Radsport: Als Radprofi ist er unter anderem mit Jens Heppner, Christian Knees, André Greipel und sogar Geraint Thomas in einer Mannschaft gefahren. Jetzt fungiert Lars Wackernagel als Sportlicher Leiter im Continental-Team P&S Metalltechnik. Weil sich diese Mannschaft teilweise professioneller präsentiert als viele WorldTour-Teams, haben wir uns mit ihm im Velomotion-Interview etwas ausführlicher unterhalten.
Das erste Jahr als Continental-Team liegt hinter P&S Metalltechnik.
Wie sieht dein Resümee aus?
Lars Wackernagel: „Wir und die Sponsoren sind wirklich sehr zufrieden gewesen. Einen richtigen Dämpfer gab es nur durch den schweren Sturz von Fabian Käßmann. Dies hat einiges durcheinander gebracht und man musste erst wieder langsam in den Rennalltag zurück finden. Aber auch das ist gut gelungen.“
Wie geht es Fabian Käßmann heute? Und wie verlief die Spendenaktion?
„Ihm geht es gut und die Spendenaktion wird ihm sehr helfen. Viele Leute haben sich daran beteiligt. Er ist ein guter Junge und das hat er von den ganzen Leuten auch zu spüren bekommen. Nach wie vor ist sein rechtes Augenlicht noch nicht wieder da. Wir alle hoffen, dass dies wieder zurück kommen wird. Uns bleibt bei diesem Thema nur die Hoffnung auf ein kleines Wunder. Ich halte aber so oder so einen Platz für ihn frei. Wenn er bereit ist, kann er sofort zurück kommen.“
Bei der Deutschland Tour ist mir euer Team vor allem durch gute Laune aufgefallen.
Ist das ein Teil eures Erfolgsrezepts und wie kannst du als Teamchef dafür sorgen?
„Harmonie und Spaß sind große Worte, aber für uns ist es auch ein großes Bestreben, dies immer wieder bei uns zu behalten. Ist die Moral und das Verstehen untereinander gut, kann man auch gut Radrennen fahren. Es lässt sich für den jeweiligen Teamkollegen einfach besser kämpfen und alles geben. Wir sind füreinander da und das auch in den schwierigen Phasen. Jeder nimmt auch mal einen Fehler auf seine Kappe – mich eingeschlossen. Das sorgt immer für Ruhe und man kann sich sofort den nächsten Dingen widmen. Es muss einfach im internen Kreis ausgesprochen und geklärt werden. Nur so geht es gut voran.“
Auch wenn die Deutschland Tour sicher das Highlight des Jahres war –
der Alltag ist die Bundesliga.
Hier konntet ihr sowohl in der Team- als auch in der Einzelwertung vorn mitfahren.
Wie zufrieden seid ihr mit den Resultaten?
„Da es für die 2019er Deutschland Tour ein wichtiges Qualifikationskriterium war, sind wir natürlich sehr motiviert gewesen – ganz besonders für die ersten vier Bundesligarennen. Das dann führende Team konnte sich nämlich automatisch für die Deutschland Tour qualifizieren. Dies ist uns gelungen und war natürlich perfekt.“
Bald geht’s in der Rad-Bundesliga wieder los.
Wie sehen eure Pläne in den kommenden Wochen aus?
„Wir nehmen jedes Rennen in Deutschland sehr ernst, um auch hier in unserer Heimat dem Radsport mit Präsenz zu helfen, sich weiter zu entwickeln. Dort nur mitzufahren, um dabei zu sein, ist nicht in unserem Interesse. In diesem Jahr geht es mit Rund um Düren am 4. April mit der Bundesliga-Saison los. Dort wollen wir gern bereit sein.“
Die Rad-Bundesliga bekommt insgesamt relativ wenig Aufmerksamkeit.
Wie könnte dies deiner Meinung nach in Zukunft verbessert werden,
um deutsche Nachwuchsfahrer und kleinere Teams mehr in den Fokus zu rücken?
„Es ist in den letzten Jahren schon einiges passiert. Die Serie ist offener geworden. Und allein durch die Deutschland Tour hat die Serie einen neu gewonnenen Stellenwert. Wir wünschen uns natürlich mehr Teams aus dem Ausland, um sich mit ihnen zu messen und die jungen Fahrer im eigenen Land an ein internationales Level heranzuführen. Der Traum wäre, aus den Rennen mehrere 1.2 Rennen der UCI-Klasse zu machen. Dann wäre die Teilnahme ausländischer Mannschaften garantiert. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Veranstalter einige Ideen zur Weiterentwicklung der Serie im Schubfach haben und diese auch versuchen umzusetzen. Wir wissen alle, was der Radsport in Deutschland benötigt und diese Hausaufgaben muss jeder in seinem Bereich erledigen. Der Nachwuchs ist eine große Herausforderung. Wir müssen dem Nachwuchs weiterhin eine gute und noch ausbaufähige Basis geben.“
Am 20. August startet die Deutschland Tour.
Ist eine Teilnahme für euch erneut ein Thema,
oder ist sie auf Grund der unklaren Entscheidungskriterien nicht eingeplant?
„Dort wollen wir wieder hin. Aber wir wollen auch Rennen fahren, die wir gewinnen können. Also sollten wir bei jedem Rennen fokussiert sein und etwas mit nach Hause nehmen. Denn später bei der Deutschland Tour treffen wir auf die „diggen Jungs“. Und da heißt es dann irgendwie überleben und Erfahrung auf der ganz großen Bühne sammeln. Allein dafür sollte man so stark an den Start gehen, um so lange wie möglich auf den Etappen auch seine Erfahrungen zu sammeln.“
Allgemein scheint es für die kleinen Teams nicht einfacher zu werden.
Die UCI verhängt künftig für die Rennen der ProSeries Startgebühren.
Was sollen die kleineren Teams davon halten?
„Die kleinen Teams müssen so oder so immer viel Geld mitbringen, um internationale Rennen zu fahren oder überhaupt eine Einladung zu bekommen. Und das ist jetzt eine weitere Gebühr, die natürlich den kleinen Mannschaften weh tun wird. Wir alle mussten sie kurzfristig mit einplanen. Wenn dann das eine oder andere Team eine Einladung der ProSeries erhält, hat es sich schon gelohnt. Wir warten dies ab.“
P&S Metalltechnik tritt im Internet auf wie ein WorldTour-Team.
Eure Außendarstellung wird – zum Beispiel dank zahlreicher Videos –
nur von wenigen Top-Teams übertroffen.
Wieso fällt es so vielen Teams schwer, sich den Fans attraktiv zu präsentieren?
Und war diese Art der Selbstvermarktung von Anfang an geplant?
„Ich hatte die Idee vor zwei Jahren mal etwas anderes zu probieren, außer nur sportlich zu glänzen. Wie können wir uns darstellen – und vor allen Dingen – wie können wir den ganzen Radsportfans zeigen, was genau hinter den Kulissen alles dazu gehört und von Nöten ist? Die Idee das „Radsportteam zum Anfassen“ war geboren. Und dann hieß es, die richtige Hilfe und Kompetenz zu finden und zu finanzieren. Wir haben uns die Dienste von Sebastian Paddags sichern können. Wir beide kannten uns schon sehr lange. Ich habe ihm von dem Vorhaben berichtet und er hat begonnen zu filmen und die richtigen Töne einzufangen. Er hat mich und die Idee von Anfang an sehr gut verstanden, um das Ganze dann auf seine Art umzusetzen.“
Euer neuester Streifen heißt „Popstars in Polen“.
Wie kam es dazu und was erwartet uns?
„Der Film hatte mit Berlin und Gera bereits in zwei Städten seine Premiere. Das war für uns ein neues spannendes Projekt, welches sehr gut angekommen ist. Die Idee ist tatsächlich in Polen bei der Solidarnosc-Rundfahrt entstanden. Nach der ersten Etappe hatten wir so viel gutes Material. Das hätte in einen einzelnen Bericht nicht gepasst. Die Idee, eine Doku raus zu bringen, war bei der ersten Etappe im Auto geboren und alles andere ist dann gewachsen bis der Film schließlich fertig war.“
Bei all den guten Resultaten und der professionellen Außendarstellung
stellt sich die folgende Frage eigentlich ganz zwangsläufig:
Spielt P&S Metalltechnik mit dem Gedanken,
irgendwann noch einen Stück weiter zu gehen –
Richtung ProConti oder gar WorldTour?
„Wir wollen uns weiterhin um den Nachwuchs kümmern. Das Ganze gepaart mit Erfahrung. Der nächste Schritt ist nur mit sehr viel mehr Aufwand und finanzieller Unterstützung möglich. Wir denken, dass wir da, wo wir sind, erst einmal alles bewegen sollten, was es zu bewegen gilt.“
Mit Tom Lindner fährt ab dieser Saison ein weiterer
sehr talentierter Fahrer für P&S Metalltechnik.
Auf dem Crossrad ist er bereits vielen Fans aufgefallen.
Wie ist dein Eindruck bei ihm bezüglich einer großen Zukunft im Straßenradsport?
„Erstmal ist er ein guter Junge und natürlich ein großes Talent. Er selbst sollte dies aber zuerst realisieren. Und dafür braucht es gute Beratung und Zeit sowie Ruhe. Auch dann, wenn es nicht läuft. Allein immer nur darüber zu reden, was ein Fahrer für ein Talent ist, macht ihn selbst nicht schlauer – bezugnehmend drauf, wie man sein Talent zum Beispiel in einen guten Vertrag umsetzen kann. Diese Möglichkeiten findet er hier bei uns. Der U23-Titel bei der Deutschen Meisterschaft im Radcross war ein erster Schritt. Ich bin sehr gespannt auf ihn und was er aus seinem Talent herausholt. Ich traue ihm auf der Straße ebenso sehr viel zu.“