigen direkt den Charakter des Systems, der sich minimal von dem der Bosch-Konkurrenz unterscheidet. Zieht man bei hoher Geschwindigkeit mit aller Kraft an der Vorderradbremse, zügelt das ABS die Bremskraft direkt zu Beginn drastisch, um dann wieder zuzupacken und dann wieder etwas rauszunehmen. Dieses „Wellen-Feeling“ ist anfangs etwas ungewohnt, erfüllt seinen Zweck jedoch absolut zuverlässig. Ob man nun dieses „Intervall-Bremsen“ bevorzugt oder das klassische Stottern des Bosch E-Bike ABS ist Geschmackssache – die Funktion ist jedoch in beiden Fällen gegeben.
Viele von zu scharfem Bremsen verursachten Radunfälle passieren jedoch nicht auf Asphalt, sondern auf losem Untergrund, vor allem Schotter. Um das Blubrake ABS auch hier zu testen, haben wir uns auf den kurzen MTB-Parcours am Rande des Messegeländes begeben und einige höchst ungünstige Bremsmanöver simuliert. Eingeschlagener Lenker, Gewicht weit hinten auf dem Rad und ein beherzter Griff zum linken Bremsgriff. Auch hier erfüllt das ABS unsere Erwartungen, hier und da kommt das Vorderrad jedoch kurz ins Rutschen. Um jedoch keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir waren jederzeit in der Lage, das Rad unter Kontrolle zu halten und unsere Bremsmanöver hätten an jedem nicht-ABS-Rad zu 100% zum Sturz geführt. Dass das Blubrake ABS ausschließlich am Vorderrad aktiv ist, erwies sich bei uns in der Praxis nicht als problematisch.
Unsere dem Messestress geschuldet äußerst kurze Testfahrt lässt sich also mit einem durchaus positiven Fazit resümieren. Um die Zuverlässigkeit des Blubrake ABS und seine Alltags-Performanche abschließend beurteilen zu können, ist eine längere Testphase notwendig. Wir hoffen jedoch, dies in Kürze nachholen zu können.