Radsport: Auch der Giro d’Italia 2021 beeindruckt vor allem durch seine harten Bergetappen. Dennoch haben sich einige Sprinter in die Startliste eingetragen. Auf den wenigen Flachetappen werden sie um die Tagessiege kämpfen.
Caleb Ewan (Lotto – Soudal)
Mit 5 Etappensiegen bei den vergangenen zwei Frankreich-Rundfahrten zählt Caleb Ewan zweifelsohne zu den besten Sprintern der Welt. Auch beim Giro d’Italia war er insgesamt schon dreimal erfolgreich. In diesem Jahr allerdings gewann der kleine Australier erst ein Rennen. Auf der siebten Etappe der UAE Tour ließ er Sam Bennett und Phil Bauhaus hinter sich. Die Ausbeute ist also relativ mager. Dennoch ist ihm eine starke Verfassung nicht abzusprechen. Bei Mailand – Sanremo hat er am Poggio gezeigt, dass er fast mühelos Attacken mitgehen kann und am Ende auch noch nach einer so langen Distanz sprintstark ist. Mit seinen Anfahrern Roger Kluge und Jasper de Buyst verfügt er hier beim Giro d’Italia außerdem über das beste Team in Sachen Sprintvorbereitung.
Fernando Gaviria (UAE)
Ganz klar in einem Formtief befindet sich seit rund eineinhalb Jahren Fernando Gaviria. Der Kolumbianer stagniert nicht nur in seiner Entwicklung, sondern scheint einige Schritte rückwärts gemacht zu haben. Seinen letzten Sieg bei einem WorldTour-Rennen feierte er 2019 bei der Tour of Guangxi. Im vergangenen Jahr erkrankte er gleich zweimal am Corona-Virus und wurde daher mächtig aus der Bahn geworfen. Von seinen insgesamt 6 Saisonsiegen konnte er keinen in der WorldTour einfahren. Im Jahr 2021 ist er bislang sogar ohne jeglichen Tageserfolg. Da er trotz dieser schwachen Resultate von seiner Mannschaft UAE für den Giro d’Italia nominiert wurde, dürfen wir aber davon ausgehen, dass der Formaufbau nach Plan läuft. Vielleicht ist die Italien-Rundfahrt für ihn auch genau das richtige Rennen, um wieder zurück zu alter Stärke zu finden. Schließlich gewann er beim Giro d’Italia schon fünfmal eine Etappe. Und das Team wurde für ihn auch passend zusammengestellt. Maximiliano Richeze und Juan Sebastian Molano zählen zu den besten Anfahrern der Welt.
Peter Sagan (Bora – hansgrohe)
Der Hype um Peter Sagan scheint in den vergangenen Jahren etwas nachgelassen zu haben. Immer mehr junge und interessante Profis drängen in den Straßenradsport und der einstige Rockstar dieser Szene fährt seinen Erfolgen aus der Vergangenheit etwas hinterher. Bei Monumenten bleibt er glücklos und nicht selten ist er als Zweiter der erste Verlierer. Dass der Slowake es noch kann, hat er aber in dieser Saison schon zweimal unter Beweis gestellt. Mit Etappensiegen bei der Tour de Romandie und der Katalonien-Rundfahrt stellt er klar, dass seine Zeit noch nicht vorbei ist. In der vergangenen Saison bestritt er erstmals den Giro d’Italia und gewann auf Anhieb ein Teilstück. Weil es ihm in Italien so gut gefiel, kehrt er nun wieder zurück. Ihm ist zuzutrauen, dass er trotz eines Starts bei der Tour de France auch die Italien-Rundfahrt beenden möchte. Daher ist er nicht nur ein Kandidat für Etappensiege, sondern auch für das Punktetrikot. Seine Stärke ist klar: Sagan braucht kein starkes Team an seiner Seite, um erfolgreich zu sein. Außerdem ist er den anderen Sprintern überlegen, wenn es wellig wird.
Dylan Groenewegen (Jumbo – Visma)
Ein vielbeachtetes Comeback wird beim Giro d’Italia Dylan Groenewegen feiern. Ohne auch nur ein einziges Vorbereitungsrennen bestritten zu haben, wird der Niederländer zum ersten Mal seit dem 5. August 2020 wieder auf einer Startliste stehen. Damals verschuldete er zum Auftakt der Polen-Rundfahrt einen schweren Massensturz auf der Zielgeraden, indem er Landsmann Fabio Jakobsen mit einem riskanten Fahrmanöver in die Bande drückte. Dieser fiel ins Koma und schwebte kurzzeitig in Lebensgefahr. Völlig geschockt von seinem eigenen Verhalten, verzichtete Dylan Groenewegen fortan auf Renneinsätze. Außerdem wurde er von der UCI gesperrt. Jetzt ist er zurück. Der reumütige Niederländer wird es nicht leicht haben, sich wieder ins Peloton einzugliedern, weil auch viele Fans ihm den Unfall bis heute nicht verziehen haben. Dementsprechend dürfen wir gespannt sein, wie sich der einst so starke Sprinter beim Giro d’Italia präsentieren wird und ob er vielleicht sogar einen Etappensieg bejubeln darf.
Tim Merlier (Alpecin – Fenix)
Obwohl Tim Merlier mit dem Giro d’Italia 2021 seine erste Grand Tour bestreiten wird, zählt er auf Anhieb zu den Favoriten in einem Massensprint. Der Belgier hat in dieser Saison nämlich – im Gegensatz zu vielen anderen hier genannten Profis – bereits einige Top-Resultate eingefahren. Der 28-Jährige gewann mit Le Samyn, der Bredene Koksijde Classic und dem GP Jean-Pierre Monseré bereits drei Eintagesrennen. Außerdem beeindruckte er beim schweren Dwars door Vlaanderen mit Rang drei. Im vergangenen Jahr war er unter anderem bei Tirreno – Adriatico erfolgreich und schockte die WorldTour-Profis. Seine Schwäche – noch keine Grand Tour gefahren zu sein – könnte hier auch zu seiner Stärke werden. Die Namen der Konkurrenten sind groß. Und er selbst wird kaum Druck verspüren, sondern unbekümmert in die Massensprints halten. Verwunderlich wäre also nicht, wenn dabei ein Erfolg herausspringen könnte.
Giacomo Nizzolo (Qhubeka – Assos)
Als wohl aktuell bester italienischer Sprinter gilt Giacomo Nizzolo. Seit er im August vergangenen Jahres Europameister wurde, gewann er allerdings nur noch ein einziges Rennen. Bei der Clasica de Almeria bekam er es aber auch nicht gerade mit der Sprint-Elite zu tun. Überzeugender war da schon sein zweiter Platz bei Gent – Wevelgem, als er sich nur Wout van Aert geschlagen geben musste. Mit dem Deutschen Max Walscheid als Anfahrer genießt er jedenfalls eine ordentliche Portion Windschatten. Gelingt ihm dann das perfekte Timing, steht einem Etappensieg beim Giro d’Italia nichts mehr im Wege. Und darauf wartet der mittlerweile 32-Jährige schon lange. Satte 7 Mal hat er schon an einer Italien-Rundfahrt teilgenommen. Gewonnen hat er noch nie. Zu Buche stehen lediglich 10 zweite und 5 dritte Plätze. So langsam wird es also Zeit …
Matteo Moschetti (Trek – Segafredo)
Auch der zweite Trumpf der Italiener wartet noch auf einen Etappensieg beim Giro d’Italia. Matteo Moschetti nahm bislang 3 Mal teil, landete aber nur auf einer Etappe auf dem Podium. Richtig stark wurde der mittlerweile 24-Jährige aber auch erst in den vergangenen beiden Jahren. Bei der Mallorca Challenge in der Vorsaison jubelte er zweimal, ehe er sich schwer verletzte. Dann kam er zurück und tat sich schwer, während der Corona-Pandemie zur alten Stärke zurückzufinden. Auch in diesem Jahr sollte es für den Italiener noch nicht rund laufen. Sicher braucht er etwas Glück, um ausgerechnet beim Giro d’Italia zu gewinnen. Von seinem Talent her ist es ihm aber zuzutrauen.
Elia Viviani (Cofidis)
Das größte Palmares aller italienischen Sprinter auf der Startliste hat gewiss Elia Viviani. Der 32-Jährige gewann vor allem in den Jahren 2018 und 2019 wie er wollte. Doch dann wechselte er von Quick-Step zu Cofidis – und seitdem läuft es nicht mehr rund. Erst Ende März diesen Jahres gewann er mit dem GP Cholet sein erstes Rennen für sein neues Team. Doch die Konkurrenz hatte kein WorldTour-Format. Ihm scheint mittlerweile nicht nur eine starke Mannschaft zu fehlen, sondern auch die Endschnelligkeit. Denn trotz seiner Erfahrung sieht er bei Massenankünften seit vielen Monaten nahezu chancenlos aus. Ob sich das beim diesjährigen Giro d’Italia plötzlich ändern wird, scheint eher unwahrscheinlich zu sein. Immerhin hat er – im Gegensatz zu seinen Landsleuten Nizzolo und Moschetti – schon Giro-Etappen gewonnen, nämlich 5 an der Zahl.