Test Rose Backroad AXS Mullet Build: Eine Besonderheit unter den Backroad-Modellen stellt das „Mullet“ mit 650B-Radsatz und Mountainbike-Kassette dar. Wird das Carbon-Gravelbike damit noch geländegängiger?
Rose bietet das Carbon-Backroad in gleich elf Ausstattungsvarianten an; dazu kommen drei Limited-Modelle, zehn Alu-Backroads sowie E-Graveller. Da muss man sich erstmal zurechtfinden, und es lohnt sich, die Spezifikationen der einzelnen Ausführungen genau unter die Lupe zu nehmen. Rose hat nämlich recht ausgefallene Modelle im Programm, die auf bestimmte Einsatzbereiche zugeschnitten sind – etwa das Backroad AXS Mullet Build, welches als eines der wenigen Serien-Gravelbikes mit 650B-Radsatz kommt.
Rose Backroad AXS – Kleine Laufräder mit Vorteilen am Gravelbike?
650B = 27,5 Zoll ist inzwischen eine gebräuchliche Laufradgröße am Mountainbike. Die klassischen 26-Räder sind zwar potentiell leichter und verbessern die Handlichkeit, größere Laufräder – die so genannten „Twentyniner“, sprich 28-Zoll-Felgen mit breiten Reifen – rollen dagegen dynamischer über Hindernisse hinweg. Allerdings sind 29-Zoll-Bikes weniger agil. Hier hat sich das 27,5-Zoll-Laufrad als Zwischengröße etabliert: Auch mit großvolumigen Reifen erlauben solche Laufräder eine handliche Lenkung und eine kompakte Rahmenform.
Am Gravelbike kommen normalerweise 622-mm-Laufräder, also 28 Zoll, zum Einsatz. Wer mit 40 mm oder 45 mm breiten Reifen unterwegs ist, kommt damit gut zurecht. Sind jedoch breitere Reifen angesagt, etwa weil das Rad in schwererem Gelände genutzt werden soll, können Probleme auftreten: Die Pneus passen meist nicht oder nur ganz knapp in Rahmen und Gabel, außerdem verändern sich die Lenkeigenschaften. Durch den größeren Abrollumfang der Reifen wird außerdem die Übersetzung länger – alle Gänge sind dann etwas schwerer.
Noch agileres Handling mit 650B
Hier kommt der 650B-Radsatz des Rose ins Spiel: Seine 47 mm breiten Reifen liegen in Sachen Abrollumfang sogar etwas unterhalb von 622-40ern, wobei der kleinere Radius durch minimale Geometrieveränderungen für ein agileres Handling sorgt. Gleichzeitig können die breiteren Reifen mit geringem Druck gefahren werden, was die Traktion verbessert und natürlich auch für mehr Fahrkomfort sorgt.
Ob die Rechnung aufgeht? Das Backroad Mullet Build fällt jedenfalls sofort durch sein tolles Handling auf. Es ist wendig und agil, lässt sich blitzschnell beschleunigen und mit leichter Hand steuern. Das ist allerdings kein Wunder bei knapp 72° steilem Lenkwinkel, und auch mit konventionellen Laufrädern bestückte Backroad-Varianten konnten in dieser Hinsicht bereits begeistern.
Mehr Traktion dank breiter Reifen
Wo es holperig wird, sind mehr Reifenvolumen und abgesenkter Druck natürlich immer von Vorteil. Beim großvolumigen 650B-Pneu muss man auch bei geringem Luftdruck keine Angst vor Durchschlägen haben, wie sie bei schmaleren Reifen schon mal vorkommen können. Irgendwann fühlt sich natürlich jeder Reifen schwammig an; je breiter ein Reifen ist, desto mehr Spielraum bietet er aber, wenn es um den optimalen Kompromiss zwischen Leichtlauf, Komfort und Traktion geht. Die WTB Venture, die am Rose verbaut sind, sind bei einem Fahrergewicht bis 80 Kilo sogar für 1,7 bar Druck freigegeben. Dann drückt sich der Reifen so weit ein, dass die kräftigen Schulterstollen nicht nur in Kurvenschräglage Bodenkontakt haben, und beißt sich auf so ziemlich jedem Untergrund fest.
Zum „Mullet“-Konzept gehören bei Rose auch andere Komponenten. So ist das Testrad mit SRAM Force AXS Eagle ausgestattet, deren 10-50er Kranz zusammen mit dem 40er Kettenrad einen sehr großen Übersetzungsumfang bietet. Durch den geringeren Laufradumfang fallen alle Gänge etwas kürzer aus als beim Standard-Gravelbike, was auf MTB-ähnlichen Touren von Vorteil ist. Ungewöhnlich ist der stark ausgestellte Lenker der Marke Ritchey, dessen Enden anatomisch geformt sind. Er ist unten sehr breit, nicht sehr tief und damit optimal für anspruchsvolles Gelände und schwierige Abfahrten. Rose montiert ihn an alle Backroad-Modelle mit 1x-Getriebe; diese sind als 28-Zoll-Bikes mit 44 mm breiten Reifen ausgestattet. Backroads mit Doppelkettenblatt kommen mit konventionellem Rennlenker und 40er Reifen. Eine Ausnahme macht das Backroad Limited Ekar: 1×13-Antrieb, 40er Conti-Reifen und normale Lenkerform.
Rahmen mit niedrigem Tretlager
Im Vergleich mit den 28-Zoll-Versionen fällt freilich auf, dass dem 650B-Konzept am Rose Backroad Grenzen gesetzt sind. Und zwar durch die Reifenfreiheit, die bei 28 Zoll auf 45 mm, bei 27,5 Zoll auf 47 mm begrenzt ist. Kein großer Unterschied also; mehr Reifenvolumen kann man bei diesem Rad durch die kleineren Laufräder nicht herausholen. Außerdem ist die Rahmengeometrie des Backroad nicht unbedingt optimal für kleine Räder. Das Tretlager befindet sich 76 mm unterhalb der waagerechten Linie durch die Laufradachsen (Tretlagerabsenkung / BB Drop), was für ein Gravelbike ziemlich tief ist. Gerade in anspruchsvollem Gelände kommt es dadurch früher zu Pedalaufsetzern als bei einem Bike mit höherem Tretlager und konventionellen Laufrädern.
Rose Backroad AXS – Hoher Komfort durch die stark flexende Stütze
Neben sportlichem Fahrverhalten und großer Handlichkeit liegt einer der Vorzüge des Rose Backroad in seinem hohen Dämpfungskomfort. Am Hinterbau fallen die tief angesetzten Sitzstreben auf, in die auch die Sitzklemme integriert ist. Ab diesem Punkt kann die Carbon-Sattelstütze nach hinten ausweichen – das Sitzrohr ist nach hinten offen und mit einer schwarzen Blende abgedeckt. Beim Testrad mit weit herausgezogener Sattelstütze ist der „Flex“ extrem – wer aber stundenlang über Holperstrecken rollt, wird die Vibrations- und Stoßdämpfung des Backroad lieben. So kann man auch mit etwas höherem Luftdruck fahren, um Durchschläge zu vermeiden und den Rollwiderstand zu reduzieren.
Ein gewisses Komfort-Plus könnten auch die Laufräder bieten: Rose verbaut bei 28er wie 650B-Modell seinen „G-Thirty Disc“-Radsatz, der mit 25 mm Maulweite auf breite Reifen optimiert ist und außerdem mit superdünnen Sapim-Laser-Rundspeichen (2,0-1,5-2,0 mm) aufgebaut wird. Die verlangen zwar Fingerspitzengefühl beim Einspeichen, sollen aber die Eigendämpfung des Laufrades verbessern.
650B: ideal für kleinere Fahrerinnen und Fahrer
650B am Rose Backroad – ja oder nein? Könnte man Zwei-Zoll-Reifen montieren, würden die kleineren Laufräder einen Vorteil bieten, doch das erlaubt Rose nicht. So richtig geht das Konzept unserer Ansicht daher nicht auf. Allerdings sind 650B-Räder für kleinere Fahrerinnen und Fahrer sehr interessant: Sie profitieren besonders von der etwas größeren Handlichkeit, und auch das niedrigere Tretlager kommt ihnen entgegen. Das Rose Backroad zu wählen, ist in jedem Fall eine gute Entscheidung – es gibt ja auch noch zahlreiche andere Varianten…