Test Van Nicholas Rowtag: Das edle Titanrad ist mit zahlreichen Anbaumöglichkeiten rundum Bikepacking-tauglich, kann angesichts der besonderen Geometrie aber auch sportlich abgestimmt werden. Im Online-Konfigurator lässt es sich ebenso luxuriös wie preisbewusst aufbauen – ein individuelles Schmuckstück mit sehr guten Fahreigenschaften ist es in jeder Variante.
Als die Radmarke Van Nicholas im Jahr 2006 gegründet wurde, war Titan ein teures Rahmenmaterial für Liebhaber, denen Haltbarkeit und Fahrverhalten wichtiger waren als große Markennamen. Doch schon zu jener Zeit kostete ein Titanrahmen aus US-amerikanischer Produktion locker 3.000 Euro – unerschwinglich für viele Radsportfans und eine Möglichkeit für die junge Marke Van Nicholas, sich einen Namen zu machen. Die hochwertigen, vielseitigen und vor allem bezahlbaren Rahmen der Niederländer wurden schnell bekannt, und spätestens seit der Übernahme durch die Accell Group ist Van Nicolas eine feste Größe auf dem Markt für sportliche Bikes und Reiseräder – spezialisiert auf Fahrradtechnik vom Feinsten zu äußerst attraktiven Preisen.
Van Nicholas Rowtag: Komplettrad unter 4.000 Euro
Klar, billig ist ein Titanrad nie – doch mit Shimano GRX 1×11 und Mavic-Radsatz gibt es ein komplettes Van Nicholas Rowtag bereits für 3.849 Euro, wobei das Rahmenset zum Selbstaufbau mit attraktiven 2.299 Euro zu Buche schlägt. Wie gesagt, für Titan ist das äußerst günstig – außerdem macht sich der Rahmen der Niederländer modernste Fertigungsmethoden zunutze und ist damit faszinierend schön gestaltet. Steuerrohr, hintere Ausfallenden und Tretlagerbereich werden gegossen, womit sich fließende Formen erzeugen lassen. Beim rechten Ausfallende ist der Eingang für den Schaltzug sehr elegant ausgeführt – am Testrad bleibt er natürlich ungenutzt, zumal das Rad mit elektronischer SRAM Force 2×12 aufgebaut ist. Am samtigen Edelmetall fallen gelaserte und eingravierte Logos auf; alle Schweißnähte sind fein geschuppt und gleichmäßig ausgeführt. Dort, wo lackierte Rahmen unschön Kratzer und blinde Stellen bekommen, setzt ein Titanrahmen im Gebrauch höchstens etwas Patina an – beim stark geforderten Gravelbike natürlich ein großer Vorteil.
Das 6.800 Euro teure Testrad ist tiptop ausgestattet: Von Zipp kommt der leichte Carbon-Radsatz 303s, dessen 42er WTB-Reifen zwecks weiterer Gewichtsersparnis auf Tubeless umgerüstet werden könnten. Auch Lenker und Vorbau tragen das Zipp-Logo; die Sattelstütze wiederum ist wie die Spacer und Steuersatzkappe und -deckel aus Titan gefertigt.
Neben dem Bikepacking-MTB Nootau mit Starrgabel läuft das Rowtag bei Van Nicholas unter „Adventure“, was man vor allem an den diversen Montagemöglichkeiten sehen kann: Drei Flaschenhalter, Gabelhalterungen, Heckträger, Schutzbleche und Oberrohrtasche lassen sich befestigen. 28-Zoll-Reifen können bis zu 45 mm breit sein, bei 27,5 Zoll sind bis zu 50 mm drin.
Viele Optionen bei der Sitzposition
Damit ist das Rowtag rundum Bikepacking-tauglich, andererseits ist es auch dem sportlichen Einsatz nicht abgeneigt, was nicht zuletzt an der vielseitigen Sitzgeometrie liegt. Der Hersteller bietet sechs Rahmengrößen an, von XS (Rh. 48) bis XXL (Rh. 64). Die mittleren vier Größen (S, M, L, XL) unterschieden sich deutlich in der Höhe, aber kaum in der Länge: Das Steuerrohr wächst in 25-mm-Schritten und damit auch die Lenkerhöhe; die Sitzlänge ändert sich dagegen nur um 3 bis 7 mm. So kann man zwischen deutlich sportlicher oder sehr aufrechter Körperhaltung wählen, ohne dass die Sitzposition merklich länger bzw. kürzer ausfällt.
Zwischen laufruhig und vortriebsstark
Mit etwas längeren Kettenstreben (440 mm) und eher flachem Lenkwinkel läuft das Rowtag ruhig und sicher geradeaus, ohne jedoch gemächlich zu wirken; wird ein superleichter Radsatz vom Rennrad eingebaut, fühlt es sich schlagartig handlicher und vortriebsstärker an. Das deutet an, wie gut sich das Titanrad mit schmaleren Reifen für sportliche Einsätze eignet. In Sachen Fahrkomfort bewegt sich das Van Nicholas irgendwo zwischen Stahl und Aluminium. Wer maximale Vibrationsdämpfung am Heck will, sollte eine Carbonstütze nachrüsten, die es allerdings nicht im Online-Konfigurator gibt.
Die SRAM-Gruppe ist natürlich nicht die einzige Option beim Konfigurieren, aber vielleicht die Interessanteste: Van Nicholas bietet die „Superkompakt“-Variante mit 43/30 Zähnen am Doppelkettenblatt an, kombiniert mit 10-33er oder 10-36er Kassette. Damit ergibt sich ein ebenso breit aufgestellter wie eng abgestufter Übersetzungsbereich; die leichte Kassette senkt außerdem das Gesamtgewicht. Wobei beim Radsatz anzumerken ist, dass der Hersteller die hochwertigen Centerline-Bremsscheiben von SRAM montiert – auch in der Oberklasse wird an dieser Stelle ab und zu gespart. Das einzige Detail, das an der Ausstattung missfällt, sind die Steckachsen mit Spannhebel. Sie sind umständlich zu bedienen und doppelt so schwer wie herkömmliche Achsen.
Apropos: Mit 9,6 Kilo liegt das Van Nicholas selbst mit manchem Carbon-Graveller auf Augenhöhe, wobei es natürlich von der leichten Komplettierung profitiert. Wie bei vielen hochwertigen Bikes sorgen Faktoren wie Rahmengeometrie, Sitzposition und Details bei der Abstimmung jedoch dafür, dass sich das Titanrad einfach gut anfühlt – einige Hundert Gramm mehr oder weniger sind da nebensächlich.