Beim Mountainbike haben sie sich schon etabliert, Rennradfahrerinnen und Gravelbiker mussten sich bisher noch nicht mit ihnen beschäftigen. Doch in Form der brandneuen SRAM Red AXS XPLR wagen sich die großen UDH-Schaltwerke auf neues Terrain vor. Wie funktioniert der neue Standard also? Und was bedeutet „UDH“ überhaupt?
Hinter dem Kürzel steckt der Begriff „Universal Derailleur Hanger“. Das universelle Schaltauge also – wobei das nur ein Teil der Geschichte ist. Wer schon einmal bei einem älteren Rahmen das Schaltauge ersetzen musste, wird verstehen, warum eine einheitliche Form dieses Bauteils praktisch ist: Derzeit gibt es sie in Dutzenden, vielleicht sogar Hunderten von Ausführungen – man schaue nur einmal auf schaltauge.de vorbei, wo Suchende mit etwas Glück das passende Ersatzteil finden.
Universal Derailleur Hanger: keine unterschiedlichen Schaltaugen mehr!
Mit dem UDH ist Schluss damit: Alle Rahmen, die dem von SRAM entwickelten Standard entsprechen, sind mit dem identischen Schaltauge ausgestattet. Das „Interface“ des Rahmens, an welches das UDH-Schaltauge montiert wird, muss dabei nicht immer gleich aussehen – es gibt fünf unterschiedliche Varianten, die dem Rahmenhersteller einige Freiheiten bei der Gestaltung lassen. Doch das von SRAM entwickelte Schaltauge ist wie gesagt immer gleich. Es besteht aus Kunststoff und Aluminium, wird von innen in den Rahmen gesteckt und dann mit einer hohlen Schraube befestigt, die ein Linksgewinde trägt. Die Schraube ist dazu mit einem Innengewinde ausgestattet, in das die Steckachse eingeschraubt wird. Das UDH-Schaltauge ist so konzipiert, dass sich die Kette nicht zwischen Ritzelpaket und Rahmen verklemmen kann, was gerade bei Carbonrahmen ein großer Vorteil ist.
An diesem Schaltauge wird ein herkömmliches Schaltwerk wie üblich befestigt – beispielsweise wie abgebildet ein Shimano GRX am E-Gravelbike von Canyon. Aber auch ein 60 Jahre altes Rennrad-Schaltwerk kann angebaut werden, denn das Schaltauge hat sich seit den frühen 1950er Jahren praktisch nicht verändert. An besseren Stahlrahmen war es ein fester Bestandteil des Rahmens, an einfachen eine aufgeschraubte Platte – war es verbogen, konnte es gerichtet bzw. in letzterem Falle ausgetauscht werden. An Aluminium- und Carbonrahmen werden Alu-Schaltaugen montiert, die als Sollbruchstelle dienen, falls beim Sturz usw. Kräfte aufs Schaltwerk wirken. Das heißt, dass das Schaltauge nicht allzu stabil sein darf; andererseits bedeutet das aber auch, dass ein nachgiebiges Schaltauge die Schaltpräzision beeinträchtigen kann. Und je mehr Ritzel hinten bedient werden wollen, desto stärker wird das zum Problem.
Nächster Schritt: das „Hangerless Interface“
Und hier kommt der eigentliche Vorteil des Universal Derailleur Hangers zum Tragen: Er ist nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum „Hangerless Interface“, also einer Hinterradaufnahme, die komplett ohne Schaltauge auskommt. Dort wird ein spezielles Schaltwerk direkt an den Rahmen montiert, und so ein Schaltwerk gibt es mit dem neuen SRAM Red AXS XPLR nun erstmals für Dropbar-Bikes.
Mountainbiker kennen das System schon, dessen Vorteile in der großen Robustheit sowie der hohen Schaltpräzision liegen. Aber wie funktioniert die Technik genau? Eigentlich ganz einfach: Das eigentliche UDH-Schaltauge wird entfernt; im Rahmen wird dann ein großes Loch sichtbar. In dieses drückt man die Reduzierhülse, dann wird das Schaltwerk darübergeschoben und festgeschraubt. Der Befestigungsbolzen ist hohl; an seiner Innenseite befindet sich das Gewinde für die Steckachse. Richtig befestigen lässt sich das Schaltwerk erst, wenn die Kette montiert und das Hinterrad eingesetzt ist; dieses presst das Schaltwerk nämlich an den Rahmen und fixiert es dadurch.
SRAM Red AXS XPLR: Ein Schaltwerk, das nicht eingestellt werden muss
Das Direct-mount-Schaltwerk hat keinerlei Einstellschrauben, da seine Position zur Kassette genau definiert ist. Die Justage erfolgt, sobald die Kette montiert ist, und weicht deutlich von der gewohnten Prozedur ab; wer es einmal gemacht hat, schwört, dass die Einstellung der Schaltung nun viel einfacher ist. Auch das Ermitteln der Kettenlänge ist damit einfacher – diese hängt nämlich nur noch von der Länge der Kettenstreben ab.
Die extreme Stabilität des neuartigen Schaltwerks sorgt für maximal präzise Gangwechsel; die Elektronik der SRAM AXS erkennt Gewalteinwirkung aufs Schaltwerk und lässt dieses dann blitzschnell nach innen schwenken. Damit soll jedweden Beschädigungen vorgebeugt werden, außerdem lassen sich einzelne Teile des teuren Wechsels auswechseln.
Einziger Haken an der Sache: An einem herkömmlichen Rahmen lässt sich das Direct-mount-Schaltwerk nicht befestigen. Andersherum ist das UDH-Schaltauge mit jedem normalen Schaltwerk kompatibel. Beim Gravelbike ist die Zahl der damit ausgestatteten Rahmen noch überschaubar, und natürlich gibt es bisher nur ein einziges entsprechendes Schaltwerk, nämlich das besagte SRAM Red AXS XPLR. Dass sich das ändern wird, zeigt die MTB-Szene – mal sehen, wie lange es beim Dropbar-Bike dauert, bis sich der neue Standard etabliert hat.