Auch wenn es mittlerweile schon die zweite Saison der Enduro World Serie (EWS) ist, fühlt sich alles doch noch neu an. Das Rennen in Schottland war auch das erste große Rennen ohne Fabien Barel. Er ist noch gefangen in seinem Korsett und drückt uns von zu Hause aus die Daumen. Fab kann es kaum erwarten, wieder voll anzugreifen.
Nach Chile war es wieder eine neue Location und ein – für die meisten von der Canyon Crew – unbekanntes Land, das es zu erobern galt. Doch für Joe Barnes – unseren „Top Chief“ – brachte diese Runde der EWS ein besondere Portion Spannung mit sich. Auf seinem „home turf“ sollte Joe uns und die Konkurrenz noch richtig beeindrucken. Ein typischer schottischer Rider wie Joe weiß natürlich genau, was jeden hier im Rennen erwartet. Klarer Heimvorteil – und so ist kaum verwunderlich, dass er bei den örtlichen Buchmachern als heißer Kandidat für den Sieg geführt wurde.
Mit dicken Jacken, Heizgebläse und jeder Menge Regenhosen angereist, waren wir fast schon enttäuscht, als sich das Wetter von seiner absolut untypischen, schönsten Seite zeigte. Bis auf den verregneten Donnerstag, 29. Mai, wurden wir durchgehend mit Sonne beschenkt. Am zweiten Trainingstag war es eine riesige Schlammschlacht, doch die Stages waren dann zu Beginn des Rennens nahezu komplett abgetrocknet. Blieb also nur das Problem der vielen Wurzeln, engen Bäume und fiesen Steilstufen zu lösen. Last, but not least, war das Rennen mit fast 100 Kilometern und 3000 Höhenmeter auf zwei Tage verteilt absolut kein Pappenstiel.
Unser Lokalmatador Joe zeigte am ersten Tag, dass mit ihm zu rechnen ist und setzte sich als erster Verfolger auf den zweiten Platz im komplett durchgemischten Klassement. Da musste man schon zweimal hinschauen um die eigentlichen Favoriten im Ranking zu finden. Auch Ludo May erwischte einen durchwachsenen ersten Tag und fand sich im Mittelfeld des Klassements wieder.
Ines Thomas Fazit nach dem ersten Renntag, Samstag, 30. Mai:
„Das Rennen ist so brutal fordernd, besonders die Tretpassagen. Man ist total platt und danach geht‘s ganz steil abwärts, dann stehen auch noch überall Bäume, durch die man sich erstmal durchducken muss und ständig Wurzeln, denen man ausweichen muss – das hat mich schon ganz schön geschafft.“
Komplett geschlaucht ging es am Sonntag, 1. Juni, gegen 8:30 Uhr nicht weniger anstrengend weiter. Auf dem zweiten Part rund um das bekannte Trailcenter in Glenntress, konnte Ines ihren fünften Platz vom Vortag auf den flacheren und tretintensiveren Stages verteidigen. Ludo ließ seinen Rhythmus leider weiter in den dunklen Wäldern liegen und musste sich am Ende des Rennens mit Rang 34 begnügen. Mit Startnummer 10, aber einer nicht optimalen Startposition durch das Seeding in Chile, kam es mit dem Start von Joes Run auf der letzten und längsten Stage des Tages zum Showdown zwischen ihm und dem Führenden Nico Lau. Brachiale Anfeuerungssalven schallten durch die schottischen Wälder als der „Top Chief“ auf die letzten Kilometer der Stage einbog. Gepusht von zahlreichen Zuschauern und Race-Kollegen zeigte die Zeitmessung einen dritten Gesamtrang für Joe. Historisch! Denn es war das erste Podium für einen Briten in der Enduro World Series!
Joe beschreibt sein Highlight des Wochenendes so:
„Nach dem harten ersten Tag war ich am Sonntag ziemlich müde. Dann nahm ich eine Linkskurve einfach perfekt und dachte: ‚Oh yeah, das hat gepasst! So muss es sein!‘ In diesem Moment war mir klar, ich hab die richtige Pace für heute gefunden und der Rest lief wie von selbst.“
Wie schon in Chile haben die Organisatoren der EWS auch mit Schottland den richtigen Riecher gehabt. Das Land zeigte sich von seiner besten Seite mit den warmherzigen Locals, seinen Ridern und Trails. Auch das Rennen hat einen neuen Maßstab in puncto Härte gesetzt. Alle waren sich einig, dass es viel zu tun gibt, um ganz vorne dabei zu sein.
Bleibt am Lenker – wir lassen schon Mitte Juni mit einem besonderen ‚Entry‘ wieder von uns hören!