Test BMC Kaius 01 One: Mit dem Kaius setzt BMC einen Kontrapunkt zum trailigen Offroader Urs. Das brandneue Modell ist als Aero-Rennrad mit breiten Reifen zu verstehen, optimiert für Holperstrecken und schlechte Straßen im Gegenwind. Wir haben herausgefunden, wie sich das Rad mit dem superschmalen Lenker anfühlt.
Superleicht, extrem schnittig, kompromisslos ausgestattet: Auf dem BMC Kaius One 01 gewann die Französin Pauline Ferrand-Prévot die erste Gravel-Weltmeisterschaft. Seine sportliche Eignung hat das brandneue Gravelbike des Anbieters aus Grenchen damit bewiesen. Die Schotter-Rennmaschine ist dabei das genaue Gegenteil des Schwestermodells Urs: Beim Kaius gibt es keinerlei Montagemöglichkeiten über die zwei Flaschenhalter und eine Oberrohrtasche hinaus. Außerdem gleicht die Geometrie weitgehend dem Leichtbau-Renner Teammachine mit gestreckter Haltung und tiefem Lenker, während das Urs stark vom MTB beeinflusst ist.
BMC Kaius 01 One: Rennrad-Geometrie und Aero-Formen
Auch die kantigen Aero-Rohrformen des Carbonrahmens hat das BMC Kaius 01 One vom Profirenner, ebenso das einteilige Cockpit – an dieser Stelle weicht der Graveller aber stark vom Gewohnten ab. Über alle sechs Rahmengrößen hinweg ist der Lenker extrem schmal – gerade mal 36 cm am Oberlenker und 42 cm an den Lenkerenden (jeweils Mitte-Mitte). Dadurch, dass der Unterlenker leicht abgewinkelt ist, misst der Abstand der Höcker an den Bremsgriffen sogar nur 32 cm.
Extrem schmaler Lenker
Das muss man erst einmal verdauen, denn gerade im Gelände scheint ein eher breiter Lenker die logische Wahl, bietet er doch einen größeren Hebel, mit dem sich das Bike leichter auf Kurs halten lässt. BMC hält mit optimaler Aerodynamik dagegen – im Gegenwind kann man sich mit 36 cm Lenkerbreite natürlich schön schmal machen. Ob das in der Praxis wirklich funktioniert?
Ja, denn das Kaius lässt sich problemlos steuern und fällt nicht durch die Neigung auf, seinen eigenen Weg gehen zu wollen. Dabei ist der Lenkwinkel mit 72° ab Größe 52 nur minimal flacher als an der Rennmaschine Teammachine, der Radstand aber etwas länger. Damit ist das Kaius ebenso handlich wie laufruhig; in manchen Fahrsituationen merkt man freilich, dass man mit etwas mehr Kraft steuern muss. Wechselt man dann zum Unterlenker, hat man das Rad noch etwas besser im Griff – hilfreich etwa bei hohem Tempo oder auf ausgefahrenen Wegen, wo man gegen Spurrinnen anlenken muss.
Ein interessanter Aspekt der Rahmengeometrie ist die Gabellänge, die am Kaius 387 mm beträgt – 2 cm weniger als am Offroad-Gravelbike Urs (407 mm) und nur 12 mm mehr als an der Roadmachine (375 mm), die mit maximal 33 mm breiten Reifen gefahren werden kann. Für ein Gravelbike ist die Gabel des Kaius kurz, was dazu führt, dass das Rad weniger hochbeinig wirkt, außerdem muss das Steuerrohr nicht so kurz ausfallen. Beides verstärkt die optische Nähe zum Rennrad. Dennoch passen laut Hersteller 44 mm breite Pneus durch Rahmen und Gabel, was angesichts des Einsatzzwecks ziemlich viel ist. Damit sollte sich alles fahren lassen, was angesichts von Sitzposition und Lenkerbreite im Gelände möglich scheint. Die Option, superbreite B650-Reifen montieren zu können, hat sich BMC glücklicherweise gespart; so müssen Gabel und Hinterbau auch nicht extrem breit ausfallen, wie das bei manchem Wettbewerber der Fall ist. Und wo das Kaius offroad an seine Grenzen stößt, kann das BMC Urs übernehmen.
Integrierte Leitungen: eine saubere Sache
Das Carbon-Cockpit mit dem um 12,5 Grad nach unten orientierten Vorbau ist natürlich ein absoluter Hingucker, zumal es wie der Rahmen und auch die Spacer in Weiß lackiert ist. Damit wirkt das Rad aufgeräumt und im Wortsinne sauber, zumal die Innenverlegung der Bremsleitungen auch das Reinigen erleichtert. Dem von unten angeschraubten Computerhalter liegen Adapter für Garmin und Wahoo bei; die Bremsgriffe werden konventionell mit Schellen befestigt, können in ihrer Position also auch verändert werden. Der flache Oberlenker ist wie üblich nicht mit Band umwickelt, liegt aufgrund seiner Form jedoch gut in der Hand.
Superleicht, top ausgestattet
Die sportliche, aerodynamische Sitzposition ist nur ein Aspekt des Kaius, ein anderer ist sein sehr geringes Gewicht: Der Rahmen wird mit weniger als 1.000 Gramm angegeben, die Gabel mit rund 400 und das Cockpit mit ca. 300 Gramm. Auch der edle Zipp-Radsatz ist sehr leicht – laut Hersteller kaum mehr als 1.350 Gramm. Seine Hookless-Felgen mit 25 mm Maulweite sind ideal für breite Reifen; der Freilauf bietet mit 66 Rastpunkten extrem schnellen Kraftschluss.
Die Felgen mit den markentypischen „Dimples“ sind 40 mm tief und 30 mm breit; aerodynamisch optimal wären wohl Reifen von 35 mm Breite. Auch Pauline Ferrand-Prévot vertraute auf Tubeless-Pneus mit diesen Dimensionen – für den Gravel-Renneinsatz reicht’s.
Mit Pedalen wiegt das BMC kaum mehr als acht Kilo, was sich positiv auf Handling und Fahrdynamik auswirkt. Dazu ist das Rad sehr komfortabel, vor allem am Heck, wo die weit ausgezogene Carbonstütze stoßdämpfend flext. Die bereits schlauchlos montierten 40er Pirelli rollen weich ab und erscheinen insgesamt recht griffig. Viele interessante Details lassen sich am Rahmen bewundern, so der spezielle Aero-Flaschenhalter am Unterrohr oder die glattflächen „Stealth Dropout“-Ausfaller rechts, bei denen die Gewindebohrungen für die Achse nicht durchgehen.
Traumhaft ist natürlich auch die Ausstattung mit SRAM Red AXS XPLR in der 1×12-Version mit 42er Kettenblatt und 10-44er Kassette. Die breite Abstufung bis hin zur Untersetzung für steilste Anstiege geht natürlich zu Lasten feiner Gangsprünge, und wer das Kaius angesichts seiner Nähe zum Straßenrennrad gerne als Allrounder einsetzen will, könnte mit 2×12 Gängen besser bedient sein. Hier kommt aber eine interessante Eigenschaft der SRAM AXS zum Tragen: Sie lässt sich mit überschaubarem technischen Aufwand umrüsten; man braucht nur ein SRAM-Red-Doppelkettenblatt (ca. 300 Euro) sowie den elektronischen Umwerfer (ca. 460 Euro), außerdem natürlich eine enger abgestufte Kassette (SRAM Force 200 Euro).
Der ohnehin schon stattliche Preis des Kaius 01 One würde dadurch natürlich noch einmal ansteigen; die Summe aller Teile erklärt jedoch, warum das Topmodell so teuer sein muss. Mit SRAM Rival AXS 2×12, konventionellem Lenker und hauseigenen Carbonlaufrädern ist das Rad freilich auch für weniger als die Hälfte erhältlich. Dann kann man sich zwar nicht an der „freshen“ Lackierung in Weiß-Grün erfreuen, bekommt aber einen breiteren Lenker und eben ein Doppelkettenblatt in der interessanten „Wide“-Abstufung 43/30. So ausgestattet, ist das Kaius ein ideales Allroad-Bike, das Straßenrenner und Graveller vereint und der Teammachine dabei fast näher ist als dem Urs. Wer sich dem Thema Gravelbike vom Rennrad aus nähert, dürfte an diesem Konzept Gefallen finden.