Test / E-MTB: Wir konnten die vor einigen Monaten neu vorgestellte Shimano XT Di2 Gruppe testen. Wir nehmen Features wie die Automatik und das Schalten ohne Treten unter die Lupe und sehen uns an, was sich in puncto Ergonomie und Schaltqualität getan hat.
In diesem Sommer stellte Shimano die neueste Version seiner elektronischen XT Di2 Schaltgruppe vor. Eigentlich längst überfällig, war der Vorgänger mittlerweile doch ein wenig in die Jahre gekommen und hatte gegenüber der Konkurrenz aus den USA etwas an Boden verloren. So war die Ankündigung selbst für die wenigsten wirklich überraschend, doch den mutigen Kurswechsel, den der Komponentenriese mit der Di2 Gruppe einschlägt umso mehr – es ist nämlich die erste ausschließlich für’s E-Bike erhältliche Schaltgruppe der Japaner.
Exklusiv an Shimano E-Bikes und E-MTBs
Ein Blick auf die Features verrät, weshalb man sich für diesen durchaus gewagten Schritt entschieden hat. Hier stehen vor allem Auto-Shift und Free-Shift im Fokus. Während im Auto-Shift Modus – wie der Name schon sagt – eine Automatik das Wechseln der Gänge übernimmt, lassen sich dank Free-Shift sogar im „Leerlauf“ die Gänge wechseln, also ganz ohne in die Pedale zu treten. Hierfür treibt der Motor das Kettenblatt für einen kurzen Moment an, bis das Schaltwerk die Kette auf das entsprechende Ritzel gehievt hat. Angesichts dessen ist es dann auch nicht verwunderlich, dass die neue Shimano XT Di2 nur für’s E-Bike bzw. E-MTB kommt und auch ausschließlich mit den beiden aktuellsten Antrieben aus eigenem Hause kompatibel ist, dem EP801 und dem EP6. Das bedeutet auch, dass die neuen XT Di2 Komponenten – Stand heute – nicht im Aftermarket erhältlich sind und nicht einfach nachgerüstet werden können, sondern zunächst nur Kompletträdern vorbehalten sind.
Linkglide und Hyperglide+
Die neue Shimano XT Di2 wird in zwei unterschiedlichen Ausführungen erhältlich sein. Die Linkglide Variante kommt mit elf Gängen und einer neuen 11-50 Kassette. Kassette und Kette sind auf Robustheit und Langlebigkeit ausgelegt und bringen entsprechend einige Gramm mehr auf die Waage. Mehr auf Performance optimiert ist die XT Di2 Hyperglide+, die mit 12 Gängen kommt und mit den bekannten 12-fach Kassetten von Shimano kompatibel sein wird. Das heißt: Geringeres Gewicht, mehr Bandbreite, dafür dürfte die Kassette weniger langlebig sein als ihr Linkglide-Pendant.
Alle technischen Daten und mehr Informationen zur Gruppe findet ihr im entsprechenden Artikel aus dem Sommer
Shimano XT Di2 und Cues Di2: Neue Elektro-Schaltungen exklusiv für E-Bikes
Eurobike 2022 / Produktnews: Gemeinsam mit den neuen Motoren präsentiert Shimano auch direkt drei neue elektronische Schaltgruppen – die Shimano XT Di2 in zwei Ausführung und die nagelneue Shimano Cues Di2. Shimano startet die volle Di2-Offensive und präsentiert erst kurz nach der Einführung der Shimano 105 Di2 nun zwei bzw. drei weitere elektronische Schaltgruppen für […]
Die Shimano XT Di2 in der Praxis
Mit dem Bulls Sonic Evo EN SL 1 für das Modelljahr 2023 hatten wir nun einige Monate nach der Vorstellung das erste Testbike mit der Shimano XT Di2 in der Redaktion. Verbaut ist hier die Linkglide Variante, was uns durchaus gefreut hat: Ihr bleibt nämlich das automatische Schalten während des Tretens vorbehalten. An der Hyperglide+ Variante übernimmt die Automatik nur im Leerlauf – wahrscheinlich um Kette und Kassette zu schonen. Entsprechend konnten wir alle Features in der Praxis testen.
Neuer, kabelgebundener Schalthebel
Vor der ersten Kurbelumdrehung fallen jedoch direkt zwei Dinge ins Auge: Zum einen der komplett überarbeitete Schalthebel, der mit dem Vorgänger nur noch wenig gemein hat. Verglichen mit dem Sram AXS Controller orientiert sich das Shimano Pendant noch deutlich mehr am klassischen Trigger – mit zwei Hebeln für das Hoch- und Runterschalten und einem zusätzlichen Button, der sich frei belegen lässt. Was außerdem auffällt: Das Kabel, das vom Schalthebel zum Display führt. Ja richtig, ein Kabel! Wer auf eine kabellose Ansteuerung gehofft hatte, wird enttäuscht; andererseits: Da sämtliche Bauteile darüber auch mit Strom versorgt werden, entfallen sämtliche Akku-Sorgen (zumindest an der Schaltung…).
Das Wichtigste zuerst: Der Auto-Shift Modus ist freiwillig. Niemand ist gezwungen, „dem System“ das Wechseln der Gänge zu überlassen. Selbst bei aktivierter Automatik kann man jedoch auch weiterhin immer manuell eingreifen. Wie sich die Automatik selbst verhält, lässt sich per Shimano E-Tube Project App individuell einstellen. Zwei Profile können direkt auf dem Bike gespeichert werden und lassen sich während der Fahrt (beispielsweise über den dritten Knopf am Schalthebel) wechseln. Entsprechend schnell oder eher etwas träger und abhängig von Parametern wie der Trittfrequenz wechselt die Schaltung dann selbständig den Gang.
Einstellungen über E-Tube Project App
Für eine Kettenschaltung ist das zunächst ziemlich ungewohnt. An den hauseigenen Di2 Nabenschaltungen bieten die Japaner eine derartige Automatik zwar schon eine Weile an – doch wer gerne etwas sportlicher unterwegs ist, muss sich auf das automatische Wechseln einstellen. Wir haben die Parameter in der App direkt auf unsere Fahrweise angepasst, beispielsweise die „Ziel-Trittfrequenz“ von 60 auf 75 erhöht, ebenso das Schaltverhalten etwas verlangsamt, um allzu häufiges Hin- und Herspringen der Gänge bei wechselnden Steigungen zu unterbinden. Ohnehin würden wir jedem Nutzer der neuen XT Di2 die E-Tube Project App wärmstens ans Herz legen!
Exzellentes Schaltverhalten und toller Free Shift Modus
Nach ein paar Testrunden und dem angesprochenen Abstecher in die App funktionierte das automatische Schalten jedoch fast schon erschreckend gut. Selbst unter Last waren die Wechsel meist sehr sanft und nur selten konnten wir das unschöne Knacken vernehmen, wenn die Kette vom einen auf das andere Ritzel hüpft. Bezüglich der Schaltqualität am E-Bike bzw. E-MTB legt Shimano hier eine extrem hohe Messlatte, die dem Namen „XT“ auch vollumfänglich gerecht wird. Greift man über das Betätigen des Schalthebels in die Automatik ein, wird diese für einige Sekunden pausiert. So lassen sich Anpassungen recht einfach vornehmen.
Im gemäßigten Gelände, auf Touren oder während der Anfahrt zum Trail können wir uns sehr gut vorstellen, auf diese Automatik zurückzugreifen. Geht es auf dem Trail sehr schnell zur Sache, würden wir jedoch nach wie vor den manuellen Modus bevorzugen, da hier auch Parameter wie Linienwahl, Untergrund oder Tagesform über den richtigen oder falschen Gang entscheiden. Etwas anders sieht es bezüglich des Free Shift aus: An das Schalten während der Abfahrt haben wir uns extrem schnell gewöhnt und dieses Feature kann auch bei Vollgas-Action auf dem Trail ein echter Vorteil sein.
Besonders gut gefallen hat uns außerdem auch der neu gestaltete Schalthebel. Ergonomisch gelungen mit zwei sehr gut erreichbaren, klar abgetrennten Hebeln mit knackigem Druckpunkt ist er ein klarer Fortschritt zum Vorgänger.