Radsport: Nikias Arndt hat im vergangenen Jahr eine Etappe bei der Vuelta a Espana gewonnen und damit einen weiteren großen Erfolg gefeiert. Jetzt träumt er von einem Sieg bei der Tour de France. Uns erzählt er im Interview unter anderem, dass er – wie vermutlich die meisten von uns – die Frankreich-Rundfahrt schon als Kind vor dem Fernseher verfolgt und mit Jan Ullrich mitgefiebert hat.
Name: | Nikias Arndt |
Nation | Deutschland |
Geburtstag: | 18. November 1991 |
Geburtsort: | Buchholz in der Nordheide |
Team: | Sunweb |
Größte Erfolge: | 1x Etappensieg beim Critérium du Dauphiné 2014 1x Etappensieg beim Giro d'Italia 2016 Cadel Evans Great Ocean Road Race 2017 1x Etappensieg bei der Vuelta a Espana 2019 |
Nikias Arndt (fast) in jedem Jahr ein Siegfahrer
Am 21. Juli 2017 war Nikias Arndt nah dran. Fast hätte der mittlerweile 28-Jährige damals eine Etappe bei der Tour de France gewonnen. Als Ausreißer musste er sich auf dem 19. Teilstück nur Edvald Boasson Hagen geschlagen geben. Genau dieser eine Etappensieg fehlt ihm jetzt noch, um das Triple bei Grand Tours perfekt zu machen. Denn Nikias Arndt gewann 2016 die 21. Etappe beim Giro d’Italia und 2019 die 8. Etappe bei der Vuelta a Espana. Allgemein scheint sich der Deutsche in jeder Saison vorzunehmen, mindestens ein Rennen zu gewinnen. Dies gelang ihm schließlich seit 2010 – ausgenommen 2018 – jedes Jahr. So richtig Fahrt nahm seine Karriere 2014 auf, als er beim Critérium du Dauphiné seinen ersten Sieg auf der World Tour feiern durfte. Und obwohl er meist als treuer Helfer eingesetzt wird, findet er immer wieder irgendwann und irgendwo die Gelegenheit, selbst ein Rennen zu gewinnen. So auch 2017, als er das Cadel Evans Great Ocean Road Race siegreich beenden konnte. Aber jetzt träumt er – wie er uns im Interview verrät – eben vor allem noch von einem Etappensieg bei der Tour de France.
Wie motivierst du dich während der Corona-Pause für das Training?
Nikias Arndt: „Klar, momentan ist es eine lange Phase, in der wir nur Training haben. Es herrscht eine große Ungewissheit, wann und ob wir wieder mit den Rennen anfangen. Natürlich ist es ab und an schwierig, die Motivation zu finden. Aber auf der anderen Seite ist es ja immer noch das, was wir gern machen und was wir lieben: raus gehen und Radfahren. Wir haben in Deutschland das große Glück, dass wir draußen trainieren können und dass das Wetter sehr gut war. Daher hatte ich wenige Trainingseinheiten auf der Rolle, sondern konnte sehr viel draußen realisieren. Ich habe die Möglichkeit genutzt, draußen in der Sonne zu fahren und die Zeit nur mit mir und meinem Rad zu verbringen. Daher war die Phase für mich nicht so schlimm. Aber dennoch ist die Vorfreude wieder da, ein Ziel zu haben und ich hoffe, dass die Rennen bald wieder los gehen.“
Wie entspannst du dich nach einer harten Trainings-Session oder nach intensiven Rennen?
„Nach einer harten Trainingseinheit gibt es zuerst ein Recovery-Meal, also ein Mittagessen. Meistens gibt es danach noch einen schönen Kaffee oder Cappuccino zu Hause. Am späten Nachmittag und Abend variiert es dann ein bisschen. An einigen Tagen ist es eine Stretching-Einheit, um die Muskulatur ein wenig zu lockern. An anderen Tagen arbeite ich mit dem Massagehammer, um mich selbst ein wenig zu massieren. Aktuell ist es ja nicht möglich mit Physiotherapeuten oder Masseuren zu arbeiten. Die dritte Möglichkeit, die ich momentan nutze, sind Recovery-Boots bzw. Kompressionsboots, die beim Abtransport von Laktat und der Regeneration helfen. Aber natürlich liege ich auch gern auf der Couch und lege die Beine hoch.“
Kannst du unseren Lesern eine gute Serie oder einen guten Film empfehlen?
„Bei Filmen und Serien bin ich relativ offen und habe nicht die großen Favoriten. Ich schaue, was sich gerade anbietet oder etwas, was meine Freundin gerade schauen will. Ich habe nicht so viele Serien gesehen, aber Homeland hat mir ganz gut gefallen. Auch Klassiker wie die Trilogie 96 Hours schaue ich ganz gern.“
Wie sieht dein Lieblingsessen aus und über was freust du dich im Verpflegungsbeutel besonders?
„Zuhause esse ich sehr gern ein richtig gutes Rinderfilet mit Ofenkartoffeln mit Rosmarin und etwas Gemüse, wie Brokkoli oder zu dieser Jahreszeit Spargel. Im Verpflegungsbeutel freue ich mich über eine Variation, einfach mal überrascht zu werden. Dabei ist egal, ob es mal ein Schokoriegel ist oder der Reiskuchen einen neuen Geschmack hat. Gerade bei einer Grand Tour freut man sich über jede Überraschung.“
Wer ist deiner Meinung nach der größte Radprofi aller Zeiten? Hattest du in deiner Jugend ein Vorbild?
„Da fällt mir als erstes Eddy Merckx ein. Er war zu seiner Zeit ein wahnsinniger Sportler, der wirklich alles gewonnen hat. Ansonsten ist es im Nachhinein natürlich schwierig, wenn man mitbekommt, was zu den jeweiligen Zeiten so gelaufen ist. In meiner Jugend war ich aber auch riesiger Fan der Tour de France und habe an den Nachmittagen die Etappen verfolgt. Es war ein super geiler Kampf damals, als Jan Ullrich vorn mitgefahren ist. Natürlich war ich auch absoluter Ullrich-Fan und hab da total mitgefiebert. Später bei den Junioren habe ich schon mehr auf aktuellere Profis geschaut. Da war zum Beispiel Marcel Kittel, der eingeschlagen hat wie eine Bombe und bei dem ich dachte „Boah, was ein Sportler“. Genau wie bei John Degenkolb oder Tony Martin. Die sind zwar nicht viel älter als ich, aber die beiden habe ich – als mein Sprung zu den Profis anstand – verfolgt. Sie hatten zu der Zeit schon große Rennen gewonnen und waren die großen Vorbilder, denen ich nacheifern wollte, um auch den Sprung zu den Profis zu schaffen.“
Warum ist der Radsport die geilste Sportart der Welt?
„Wen der Radsport einmal in seinen Bann gezogen hat, der kann sich dem nicht mehr entziehen. Ich glaube, das kann relativ schnell gehen. Wenn jemand zum ersten Mal Paris – Roubaix schaut, wird er es danach jedes Jahr wieder tun. Die „Hölle des Nordens“ ist einfach ein wahnsinniges Rennen. Was da den Rädern und dem Körper abverlangt wird, die spektakulären Bilder, wenn die Fahrer über das Pflaster fahren und Staub aufwirbeln. Gleiches gilt für die Tour de France: Die Aufnahmen die dort gemacht werden sind einfach sehr schön und genial gemacht. Darüber hinaus sind wir Sportler sehr greifbar. Wenn jemand zu einem Rennen kommt, kommt er sehr nah an uns heran. Das ist ein großer Unterschied zum Beispiel zum Fußball. Beim Radsport können die Fans am Bus stehen, wir kommen nach dem Rennen durchgeschwitzt, enttäuscht oder voller Freude am Bus an und die Fans können diese Emotionen hautnah miterleben. Die Freude und Gratulationen nach einem Sieg oder auch die Enttäuschungen sind sehr greifbar. Viele Menschen und auch Hobbysportler können sich dort auch selbst wiederfinden.“
Schaust du selbst gerne Radrennen? Erinnerst du dich an das erste Rennen, welches du gesehen hast?
„Grundsätzlich schaue ich auch selbst sehr gern Radrennen. Vor allem die Klassiker und Grand Tours guckt man sich schon sehr gerne an, wenn man nicht selbst dabei ist. Manchmal, wenn ich aus einer stressigen Rennphase komme und etwas Ruhe brauche, dann will ich aber auch einfach nur abschalten und mal keine Radrennen schauen. Aber meistens will man schon die Teamkollegen verfolgen und unterstützen. An mein erstes Radrennen kann ich mich nicht konkret erinnern, weiß aber, dass mein Vater immer Tour de France geschaut hat. Damals war ich allerdings noch nicht so radsportbegeistert und habe eher meinen Eltern nachgeeifert und die Rennen mit ihm zusammen geschaut. So bin ich da durch meinen Vater herangeführt worden.“
Welches war deiner Meinung nach das beste Rennen aller Zeiten?
„Paris – Roubaix 2015 steht auf jeden Fall hoch im Kurs. Damals haben wir als Team mit John Degenkolb das Rennen gewinnen können. Auch die Jahre davor waren die Rennen sehr geil. Wir haben als Team viel investiert, auf das Rennen hingearbeitet und es war ein absolutes Highlight unserer Klassiker-Kampagne. Die Ausgabe 2015 war ein absolut fesselndes Rennen, das auch heute noch sehenswert ist. Für mich ganz persönlich ist natürlich auch die 8. Etappe der Vuelta 2019 mit vielen positiven Emotionen behaftet, da ich diese für mich entscheiden konnte. Auch das war ein sehr spannendes Rennen in der Spitzengruppe, das ich mir im Nachhinein auch noch mal angeschaut habe und das sehr fesselnd, spannend und emotional für mich war.“
Wie sieht dein nächstes großes Ziel aus?
„Das oberste Ziel ist, dass wir alle gut durch die Corona-Zeit kommen, auch die Teams und Rennveranstalter, um danach vernünftig wieder anfangen zu können. Zudem habe ich immer schon gesagt, dass eines meiner größten Ziele ist, einmal eine Etappe bei der Tour de France zu gewinnen – und das verfolge ich auch weiterhin. Je nach dem, wann es mit den Klassikern weitergeht, möchte ich natürlich auch da gute Leistungen zeigen, egal ob in diesem oder im kommenden Jahr.“
Welche Tipps kannst du an junge Nachwuchsfahrer weitergeben?
„Das Wichtigste für Nachwuchssportler ist, zielstrebig an seiner Karriere zu arbeiten, sich nicht beirren zu lassen, von dem was andere links und rechts sagen oder machen. Man muss einfach seine Ziele verfolgen und seinen Weg gehen und dabei vor allem auf die wichtigsten Leute, wie den eigenen Trainer und die Eltern vertrauen. Dann muss man einfach jede Chance, die man bei einem Rennen bekommt, nutzen und sich bei jedem Rennen – egal ob Bundesliga, Europameisterschaft oder Weltmeisterschaft – bestmöglich präsentieren. Das bedeutet auch, bei diesen Rennen bestmöglich vorbereitet zu sein und mit viel Selbstvertrauen anzutreten.“